Little Brother von Cory Doctorow: Kapitel 2

Little Brother

Kapitel 2

Dieses Kapitel ist Amazon.com gewidmet, dem größten Internet-Buchhändler der Welt. Amazon ist umwerfend †“ ein †œLaden†, in dem man praktisch jedes jemals publizierte Buch kaufen kann (nicht zu vergessen: praktisch alles andere auch, vom Laptop bis zur Käsereibe); wo Empfehlungen zu einer eigenen Kunstform erhoben worden sind; wo es ausdrücklich erlaubt ist, dass Kunden direkt miteinander sprechen; und wo permanent neue, verbesserte Techniken erfunden werden, um Bücher mit Lesern in Kontakt zu bringen.

Amazon hat mich stets wie pures Gold behandelt †“ sein Gründer, Jeff Bezos, veröffentlichte sogar eine Leserbesprechung meines ersten Romans -, und ich kaufe dort ein wie bescheuert (meinen Listen nach zu urteilen, durchschnittlich einmal alle sechs Tage). Amazon ist mittendrin, die Buchhandlung des 21. Jahrhunderts neu zu erfinden, und ich könnte mir kein Team vorstellen, das besser in der Lage wäre, die damit verbundenen Probleme anzugehen.

Amazon:

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Vielleicht studier ich Physik, wenn ich nach Berkeley gehe†, sagte Darryl. Sein Vater lehrte an der University of California in Berkeley, so dass er dort keine Studiengebühren würde zahlen müssen. Und ob er dort hin ginge, das stand in Darryls Haushalt nie zur Debatte.

†œOkay, aber könntest du das nicht auch online lesen?†

†œMein Dad sagte, ich solle das Buch nehmen. Im Übrigen hatte ich nicht geplant, heute noch ein Verbrechen zu begehen.†

†œSchule schwänzen ist kein Verbrechen, sondern ein Vergehen. Das ist was ganz anderes.†

†œWas machen wirn jetzt, Marcus?†

†œHm, verstecken geht nicht, also muss ichs grillen.†

RFIDs zu killen ist ne schwarze Kunst. Kein Händler kann bösartige Kunden brauchen, die in seinem Shop rumrennen und hirntote Waren zurücklassen, denen der unsichtbare Strichcode fehlt. Deshalb haben die Hersteller sich geweigert, ein †œKill-Signal† vorzusehen, mit dem man per Funk den RFID ausschalten kann. Mit den geeigneten Boxen kann man RFIDs umprogrammieren, aber ich hasse es, das mit Büchereibüchern zu tun. Es ist nicht dasselbe wie Seiten rauszureißen, aber es ist schon übel, weil ein Buch mit umprogrammiertem RFID nicht mehr einsortiert und nicht mehr gefunden werden kann. Es wird zu einer Stecknadel im Heuhaufen.

Also blieb mir nur eine Option: das Ding zu grillen. Im Wortsinn. 30 Sekunden in der Mikrowelle kriegen so ziemlich jeden handelsüblichen RFID klein. Und weil der Chip dann überhaupt nichts mehr sagen würde, wenn D es in die Bibliothek zurückbrächte, müssten sie bloß einen neuen ausdrucken und mit den Katalogdaten des Buchs codieren; dann würde es ganz ordentlich wieder auf seinem Regal landen.

Alles, was wir jetzt brauchten, war eine Mikrowelle.

†œLass uns noch zwei Minuten warten, dann ist das Lehrerzimmer leer†, sagte ich.

Darryl schnappte sich sein Buch und ging zur Tür. †œVergiss es einfach. Ich geh zurück in die Klasse.†

Ich griff ihn am Ellbogen und zog ihn zurück. †œHey, D, entspann dich. Alles wird gut.†

†œLehrerzimmer, ja? Hast du mir nicht zugehört? Wenn die mich noch einmal schnappen, bin ich weg vom Fenster. Begriffen? Die werfen mich raus!†

†œSie schnappen dich aber nicht†, antwortete ich. Wenn es einen Ort gab, an dem um diese Zeit kein einziger Lehrer war, dann das Lehrerzimmer. †œWir gehen hintenrum rein.†

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Das Lehrerzimmer hatte an einer Seite eine Küchenzeile mit separatem Eingang für Lehrer, die nur kurz auf einen Becher reinkamen. Die Mikrowelle, die immer nach Popcorn und verschütteter Suppe stank, war auch da drin †“ oben auf dem Minikühlschrank.

Darryl stöhnte, und meine Gedanken rasten.

†œHey, es hat schon wieder geklingelt. Wenn du jetzt ins Studierzimmer gehst, kriegst du ne Ermahnung für Zuspätkommen. Dann doch lieber gar nicht erst auftauchen. Ich krieg uns unbemerkt in jeden Raum auf dem Campus rein und wieder raus, D. Hast du doch schon gesehen. Mit mir bist du sicher, Alter.†

Er stöhnte wieder. Das war einer von Darryls Tells: Wenn er erst mal anfängt zu stöhnen, dann ist er bereit nachzugeben.

†œAuf gehts†, sagte ich, und wir legten los.

Es ging reibungslos. Vorbei an den Klassenräumen, rückwärtige Treppe nach unten, vordere Treppe direkt vorm Lehrerzimmer wieder hoch. Kein Piep war von drinnen zu hören; ich drehte den Türgriff und zog Darryl nach innen, um die Tür leise wieder hinter uns zu schließen.

Das Buch passte grade so in die Mikrowelle, die sogar noch unappetitlicher aussah als beim letzten Mal, als ich sie brauchte. Ich wickelte das Buch penibel in Papiertücher, bevor ich es reinsteckte. †œMann, Lehrer sind Schweine†, zischelte ich. Darryl, bleich und angespannt, erwiderte nichts.

Der RFID-Chip starb in einem Funkenregen, was ganz entzückend aussah (wenn auch nicht annähernd so hübsch wie der Effekt, wenn man eine tiefgefrorene Traube hochjagt †“ das muss man sehen, um es zu glauben).

Jetzt also bloß noch anonym weg vom Campus.

Darryl öffnete die Tür und schob sich nach draußen, ich direkt hinter ihm. Einen Moment später stand er auf meinen Zehen, seine Ellbogen in meine Brust gerammt, und drängte in die wandschrankgroße Küche zurück, die wir grade verlassen hatten.

†œZurück†, flüsterte er mit Nachdruck. †œMach schnell, Charles kommt!†

Charles Walker und ich können nicht miteinander. Wir sind im selben Jahrgang und kennen uns genauso lange, wie ich Darryl kenne, aber das wars auch schon an Gemeinsamkeiten. Charles war immer schon groß für sein Alter, und seit er Football spielt und Zeug schluckt, ist er noch größer. Er hat sein Temperament nicht unter Kontrolle †“ in der dritten Klasse ist ihm einer meiner Milchzähne zum Opfer gefallen -, und das bringt ihm nur deshalb keine Probleme, weil er einer der eifrigsten Spitzel an der Schule ist.

