Morgen, Kinder, wird†™s nichts geben!

Morgen, Kinder, wird†™s nichts geben!
Nur wer hat, kriegt noch geschenkt.
Mutter schenkte Euch das Leben.
Das genügt, wenn man†™s bedenkt.
Einmal kommt auch eure Zeit.
Morgen ist†™s noch nicht soweit.

Doch ihr dürft nicht traurig werden.
Reiche haben Armut gern.
Gänsebraten macht Beschwerden.
Puppen sind nicht mehr modern.
Morgen kommt der Weihnachtsmann.
Allerdings nur nebenan.

Lauft ein bisschen durch die Straßen!
Dort gibt†™s Weihnachtsfest genug.
Christentum, vom Turm geblasen,
macht die kleinsten Kinder klug.
Kopf gut schütteln vor Gebrauch!
Ohne Christbaum geht es auch.

Tannengrün mit Osrambirnen †“
Lernt drauf pfeifen! Werdet stolz!
Reißt die Bretter von den Stirnen,
denn im Ofen fehlt†™s an Holz!
Stille Nacht und heil†™ge Nacht †“
Weint, wenn†™s geht, nicht! Sondern lacht!

Morgen, Kinder, wird†™s nichts geben!
Wer nichts kriegt, der kriegt Geduld!
Morgen, Kinder, lernt fürs Leben!
Gott ist nicht allein dran schuld.
Gottes Güte reicht so weit …
Ach, du liebe Weihnachtszeit!

Weihnachtslied, chemisch gereinigt (1928) von Erich Kästner

Kästner für Erwachsene

Kurzbeschreibung
Ein Muss für jeden Bücherschrank: „Kästner für Erwachsene“: Mit sämtlichen Romanen und allen großen Gedichtbänden bietet die umfangreiche Kästner-Werkausgabe eine nahezu vollständige Sammlung der Texte des Erwachsenenautors Erich Kästner. Die Auswahl – von „Fabian“ bis zu „Ein Mann gibt Auskunft“ – zeigt das gesamte Spektrum des Moralisten und Satirikers und lädt dazu ein, immer wieder aufs Neue zu stöbern und zu entdecken. Dazu kommen Erich Kästners Autobiographie „als ich ein kleiner Junge war“, ein ausführliches Kästner-Porträt sowie eine detaillierte Zeittafel. Vier Bände im Schuber, Leineneinband. Mit Illustrationen von Erich Ohser und einem Vorwort von Hermann Kesten. „Erich Kästner ist ein Sohn des Volks mit Witz, ein Literat mit Geist, ein Volksfreund, ein Freund der Vernünftigen, ein Weltfreund, ein konsequenter deutscher Poet.“ (Hermann Kesten in der Einleitung zu „Kästner für Erwachsene“)

Über den Autor
Erich Kästner, geboren am 23. Februar 1899 in Dresden, studierte nach dem Ersten Weltkrieg Germanistik, Geschichte und Philosophie. Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten war Kästner Theaterkritiker und freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zeitungen. Von 1945 bis zu seinem Tode am 29. Juli 1974 lebte Kästner in München und war dort u.a. Feuilletonchef der „Neuen Zeitung“. 1957 erhielt er den Georg-Büchner-Preis.

(Quelle: Kästner für Erwachsene, Zürich 1966)

Oktoberlied von Theodor Storm

Oktoberlied von Theodor Storm

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Und geht es draußen noch so toll,
Unchristlich oder christlich,
Ist doch die Welt, die schöne Welt,
So gänzlich unverwüstlich!

Und wimmert auch einmal das Herz –
Stoß an und laß es klingen!
Wir wissen’s doch, ein rechtes Herz
Ist gar nicht umzubringen.

Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
Schenk ein den Wein, den holden!
Wir wollen uns den grauen Tag
Vergolden, ja vergolden!

Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
Doch warte nur ein Weilchen!
Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
Es steht die Welt in Veilchen.

Die blauen Tage brechen an,
Und ehe sie verfließen,
Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
Genießen, ja genießen!

Quelle Foto: Flickr

Barbara Köhler erhält den Joachim-Ringelnatz-Preis

Ich harre aus im Land und geh, ihm fremd,
Mit einer Liebe, die mich über Grenzen treibt,
Zwischen den Himmeln. Sehe jeder, wo er bleibt;
Ich harre aus im Land und geh ihm fremd.

(von Barbara Köhler aus Rondeau Allemagne, geschrieben 1988)

Der Joachim-Ringelnatz-Preis für Lyrik 2008 der Stadt Cuxhaven geht an Barbara Köhler. Die Experimente der 49-jährigen Autorin (Deutsches Roulette, Blue Box) mit der Grammatik entfachten „ein produktives Verwirrspiel“ aus Stimmen, Klängen und Sprachwitz, so die Jury.

Barbara Köhler, geboren 1959 in Burgstädt, wuchs im sächsischen Penig auf und besuchte in Plauen die Oberschule, an der sie auch ihr Abitur ablegte. Danach ließ sie sich zur Facharbeiterin für textile Flächenherstellung ausbilden, arbeitete dann aber in Karl-Marx-Stadt als Altenpflegerin und als Beleuchterin am städtischen Theater.

Zwischen 1985 und 1988 absolvierte sie ein Literaturstudium am Literaturinstitut Johannes R. Becher. Zu dieser Zeit lebte sie auf dem Kaßberg. Erste Werke Köhlers erschienen in Zeitschriften, zwei Jahre war sie anschließend am Bezirksliteraturzentrum Karl-Marx-Stadt wissenschaftlich aktiv.