Ist ne üble Kombi, ein Schläger, der auch schnüffelt †“ es verschafft ihm enorme Befriedigung, mit jeder Kleinigkeit, von der er Wind kriegt, sofort zu den Lehrern zu rennen. Benson liebte Charles. Und der ließ gern durchblicken, dass er irgendein Problem mit der Blase hatte †“ perfekter Vorwand für ihn, in Chavez durch die Flure zu strolchen und zu gucken, wem er als Nächstes ans Bein pinkeln könnte.

Als Charles das letzte Mal was gegen mich in der Hand hatte, hatte das das Ende meiner LARP-Aktivitäten bedeutet. Von dem würde ich mich nicht noch mal erwischen lassen.

†œWas macht er?†

†œKommt genau in unsere Richtung†, sagte Darryl. Er zitterte.

†œOkay†, entgegnete ich. †œZeit für Notfall-Gegenmaßnahmen.† Ich holte mein Handy raus. Diese Sache hatte ich lange im Voraus geplant †“ Charles würde mich nie wieder drankriegen. Ich mailte meinen Server zuhause an, und der legte los.

Sekunden später kackte Charles†™ Handy spektakulär ab. Zehntausende von zufälligen Anrufen und SMS liefen parallel bei ihm auf, sämtliche Warn- und Klingeltöne meldeten sich gleichzeitig und dann wieder und wieder.

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Den Angriff hatte ich mithilfe eines Botnetzes bewerkstelligt, was mir einerseits ein schlechtes Gewissen bereitete; aber andererseits war es ja im Dienst einer guten Sache.

In Botnetzen fristen infizierte Rechner ihr untotes Dasein. Wenn du dir einen Wurm oder Virus fängst, sendet dein Rechner eine Botschaft an einen Chat-Kanal im IRC, dem Internet Relay Chat. Diese Botschaft zeigt dem Botmaster, also dem Typen, der den Wurm freigesetzt hat, dass da Computer sind, die auf seinen Befehl warten. Botnetze sind enorm mächtig, da sie aus Tausenden, manchmal Hunderttausenden von Rechnern bestehen, die über das ganze Internet verteilt sind, meist über Breitbandleitungen verbunden sind und auf schnelle Heim-PCs zugreifen. Normalerweise tun diese Rechner das, was ihre Besitzer wollen, aber wenn der Botmaster sie ruft, kommen sie wie die Zombies hervor, um ihm zu dienen.

Mittlerweile gibts im Internet so viele infizierte Rechner, dass die Mietpreise für ein, zwei Stunden Botnetz-Nutzung total im Keller sind. Die Kisten arbeiten zumeist als billige Spambots und fluten deine Mailbox mit Potenzpillen-Reklame oder wieder mit neuen Viren, um auch deine Kiste zu infizieren und fürs Botnetz zu rekrutieren.

Ich hatte also grade 10 Sekunden auf dreitausend Rechnern gemietet und jeden einzelnen angewiesen, eine SMS oder einen VoIP-Anruf an Charles†™ Handy abzusetzen; dessen Nummer hatte ich mal während einer dieser verhängnisvollen Bürositzungen bei Benson von einem Post-it abgelesen.

Muss ich erwähnen, dass Charles†™ Telefon nicht in der Lage war, damit umzugehen? Zuerst ließen die SMS den Gerätespeicher überlaufen, sodass das Handy nicht mal mehr seine Routinen ausführen konnte, etwa das Klingeln zu koordinieren und die gefälschten Rufnummern der eingehenden Anrufe aufzuzeichnen. (Wusstet ihr, dass es völlig simpel ist, die Rückrufnummer einer Anruferkennung zu faken? Dafür gibts ungefähr 50 verschiedene Möglichkeiten †“ einfach mal †œAnrufer-ID fälschen† googeln…)

Charles starrte sein Telefon fassungslos an und hackte auf ihm herum, die wulstigen Augenbrauen regelrecht verknotet ob der Anstrengung, dieser Dämonen Herr zu werden, die das persönlichste seiner Geräte in Besitz genommen hatten. Bis hierher war der Plan aufgegangen, aber nun tat er nicht, was er sollte †“ er sollte sich nämlich einen ruhigen Winkel suchen, wo er versuchen würde, sein Handy wieder unter Kontrolle zu bringen.

Darryl schüttelte mich an der Schulter, und ich zog mein Auge vom Türspalt weg.

†œWas macht er?†, flüsterte Darryl.

†œIch hab sein Handy geflutet, aber jetzt glotzt ers nur an, statt zu verschwinden.† Er würde Schwierigkeiten haben, das Ding zu rebooten. Wenn der Speicher erst mal komplett voll war, würde es schon schwer sein, auch nur den Programmcode zu laden, der fürs Löschen der Nachrichten gebraucht wurde; und bei seinem Handy konnte man auch nicht mehrere Nachrichten auf einmal entfernen, also würde er Tausende von Nachrichten einzeln löschen müssen.

Darryl schubste mich weg und schaute selbst durch den Türspalt. Kurz darauf begannen seine Schultern zu beben. Ich fürchtete schon, er hätte ne Panikattacke, aber als er sich umdrehte, sah ich, dass er so sehr lachen musste, dass ihm Tränen über die Wangen liefen.

†œGalvez hat ihn grade richtig rundgemacht, weil er während des Unterrichts im Flur war und sein Handy draußen hatte †“ hättst du sehen müssen, wie sie ihn zerfleischt hat. Hat ihr richtig Spaß gemacht.†

Darauf gaben wir uns die Hand; dann verschwanden wir zurück durch den Gang, Treppe runter, hinten rum, zur Tür raus, am Zaun vorbei und der strahlenden Nachmittagssonne über Mission entgegen. So schön war Valencia Street noch nie gewesen. Ich blickte auf die Uhr und erschrak.

†œTempo! Der Rest der Truppe erwartet uns in 20 Minuten bei den Cable-Cars!†

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Van sah uns zuerst. Sie hatte sich zu einer Horde koreanischer Touristen gesellt; das ist eine ihrer Lieblingstarnungen beim Schuleschwänzen. Seit dieses Schwänzer-Moblog online ist, wimmelt unsere Welt von neugierigen Ladeninhabern und Hobbyschnüfflern, die es für ihre Pflicht halten, Bildchen von uns zu machen und ins Netz zu stellen, wo sie von Schul-Offiziellen durchsucht werden können.

Sie kam aus der Menge heraus und steuerte auf uns zu. Darryl ist seit ewig hinter Van her, und sie ist so süß, so zu tun, als ob sies nicht merkt. Sie umarmte mich und ging dann zu Darryl weiter, um ihm ein züchtiges Küsschen auf die Wange zu drücken, das ihn bis über die Ohren knallrot anlaufen ließ.

Die beiden gaben ein lustiges Paar ab: Darryl ist ein bisschen stämmig, was bei ihm aber gar nicht schlecht aussieht, und hat einen rosigen Teint, der dazu neigt, an den Wangen rot zu werden, sobald er rennt oder aufgeregt ist. Er hatte schon mit 14 Bartwuchs entwickelt, aber glücklicherweise nach einer kurzen Zeit, die unter uns †œdie Lincoln-Jahre† hieß, mit Rasieren angefangen. Und er ist groß. Sehr, sehr groß. Basketballspielergroß.

Van dagegen ist sogar noch einen halben Kopf kleiner als ich, sie ist mager, und sie trägt ihr glattes schwarzes Haar in irrwitzig komplizierten Zöpfen, deren Machart sie im Internet raussucht. Sie hat hübsche kupferfarbene Haut und dunkle Augen, und sie steht auf Glasringe groß wie Rettich, die beim Tanzen gegeneinanderklirren.

†œWo ist Jolu?†, begrüßte sie uns.

†œWie gehts dir, Van?†, fragte Darryl mit belegter Stimme. In unseren Gesprächen mit Van war er immer einen Satz hinterher.

†œSuper, D. Und wie gehts deinen Kleinigkeiten?† Oh, sie war ein Miststück. Darryl fiel fast in Ohnmacht.

Jolu erlöste ihn von drohender sozialer Ächtung, indem er just in diesem Moment auftauchte: in übergroßer Leder-Baseballjacke, rattenscharfen Turnschuhen und einem Netz-Cap mit Logo unseres mexikanischen Lieblings-Wrestlers, dem maskierten El Santo Junior. Jolu ist Jose Luis Torrez, und er macht unser Quartett komplett. Er ging auf eine superstrenge katholische Schule in Outer Richmond, weshalb es für ihn nicht grade leicht war wegzukommen. Aber er schaffte es immer: Niemand verschwand so wie unser Jolu. Er liebte seine Jacke, weil sie ziemlich weit runterhing (was in gewissen Ecken der Stadt ziemlich stylisch war) und sein Katholikenschul-Outfit komplett überdeckte, denn das war ja wien Fadenkreuz für Schnüffelspinner, die das Schwänzer-Moblog in ihren Handy-Favoriten hatten.

†œAlles abmarschbereit?†, fragte ich, sobald wir mit sämtlichen Hallos fertig waren. Ich holte mein Handy raus und zeigte den anderen die Karte, die ich in der BART runtergeladen hatte. †œSoweit ich es begriffen habe, müssen wir zum Nikko zurück, einen Block dahinter Richtung O†™Farrell, dann links hoch Richtung Van Ness. Da irgendwo müssten wir das Funksignal kriegen.†

Van zog die Stirn kraus. †œDas ist eine eklige Ecke vom Tenderloin.† Da war nichts dran zu deuteln. Dieser Teil von San Francisco ist eins der schrägeren Viertel: Geh durch den Vordereingang des Hilton, und du hast den ganzen Touristenkram wie den Cable-Car-Wendepunkt und die Familien-Restaurants. Geh durch zur anderen Seite, und du kommst im Loin raus †“ dem Sammelbecken sämtlicher abgewrackter Transen-Huren, harter Zuhälter, Dealer und durchgeknallter Penner der Stadt. Was dort gehandelt wurde, dafür war keiner von uns alt genug (obwohl sich auch reichlich Nutten unseres Alters im Loin anboten).

†œDenk positiv†, entgegnete ich. †œDa will sich nun wirklich niemand rumtreiben außer am hellichten Tag. Also lassen sich die anderen Spieler frühestens morgen da blicken. Wir im ARG-Gewerbe nennen so was einen Monster-Vorsprung.†

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Jolu grinste mich an. †œWenn man dich hört, klingt das richtig gut.†

†œBesser als Uni zu essen allemal†, sagte ich.

†œQuasseln wir oder gewinnen wir?†, mischte sich Van ein. Sie war nach mir definitiv der härteste Spieler unserer Gruppe. Gewinnen war etwas, das sie sehr, sehr ernst nahm.

Wir machten uns auf den Weg, vier gute Freunde, einen Hinweis zu decodieren, das Spiel zu gewinnen †“ und für immer alles zu verlieren, was uns jemals wichtig war.

Die physische Komponente des heutigen Hinweises war ein Satz von GPS-Koordinaten †“ je einer für alle wichtigen Städte, in denen Harajuku Fun Madness gespielt wurde -, der anzeigte, wo wir das Signal eines Funknetz-Knotenpunkts finden würden. Dieses wurde von dem Signal eines anderen, in der Nähe versteckten WLAN-Zugangs gezielt überlagert, so dass man das eigentliche Signal nicht mit konventionellen WLAN-Findern erkennen konnte (das sind kleine Schlüsselanhänger, die dir anzeigen, ob du in Reichweite eines Funknetzes bist, das du gratis mitbenutzen kannst).

Die Aufgabe war, den versteckten WLAN-Zugang zu lokalisieren; dazu würden wir die Stärke des sichtbaren Signals analysieren und denjenigen Punkt finden müssen, an dem das Funknetz ohne offensichtlichen Grund am schwächsten war. Dort würden wir einen weiteren Hinweis finden †“ beim letzten Mal war dieser im Tages-Special auf der Speisekarte des Anzu verborgen, dem todschicken Sushi-Restaurant im Nikko-Hotel im Tenderloin.

Das Nikko gehörte zu Japan Airlines, einem der Sponsoren von Harajuku Fun Madness, und die Leute da hatten ein Mords-Tamtam veranstaltet, als wir den Hinweis endlich gefunden hatten: Sie servierten uns Schüsseln mit Miso-Suppe und brachten uns sogar dazu, Uni zu probieren †“ das ist Seeigel-Sushi mit der Konsistenz von sehr weichem Käse und dem Aroma von sehr weicher Hundekacke. Aber es war sehr lecker. Behauptete zumindest Darryl. Ich hatte den Kram nicht probiert.

Der WLAN-Finder meines Handys schnappte das Signal drei Blöcke O†™Farrell hoch auf, kurz vor Hyde Street, vor einem dubiosen †œAsiatischen Massagesalon† mit blinkendem rotem †œGeschlossen†-Schild im Fenster. Die Netzwerkkennung war HarajukuFM, wir wussten also, wir waren richtig.

†œWenns da drin ist, geh ich nicht rein†, sagte Darryl.

†œAlle WLAN-Finder bereit?†, fragte ich.

Darryl und Van hatten Handys mit eingebauten Findern, nur Jolu, der kein Telefon benutzen würde, das größer war als sein kleiner Finger, hatte ein gesondertes kleines Ortungsgerät.

†œOkay, ausschwärmen und schauen, was wir finden. Ihr müsst auf einen plötzlichen Signalabfall achten, der stärker wird, je mehr man sich in seine Richtung bewegt.†

Ich trat einen Schritt zurück und stand plötzlich jemandem auf den Zehen. Eine Frauenstimme sagte †œAutsch†, und ich wirbelte herum aus Angst, gleich würde mich eine Nutte abstechen, weil ich ihr die Absätze ruiniert hatte.

Stattdessen blickte ich einem Kind meines Alters ins Gesicht. Sie hatte strahlend pinkfarbenes Haar und eine riesige Pilotenbrille im kantigen Nagetiergesicht. Unter einem schwarzen Omakleid, geschmückt mit Bergen von japanischen Buttons mit Anime-Figuren, Führern der Alten Welt und ausländischen Limo-Logos, trug sie gestreifte Strümpfe.