Nach der Wiedervereinigung wurde Köhler arbeitslos und versuchte sich deshalb als freie Autorin. Sie veröffentlichte 1991 ihren ersten Gedichtband Deutsches Roulette, schrieb für diverse Zeitungen und verfasste Essays sowie Katalogbeiträge zur bildenden Kunst. Seit 1994 lebt Barbara Köhler in Duisburg.

Die formal sehr unterschiedlichen Gedichte Köhlers lassen das Ich im sprachlichen Raum als übergeordnetes Thema erkennen. Seit 1996 erzeugt sie auch Textinstallationen, beispielsweise im November 1997 die Ausstellung „words for windows 2†œ im Landtag Nordrhein-Westfalen.

Der mit 15 000 Euro dotierte Preis wird am 13. Dezember verliehen. Frühere Träger des seit 2002 verliehenen Preises waren Peter Rühmkorf, Robert Gernhardt und Wolf Biermann.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Trugbild – Ein Gedicht von Cees Nooteboom

Trugbild

Nie gewesen, der du sein wolltest,
der du dachtest, daß du warst.
Das falsche Kostüm
in einer verqueren Welt.

Immer mit der Lüge gegangen,
der ältesten Verlobten, nie geglaubt,
daß nächstliegende Worte

die innigsten sind. Für dich ist
die Erscheinung verwandter
als der erste Gedanke,

du hast zuviel Welt, zuviel Moos
an deinem Standbild, du stehst da
mit dem Buch, das du selbst nicht gelesen,

ein Mann aus Fleisch, der zu Kalk wurde,
ein Engel aus Schatten, allein,
gehüllt in deinen Namen
als leeren Beruf.

Cees Nooteboom wurde am 31. Juli 75 Jahre alt.

Cees Nooteboom: Gesammelte Werke Band 1: Gedichte
Aus dem Niederländischen von Ard Posthuma und Helga van Beuningen; hg. von Susanne Schaber; © Cees Nooteboom 2003 ; Suhrkamp Verlag, 2008; 418 S., 34,90 €

Quellen: Zeit Foto: Flickr

Radovan Karadzic: Ich habe mich vom Guten abgewendet

Radovan Karadzic

Das Gedicht steht als Beispiel Karadzics literarischer Aktivitäten:

Ich habe mich vom Guten abgewendet
Von Radovan Karadzic

Ich habe mich vom Guten abgewendet
brenne wie eine Zigarette auf
meinen neurotischen Lippen.
von allen fertiggemacht
warte ich in der Morgendämmerung auf
meine große Stunde.
Endlich werde ich
die Morgenbombe werfen und
man wird nur noch das
Lachen eines launischen
einsamen Mannes hören.

Radovan Karadzic, der vor dem UN-Tribunal in Den Haag wegen Kriegsverbrechen und Völkermord angeklagt ist, wurde 1945 im montenegrinischen Bergdorf Petnjica geboren. Der frühere bosnische Serbenführer studierte in den sechziger Jahren in Sarajewo Medizin und betrieb später als Psychiater eine eigene Praxis in Pale. 1990 wurde er Präsident der Republika Srpska in Bosnien und Herzegowina und begann einen Krieg gegen die anderen bosnischen Bevölkerungsgruppen. Karadоić wird beschuldigt, die dabei vorgenommenen sogenannten „ethnischen Säuberungen“ und Übergriffe auf bosniakische und kroatische Zivilisten geplant und befohlen zu haben. So wurde u.a. auf Befehl Karadоićs am 11. Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica mit über 40.000 bosnischen Flüchtlingen von serbischen Truppen ohne Widerstand der niederländischen UN-Truppen eingenommen. Während Frauen und Kinder in Richtung Tuzla vertrieben wurden, wurde der größte Teil der männlichen Bevölkerung (bis zu 6.975 Bosniaken ermordet.

Auf anhaltenden internationalen Druck hin musste Karadоić am 30. Juni 1996 als Präsident der Republika Srpska abtreten. Am 24. April 1995 gab das UN-Kriegsverbrechertribunal bekannt, dass es gegen Karadоić ermittelt. Am 14. November reichte es eine erweiterte Anklageschrift ein, am 11. Juli 1996 erließ es einen internationalen Haftbefehl.

Auch eine von den Vereinigten Staaten ausgerufene Belohnung von fünf Millionen Dollar für Hinweise zur Verhaftung von Radovan Karadоić hatten nicht zur Festnahme Karadоićs geführt. Der nunmehr untergetauchte Karadоić konnte aufgrund der Unterstützung von Regierungsbeamten der Republika Srpska und zunächst wohl auch seitens MiloŠ¡evićs, sich immer wieder dem Zugriff entziehen.

Karadzic verfasste Gedichte, schrieb Kinderbücher und komponierte volkstümliche serbische Musik. Von 1968 bis 1990 veröffentlichte er vier Gedichtbände, wobei bereits der erste, Ludo koplje (deutsch: Verrückte Lanze), vom Kampfgeist der Serben handelt. Während seines Belgrad-Aufenthalts lernte er den damals schon bekannten Romancier und Essayisten Dobrica Ćosić kennen, der ihn stark beeinflusste und in die literarische Szene der Hauptstadt einführte.

Am Montag, den 21. Juli 2008, wurde Karadzic in Belgrad verhaftet. Nach Angaben serbischer Ermittler habe er vor seiner Festnahme unter falscher Identität und mit stark verändertem äußeren Erscheinungsbild als „Dragan Dabić“ unbehelligt in Belgrad gelebt und in einer Arztpraxis als „Alternativmediziner“ gearbeitet. Kurz vor der Festnahme habe er sich auf seinen bevorstehenden Urlaub in der kroatischen Stadt Split vorbereitet.

Quelle: Süddeutsche Zeitung – Peter Köpf: Karadzic: Die Schande Europas. Econ-Verlag, Düsseldorf 1995