Sie zückte eine Kamera und machte ein Bild von mir und meinem Team.

†œCheese†, sagte sie. †œHier ist die versteckte Spitzel-Kamera!†

†œNe†, sagte ich. †œDu wirst doch nicht…†

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†œUnd ob ich werde†, entgegnete sie. †œIch schick dieses Foto in dreißig Sekunden ans Schwänzerblog, wenn ihr vier nicht von hier verschwindet und meinen Freundinnen und mir den Hinweis überlasst. In einer Stunde könnt ihr wiederkommen und damit machen, was ihr wollt. Das wäre wohl mehr als fair.†

Hinter ihr sah ich noch drei Mädchen in ähnlicher Aufmachung †“ eins mit blauen Haaren, eins mit grünen und eins mit violetten. †œWer seid ihr eigentlich, das Eis-am-Stiel-Quartett?†

†œWir sind das Team, das euer Team bei Harajuku Fun Madness am Arsch kriegt†, sagte sie. †œUnd ich bin die, die genau jetzt euer Foto hochlädt und euch so richtig in die Scheiße…†

Hinter mir spürte ich Van nach vorn drängen. Ihre Mädchenschule war für ihre Prügeleien berüchtigt, und mir war klar, dass sie dieser Puppe ordentlich eine reinsemmeln würde.

Dann änderte sich die Welt für immer.

Zuerst spürten wirs bloß, dieses fiese Schwabbeln des Zements unter den Füßen, das jeder Kalifornier instinktiv erkennt †“ †œErdbeben†. Mein erster Impuls war wegzulaufen, wie üblich: †œBist du ängstlich und allein, hilft nur rennen oder schrei†™n.† Aber hier waren wir ja schon am denkbar sichersten Platz: weder in einem Gebäude, das über uns zusammenstürzen könnte, noch in der Mitte der Straße, wo uns herabfallende Dach-Teile das Hirn zermatschen könnten.

Erdbeben sind beängstigend geräuschlos †“ zumindest am Anfang -, aber das hier war nicht geräuschlos. Das hier war laut †“ ein unglaubliches Brüllen, lauter als alles, was ich jemals zuvor gehört hatte. Der Lärm war so bestialisch, dass ich in die Knie ging, und ich war beileibe nicht der Einzige. Darryl zerrte mich am Arm und wies über die Gebäude hinweg, und da sahen wir sie: eine gewaltige schwarze Wolke, die sich aus Nordwesten über die Bay erhob.

Dann noch ein Grollen, und die Rauchwolke dehnte sich aus, diese expandierende schwarze Form, die wir alle aus den Kinofilmen unserer Jugend kannten. Irgendjemand hatte etwas in die Luft gejagt, und zwar ganz gewaltig.

Noch mehr Grollen, noch mehr Beben. Die Straße rauf und runter erschienen Köpfe an Fenstern. Wir starrten schweigend die pilzförmige Wolke an.

Dann gingen die Sirenen los.

Sirenen wie diese hatte ich zwar schon mal gehört †“ sie testen die Zivilschutz-Sirenen immer dienstagmittags. Aber dass sie außerplanmäßig losgingen, das kannte ich nur aus alten Kriegsfilmen und Videospielen, diese Sorte, wo irgendwer irgendwen aus der Luft bombardiert. Luftalarm-Sirenen. Das wouuuuuuu-Jaulen machte das Ganze irgendwie unwirklich.

†œSuchen Sie sofort die Notunterkünfte auf.† Es war wie die Stimme Gottes, sie kam aus allen Richtungen zugleich. Auf einigen der Strommasten waren Lautsprecher angebracht, was mir noch nie aufgefallen war; und die waren alle auf einmal angegangen.

†œSuchen Sie sofort die Notunterkünfte auf.† Notunterkünfte? Wir starrten uns fragend an. Welche Notunterkünfte? Die Wolke wuchs immer noch und dehnte sich aus. War es eine Atombombe? Waren das jetzt unsere letzten Atemzüge?

Das Mädchen mit den rosa Haaren schnappte ihre Freundinnen, und sie rasten wie bekloppt den Hang runter, zur BART-Station am Fuß der Hügel.

†œSUCHEN SIE SOFORT DIE NOTUNTERKÜNFTE AUF.† Inzwischen war das Geschrei losgegangen, und alles rannte wild durcheinander. Touristen †“ die erkennt man immer daran, dass sie glauben, in Kalifornien sei es warm, und in San Francisco in Shorts und T-Shirts frieren †“ stoben in alle Himmelsrichtungen auseinander.

†œWir müssen weg!†, brüllte Darryl mir ins Ohr, kaum zu verstehen über dem Sirenengeheul, das mittlerweile durch normale Polizeisirenen verstärkt wurde. Ein Dutzend SFPD-Streifenwagen raste an uns vorbei.

†œSUCHEN SIE SOFORT DIE NOTUNTERKÜNFTE AUF.†

†œRunter zur BART-Station†, brüllte ich. Meine Freunde nickten. Wir schlossen die Reihen und machten uns zügig auf den Weg bergab. – Fortsetzung Kapitel 3

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Hintergründe, Handlung und weitere Informationen zu Little Brother findet ihr unter: Jugendthriller: Little Brother von Cory Doctorow komplett im Netz

Hier handelt es sich um die deutsche Übersetzung von Christian Wöhrl

Little Brother ist unter einem Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenzvertrag lizenziert.

Das Original wurde unter: http://craphound.com/littlebrother veröffentlicht.

Little Brother von Cory Doctorow: Kapitel 1

Little Brother

Kapitel 1

Dieses Kapitel ist BakkaPhoenix Books in Toronto, Kanada gewidmet. Bakka ist die älteste Science-Fiction-Buchhandlung der Welt, und ihretwegen wurde ich der Mutant, der ich heute bin. Mit ungefähr 10 Jahren schaute ich dort erstmals rein und fragte nach ein paar Empfehlungen. Tanya Huff (genau, die Tanya Huff, sie war damals allerdings noch keine berühmte Autorin) führte mich in die Second-Hand-Abteilung, drückte mir H. Beam Pipers †œLittle Fuzzy† in die Hand und veränderte so mein ganzes Leben.
Mit 18 arbeitete ich bei Bakka †“ als Nachfolger von Tanya, die dort aufgehört hatte, um ausschließlich zu schreiben -, und habe da bleibende Erfahrungen gemacht, wie und warum Leute Bücher kaufen. Meines Erachtens sollte jeder Autor mal in einer Buchhandlung arbeiten. Und bei Bakka haben im Lauf der Zeit eine Menge Schriftsteller gearbeitet: Zum 30-jährigen Bestehen erschien eine Anthologie mit Geschichten von Bakka-Autoren, darunter Michelle Sagara (bekannt als Michelle West), Tanya Huff, Nalo Hopkinson, Tara Tallan †“ und ich!
BakkaPhoenix Books:
http://www.bakkaphoenixbooks.com/
697 Queen Street West, Toronto ON Canada M6J1E6, +1 416 963 9993
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Ich bin ein Schüler an Cesar Chavez High in San Franciscos sonnigem Mission-Viertel, und damit bin ich einer der meistüberwachten Menschen der Welt. Mein Name ist Marcus Yallow, aber als diese Geschichte begann, kannte man mich als w1n5t0n. Gesprochen †œWinston†.
Nicht gesprochen †œWee eins enn fünf tee null enn† †“ es sei denn, man ist son planloser Schulleiter, der rückständig genug ist, das Internet immer noch †œDatenautobahn† zu nennen.
So einen kenn ich, und der heißt Fred Benson †“ einer von drei Stellvertretenden Direktoren an Cesar Chavez. Der Typ ist so sympathisch wie ein Loch in der Brust. Aber wenn schon im Knast, dann doch lieber mit planlosen Wärtern als mit solchen, dies drauf haben, oder?
†œMarcus Yallow†, sagte er an diesem Freitagmorgen über Lautsprecher. Die Anlage taugt sowieso nicht viel, und dazu noch Bensons übliches Murmeln, dabei kommt was raus, das nicht so sehr nach Schuldurchsage klingt als vielmehr nach jemandem, der sich abmüht, einen schlechten Burrito zu verdauen. Aber Menschen sind gut drin, aus Audiokuddelmuddel ihre eigenen Namen rauszuhören †“ verschafft dir Überlebensvorteile.
Ich schnappte mir meine Tasche, klappte den Laptop drei Viertel zu †“ wollte die Downloads nicht abbrechen †“ und bereitete mich auf das Unvermeidliche vor.
†œMelden Sie sich unverzüglich im Büro der Schulleitung.† Meine Gesellschaftskunde-Lehrerin Ms. Galvez verdrehte die Augen, und ich gab den Blick zurück. Der Typ hatte es immer auf mich abgesehen; nur weil ich durch die Schul-Firewall durchkomme wie durch nasse Tempos, die Schritterkennungs-Software austrickse und die Schnüffelsensoren zerlege, mit denen sie uns tracken. Egal, Galvez ist ne Gute, die dreht mir aus so was keinen Strick (zumal ich ihr mit ihrer Webmail helfe, damit sie mit ihrem im Irak stationierten Bruder reden kann).
Mein Kumpel Darryl gab mir nen Klaps hintendrauf, als ich an ihm vorbeikam. Den kenn ich schon, seit wir Windelkinder waren und die Vorschule schwänzten, und ich bring ihn ständig in die Bredouille, aber ich hau ihn auch immer wieder raus.

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Ich reckte die Arme hoch wie ein Preisboxer, ließ Gesellschaftskunde Gesellschaftskunde sein und machte mich auf den Büßerweg ins Büro.
Auf halbem Weg meldete sich mein Handy. Auch son No-no †“ die Dinger sind an Chavez High muy prohibido -, aber was sollte mich das stören? Ich verschwand im Klo und schloss mich in der mittleren Kabine ein (die ganz hinten ist immer am ekligsten, weil so viele dahin gehen und denken, dass es da nicht so stinkig und siffig ist. Wer klug ist, geht in die Mitte, da ist es am saubersten). Ich hatte eine E-Mail auf dem Handy †“ weitergeleitet vom PC daheim. Es gab da wohl Neuigkeiten bei †œHarajuku Fun Madness†, dem besten Spiel aller Zeiten.
Ich grinste. Freitags in der Schule zu sein war sowieso ätzend, und ich war dankbar für die Ausrede, hier wegzukommen.
Ich trottete weiter zu Bensons Büro und winkte ihm beim Eintreten zu.
†œNa, wenn das mal nicht Wee eins enn fünf tee null enn ist†, sagte er. Frederick Benson (Sozialversicherungsnummer 545-03-2343, geboren 15. August 1962, Mädchenname der Mutter Di Bona, Heimatort Petaluma) ist ne ganze Ecke größer als ich. Ich bin bloß mickrige 1,73, er dagegen gut zwei Meter; und seine Basketball-Zeit am College liegt so lang zurück, dass seine Brustmuskulatur inzwischen zu Hängetitten degeneriert ist, die in seinen Billigheimer-Polo-Shirts scheußlich gut sichtbar sind. Er sieht ständig so aus, als wolle er dich mit dem Arsch zuerst dunken, und er steht total drauf, seine Stimme zu heben, um auf Dramatik zu machen. Nutzt sich beides aber ab, wenn mans ständig wiederholt.
†œNö, tschuldigung†, entgegnete ich. †œHab von Ihrer R2D2-Figur da noch nie was gehört.† †œW1n5t0n† buchstabierte er noch mal. Dann musterte er mich scharf und erwartete, dass ich klein beigäbe. Klar war das mein Nick, seit Jahren schon. Unter der Identität postete ich in Foren, in denen es um angewandte Sicherheitsforschung ging. Na ja, halt so Zeug wie heimlich aus der Schule verschwinden und die Signalverfolgung im Handy deaktivieren.
Aber er wusste nicht, dass das mein Nick war. Das wussten nur ne Handvoll Leute, und zu denen hatte ich vollstes Vertrauen.
†œÄhm, da klingelt nix†, antwortete ich. Unter dem Pseudo hatte ich ne Menge cooles Zeug gemacht †“ auf die Sache mit den Schnüffeletiketten-Killern war ich verdammt stolz -, und wenn er da eine Verbindung herstellen konnte, wäre ich geliefert. Niemand an der Schule nannte mich w1n5t0n oder auch bloß Winston, nicht mal meine Kumpels. Ich hieß hier Marcus, sonst nichts.
Benson ließ sich hinterm Schreibtisch nieder und pochte mit seinem Abschluss-Ring nervös auf dem Löschpapier rum. Machte er immer, wenn die Dinge nicht so gut für ihn liefen. Pokerspieler nennen das einen †œTell† †“ einen Anhaltspunkt dafür, was im Kopf des Gegenübers vorgeht. Ich kannte Bensons sämtliche Tells rauf und runter.
†œMarcus, du begreifst hoffentlich, wie ernst die Sache ist.†
†œSelbstverständlich, sobald Sie mir erklären, worum es geht, Sir.† Ich sag zu Autoritäts-Typen immer †œSir†, wenn ich sie verarschen will †“ das ist mein Tell.
Er schüttelte den Kopf über mich und senkte den Blick †“ noch ein Tell. Jeden Moment würde er anfangen mich anzubrüllen. †œHör mal, Kleiner! Wird Zeit, dass du begreifst, dass wir wissen, was du getan hast, und dass wir nicht gedenken, da ein Auge zuzudrücken. Du wirst von Glück reden können, wenn ich dich nicht von der Schule werfe, bevor wir mit unserer Unterhaltung fertig sind. Du willst doch noch einen Abschluss?†
†œMr. Benson, Sie haben immer noch nicht erklärt, was das Problem ist…†
Er schlug mit der Hand auf den Tisch und zeigte dann mit dem Finger auf mich. †œDas Problem, Mr. Yallow, besteht darin, dass Sie an einer kriminellen Verschwörung beteiligt sind mit dem Ziel, die Sicherheitssysteme dieser Schule zu unterwandern, und dass Sie Ihre Mitschüler mit entsprechenden Gegenmaßnahmen versorgt haben. Wie Sie wissen, haben wir Graciella Uriarte vergangene Woche der Schule verwiesen, da sie eines Ihrer Geräte in Verwendung hatte.†

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Uriarte hatte es vergeigt †“ hatte in einem Headshop bei der BART-Station (1) 16. Straße nen Störsender gekauft, und das Ding hatte im Schulflur Alarm ausgelöst. Hatte ich nix mit zu tun, aber leid tat sie mir schon.
1 Bay-Area-Schnellbahn, Anmerkung des Übersetzers
†œUnd Sie denken, dass ich da mit drin stecke?†
†œWir haben zuverlässige Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass Sie w1n5t0n sind† †“ er buchstabierte es wieder, und ich fragte mich allmählich, ob er wohl begriffen hatte, dass die 1 ein i und die 5 ein s war. †œWir wissen, dass dieser Mensch namens w1n5t0n verantwortlich für den Diebstahl der standardisierten Prüfungen im letzten Jahr war.† Das allerdings war ich nicht gewesen; war aber ein gelungener Hack damals, und irgendwie schmeichelhaft, dass ers mir zuschrieb. †œDas bringt gut und gern ein paar Jahre Gefängnis, sofern Sie sich nicht kooperativ zeigen.†
†œSie haben zuverlässige Erkenntnisse†™? Ob ich die wohl mal sehen könnte?†
Er fixierte mich scharf. †œMit der Haltung kommen Sie hier nicht weit.†
†œNun, Sir, wenn es Beweise gibt, dann sollten Sie wohl die Polizei einschalten und denen die Sache übergeben. Klingt ganz so, als sei das was Ernstes, und ich wäre der Letzte, der einer intensiven Untersuchung durch die zuständigen Stellen im Wege stehen wollte.†
†œSie möchten also, dass ich die Polizei rufe?†
†œUnd meine Eltern; das wäre wohl das Beste.†
Übern Schreibtisch hinweg blickten wir einander an. Er hatte offensichtlich erwartet, dass ich einknicken würde, sobald er die Bombe platzen ließ. Ich knicke aber nie ein. Ich kenn einen Trick, mit dem man Leute wie Benson in Grund und Boden starrt. Ich gucke einen Hauch links an ihnen vorbei und denk an die Texte alter irischer Folksongs †“ die Sorte mit 300 Zeilen und so. Auf die Art seh ich aus wie völlig entspannt und im Lot.
† Und der Flügel am Vogel und der Vogel auf dem Ei und das Ei im Nest und das Nest auf dem Blatt und das Blatt am Zweig und der Zweig am Ast und der Ast am Stamm und der Stamm am Baum und der Baum im Moor †“ das Moor unten im Tal, oh! Heio, das rauschende Moor, der Baum drunten im Moor, oh!†
†œSie können in Ihre Klasse zurückgehen†, sagte er. †œIch rufe Sie wieder, sobald die Polizei bereit ist, mit Ihnen zu sprechen.†
†œRufen Sie sie jetzt sofort an?†
†œEs ist ein aufwendiges Verfahren, die Polizei einzuschalten. Ich hatte gehofft, wir könnten das kurz und schmerzlos unter uns klären, aber da Sie darauf bestehen …†
†œOh, es macht mir nichts aus, hier zu warten, während Sie die Polizei rufen†.
Er klopfte wieder mit seinem Ring, und ich machte mich auf den Ausbruch gefasst.
†œRaus!†, brüllte er. †œVerdammt noch mal raus aus meinem Büro, Sie kleiner Drecks-† Ich empfahl mich, ohne ne Miene zu verziehen. Er würde die Bullen nicht anrufen. Hätte er genug Beweise gehabt, um damit zur Polizei zu gehen, dann hätte ers gleich gemacht. Er konnte mich ums Verrecken nicht ausstehen. Vermutlich hatte er ein bisschen was an unbestätigten Gerüchten aufgeschnappt und gehofft, er könne mir ein Geständnis abtricksen.
Ich schlenderte munter den Gang runter, wobei ich für die Schritterkennungs-Kameras auf gleichmäßigen Gang achtete. Die waren im vorigen Jahr installiert worden, und ich liebte sie, weil sie so offensichtlich bescheuert waren. Früher war fast jeder öffentliche Winkel der Schule von Gesichtserkennungs-Kameras abgedeckt, aber die hatte ein Gericht als verfassungswidrig eingestuft. Also hatten Benson und ein paar andere paranoide Schulobere unser Bücher-Budget für diese schwachsinnigen Kameras verbraten, die angeblich den Gang zweier Leute voneinander unterscheiden konnten. Na klar.

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Ich ging zurück in die Klasse und setzte mich hin; Ms. Galvez begrüßte mich freundlich. Dann packte ich das primäre Arbeitsgerät unserer Schule wieder aus und wählte den Klassenzimmer-Modus. Die SchulBooks waren die verräterischsten Geräte von allen †“ zeichneten jede Eingabe auf, kontrollierten den Netzwerkverkehr auf verdächtige Eingaben, zählten alle Klicks, zeichneten jeden flüchtigen Gedanken auf, den du übers Netz verbreitetest. Wir hatten sie in meinem ersten Jahr hier bekommen, und es hatte bloß ein paar Monate gedauert, bis der Reiz dieser Dinger verflogen war. Sobald die Leute merkten, dass diese †œkostenlosen† Laptops in Wirklichkeit für die da oben arbeiteten (und im Übrigen mit massenhaft nerviger Werbung verseucht waren), fühlten die Kisten sich plötzlich sehr, sehr schwer an.
Mein SchulBook zu cracken war simpel gewesen. Der Crack war binnen eines Monats nach Einführung der Maschine online zu finden, und es war eine billige Nummer †“ bloß ein DVD-Image runterladen, brennen, ins SchulBook stecken und die Kiste hochfahren, während man ein paar Tasten gleichzeitig gedrückt hielt. Die DVD erledigte den Rest und installierte etliche versteckte Programme auf dem Laptop, die von den täglichen Fernprüfungs-Routinen der Schulleitung nicht gefunden werden konnten. Man musste bloß hin und wieder ein Update aufspielen, um auch die neuesten Testverfahren der Direktion zu umgehen; aber das war ein bescheidener Preis dafür, ein bisschen Kontrolle über die Kiste zu bekommen.
Ich startete IMParanoid, den geheimen Instant Messenger, den ich immer benutzte, wenn ich mitten im Unterricht eine Diskussion nebenher starten wollte. Darryl war schon eingeloggt.
>  Im Spiel gehts ab! Irgendein großes Ding läuft bei Harajuku Fun Madness, Alter. Biste dabei?
> Ver! Giss! Es! Wenn die mich zum dritten Mal beim Schwänzen erwischen, flieg ich. Ey, weißt du doch. Nach der Schule, OK?
>  Du hast noch Mittagessen und Studienzeit, oder? Macht zwo Stunden. Genug Zeit, den Hinweis zu knacken, und wir sind zurück, bevor uns jemand vermisst. Ich mach das ganze Team klar.
Harajuku Fun Madness ist das beste Spiel aller Zeiten. Ja, hatten wir schon, aber das kann man ruhig zweimal sagen. Es ist ein ARG, ein †œAlternate Reality Game†, und es dreht sich darum, dass ein paar japanische Mode-Kids einen wundersam heilenden Edelstein im Tempel von Harajuku entdeckt haben †“ das ist da, wo coole japanische Teens quasi jede nennenswerte Subkultur der letzten zehn Jahre erfunden haben. Die werden gejagt von bösen Mönchen, der Yakuza (der Japsen-Mafia), Aliens, Steuerfahndern, Eltern und einer schurkischen künstlichen Intelligenz. Und sie geben den Mitspielern codierte Hinweise, die wir entschlüsseln müssen, um neue Hinweise zu finden, die uns zu neuen codierten Nachrichten führen und so weiter.
Stell dir den besten Nachmittag vor, den du in einer Stadt verbracht hast †“ du strolchst durch die Straßen und checkst all die merkwürdigen Leute, komischen Flugblätter, die Spinner auf der Straße und die schicken Läden. Und dazu noch eine Schnitzeljagd, bei der du dich mit irren alten Filmen und Songs und Jugendkulturen von früher und heute und überall auf der Welt beschäftigen musst. Außerdem ist es ein Wettbewerb, bei dem das beste Viererteam satte zehn Tage nach Tokio reisen darf †“ auf der Harajuku-Brücke chillen, im Geek-Mekka Akihabara stöbern, Astro-Boy-Gimmicks einsammeln, so viel du essen kannst (na ja, außer dass er in Japan †œAtom Boy† heißt)…
Das ist Harajuku Fun Madness, und wenn du erst mal ein, zwei Rätsel gelöst hast, führt kein Weg mehr zurück.
>  Nein, Mann, nein. NEIN. Frag erst gar nicht.
>  Ich brauch dich, D. Ich hab keinen Besseren als dich. Ich schwörs, ich bring uns unbemerkt raus und wieder rein. Kann ich. Weißt du doch.
>  Ich weiß, dass dus kannst.

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> Also bist du dabei?
>  Scheiße, nein.
>  Komm schon, Darryl. Du wirst dir schon nicht auf dem Sterbebett wünschen, mehr Zeit in der Schule verbracht zu haben.
>  Ich werd mir dann aber auch nicht wünschen, mehr Zeit mit ARGs verbracht zu haben.
> Aber vielleicht wirst du dir wünschen, mehr Zeit mit Vanessa Pak verbracht zu haben?
Van war ein Mitglied meines Teams. Sie besuchte eine private Mädchenschule in der East Bay, aber ich wusste, sie würde schwänzen, um die Mission mit mir zu erledigen. Und Darryl war nun schon seit Jahren in sie verknallt, schon bevor die Pubertät begonnen hatte, sie mit verschwenderischen Reizen zu bedenken. Darryl hatte sich in ihren Verstand verliebt. Echt traurig das.
>  Du Arsch.
>  Du bist dabei?
Er guckte zu mir rüber und schüttelte den Kopf. Dann nickte er. Ich blinzelte ihm zu und ging daran, den Rest des Teams zusammenzutrommeln.
ARG war nicht immer mein Ding. Ich hab ein finsteres Geheimnis: Ich war mal ein LARPer. LARPs sind Live-Action-Rollenspiele, und es ist genau so, wie es sich anhört: In Kostümen rumrennen, in lustigen Dialekten reden und so tun, als sei man ein Topspion, ein Vampir oder ein mittelalterlicher Ritter. Das ist so wie Fahnen erobern mit Monsterkutten, bisschen Drama Club dabei, und am besten waren die Spiele, die wir in Pfadfinderlagern draußen in Sonoma oder auf der Peninsula spielten.
Diese Drei-Tage-Events wurden manchmal echt haarig, wenn man den ganzen Tag wandern musste, ewig lang mit Schaumstoff- und Bambusschwertern kämpfte, Leute verhexte, indem man sie mit Bohnensäcken bewarf und †œFeuerball!† brüllte, all son Zeug. Total lustig; okay, auch albern. Aber nicht annähernd so ein Geek-Kram wie drüber zu reden, was dein Elb als nächstes tun wird, während man mit Diet Coke und bemalten Miniaturen bewaffnet um einen Tisch rumsitzt; und viel mehr physische Action als beim Mausschubsen bei einem Massive Multiplayer Game daheim.
Zum Verhängnis wurden mir die Minispiele in Hotels. Wann immer eine Science-Fiction-Convention in der Stadt war, überredete jemand die Leute, uns bei dem Event eine Reihe von Sechs-Stunden-Minispielen zu erlauben, so dass wir uns in deren gemietete Räumlichkeiten einklinken konnten. Gab der Convention ein bisschen Extra-Farbe, wenn da eine Horde enthusiastischer Kiddies in Kostümen rumrannten, und wir hatten Spaß mit Leuten, die noch härtere Sozialabweichler waren als wir.
Das Problem mit Hotels ist, dass da auch ne Menge Leute wohnen, die keine Gamer sind. Nicht bloß SciFi-Leute. Normale Leute. Aus Bundesstaaten, die vorne und hinten Vokale haben. Im Urlaub.
Und manchmal missverstehen solche Leute das Wesen solcher Spiele. Belassen wirs dabei, ja?
[x]
Die Schulstunde würde in zehn Minuten vorbei sein, ich hatte also nicht viel Zeit für die Vorbereitungen. Erster Tagesordnungspunkt waren die nervigen Schritterkennungs-Kameras. Wie gesagt: Ursprünglich waren da mal Gesichtserkennungs-Kameras, aber die waren ja für verfassungswidrig erklärt worden. Meines Wissens hat sich noch kein Gerichtshof mit der Frage befasst, ob die Gang-Cams tatsächlich legaler sind, und bis dahin hatten wir sie am Hacken.
†œGang† ist ein schickes Wort für die Art, wie man läuft. Menschen sind ziemlich gut drin, Gang zu erkennen: Wenn du nächstes Mal Camping machst, achte mal auf die Bewegungen des Taschenlampenlichts, wenn ein Freund von weit weg auf dich zukommt. Wahrscheinlich kannst du ihn bloß anhand der Lichtbewegung erkennen, anhand der typischen Art und Weise, wie das Licht rauf- und runterwackelt, was unseren Affenhirnen verklickert †œda ist ein Mensch, der auf dich zukommt†.

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Schritterkennungs-Software fotografiert deine Bewegungen, versucht dich auf den Bildern als Silhouette zu isolieren und probiert dann, diese Silhouette mit einer Datenbank abzugleichen, um herauszufinden, wer du bist. Ein biometrisches Identifikationssystem also, wie Fingerabdrücke oder Iris-Scans, hat aber viel mehr †œKollisionen† als die anderen beiden. Eine biometrische †œKollision† bedeutet, dass eine Messung zu mehr als einer Person passt. Deinen Fingerabdruck hast du ganz allein, aber dein Gang ist ziemlich gleich wie der von etlichen anderen Leuten.
Nur †œziemlich†, nicht exakt. Dein persönlicher Gang, auf den Zentimeter genau erfasst, ist deiner, ganz allein deiner. Dumm ist nur, dass du nie auf den Zentimeter genau gleich gehst, weil das davon abhängt, wie müde du bist, auf welcher Sorte Untergrund du gehst, ob du deinen Knöchel beim Basketball geprellt hast und ob du kürzlich erst neue Schuhe gekauft hast. Also nähert sich das System deinem Profil mit sowas wie Fuzzy Logic und guckt nach Leuten, die irgendwie so ähnlich gehen wie du.
Aber es gibt ne Menge Leute, die irgendwie so ähnlich gehen wie du. Und außerdem ist es simpel, eben nicht irgendwie so ähnlich zu gehen wie du selbst †“ zieh bloß mal einen Schuh aus. Natürlich wirst du dann so laufen wie †œdu mit nur einem Schuh an† eben immer läufst, und die Kameras werden früher oder später merken, dass dus trotzdem bist. Deshalb gehe ich meine Angriffe auf die Schritterkennung mit einer Zufallskomponente an: Ich kippe ne Handvoll Kiesel in jeden Schuh. Billig und wirksam, keine zwei Schritte sehen gleich aus. Und klasse Reflexzonenmassage gibts gratis dazu (war nur Spaß. Reflexzonenmassage hat um und bei denselben wissenschaftlichen Wert wie Schritterkennung).
Die Kameras waren anfangs so eingestellt, dass sie jedes Mal Alarm schlugen, wenn jemand den Campus betrat, den sie nicht kannten.
Gaaanz schlechte Idee.
Wir hatten alle zehn Minuten Alarm. Der Briefträger. Irgendein Elternteil. Die Handwerker, die das Basketballfeld reparierten. Sogar bei Schülern mit neuen Schuhen ging der Alarm los.
Deshalb versucht das System jetzt bloß noch aufzuzeichnen, wer wann wo ist. Wenn also jemand während der Unterrichtszeit das Schulgelände verlässt, wird der Gang daraufhin abgeglichen, ob es einer der Schüler sein könnte. Und wenn ja, wup-wup-wup, geht die Sirene los.
Chavez High ist von Kieswegen umgeben. Ich hab für alle Fälle immer ein paar Hände voll Steinchen in meiner Umhängetasche. Kommentarlos gab ich Darryl ein Dutzend von den kantigen Biestern rüber, und wir füllten beide unsere Schuhe.
Der Unterricht war nahezu vorbei, als mir klar wurde, dass ich immer noch nicht auf der Website von Harajuku Fun Madness nachgeschaut hatte, wo man den nächsten Hinweis finden würde! Ich war viel zu sehr auf die Flucht konzentriert gewesen und hatte mich nicht drum gekümmert, wohin wir zu fliehen hatten.
Also griff ich noch mal in die Tasten meines SchulBooks. Der Browser, den wir benutzten, kam vorinstalliert. Eine dichtgemachte Spyware-Version des Internet Explorers, Microsofts Crashware-Dreck, den kein Mensch unter 40 freiwillig benutzte.
Ich hatte einen Firefox auf dem USB-Laufwerk in meiner Uhr, aber das reichte nicht †“ das SchulBook lief mit Vista4Schools, einem antiken Betriebssystem, das Schuladministratoren die Illusion geben sollte, sie könnten kontrollieren, welche Programme auf den Rechnern ihrer Schüler laufen.
Aber Vista4Schools steht sich selbst im Weg. Ne Menge Programme sollen so laufen, dass man sie in Vista4Schools nicht ausschalten kann †“ Keylogger, Zensurprogramme -, und die müssen in einer speziellen Betriebsart laufen, damit sie vom System nicht gesehen werden. Du kannst sie nicht ausschalten, weil du sie gar nicht im System sehen kannst.

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Jedes Programm, dessen Name mit $SYS$ beginnt, ist fürs Betriebssystem unsichtbar. Es taucht weder im Explorer noch im Taskmanager auf. Also hatte ich meine Firefox-Kopie $SYS$Firefox genannt †“ und wenn ich es startete, wurde es für Windows unsichtbar und somit für die Schnüffelprogramme im Netzwerk.
Der Indie-Browser lief, jetzt brauchte ich nur noch eine Indie-Netzwerkverbindung. Das Schulnetz zeichnete jeden Klick rein und raus auf, und das konnte man ja nicht brauchen, wenn man fürn bisschen außerschulischen Spaß bei Harajuku Fun Madness vorbeisurfen wollte.
Die geniale Lösung heißt TOR †“ The Onion Router. So ein †œZwiebel-Router† ist eine Website, die Verbindungsanfragen zu Internetseiten entgegennimmt und zu anderen TORs weiterreicht; das Ganze ein paar Mal weiter, bis schließlich ein TOR die angeforderte Website aufruft und genauso durch die verschiedenen Zwiebel-Häute zurückgibt, bis sie bei dir ankommt. Der Netzwerkverkehr zu den Zwiebel-Routern ist verschlüsselt, so dass die Schule nicht sehen kann, wohin du eigentlich surfst, und die einzelnen Zwiebel-Häute wissen nicht, für wen sie arbeiten. Bei TOR gibts Millionen von Netzwerkknoten: Das Programm wurde vom Forschungsamt der US-Marine entwickelt, um den Navy-Leuten unzensierte Verbindungen in Ländern wie Syrien und China zu ermöglichen. Somit ist es das perfekte System im Bereich einer durchschnittlichen US-Highschool.
TOR funktioniert deshalb, weil die Schule eine begrenzte Liste von Schmuddeladressen pflegt, die wir nicht ansurfen dürfen, und weil die Adressen der Netzwerkknoten sich ständig ändern †“ keine Chance für die Schule, da ständig auf dem Laufenden zu bleiben. Firefox und TOR zusammen machten mich zum Unsichtbaren, unangreifbar für Schulbehördenschnüffelei, frei, zur Harajuku-FM-Site zu surfen und zu schauen, was abging.
Da war er, der neue Hinweis. Wie alle Hinweise bei Harajuku Fun Madness hatte auch dieser physische, Online- und mentale Komponenten. Der Online-Teil war ein Rätsel, und dafür musste man etliche knifflige Fragen beantworten. Diesmal waren dabei auch Fragen zur Handlung von Dojinshis †“ das sind Comics, die von Fans der japanischen Mangas gezeichnet werden. Dojinshis können genauso umfangreich sein wie die offiziellen Comics, von denen sie inspiriert sind, aber sie sind viel bizarrer, mit verschachtelten Handlungsfäden und manchmal völlig durchgeknallten Liedern und Action. Und massig Liebesgeschichten sowieso. Jeder Fan findet es toll, wenn seine Helden sich verknallen.
Um die Rätsel würde ich mich später daheim kümmern müssen. Das ging am leichtesten mit dem kompletten Team, weil man massenhaft Dojinshi-Files runterladen und nach Antworten auf die Rätselfragen durchflöhen musste.
Grade war ich fertig damit, die Hinweise zu sortieren, als die Schulglocke klingelte; unsere Flucht konnte beginnen. Unauffällig ließ ich die Kiesel in meine halbhohen Stiefel rieseln †“ knöchelhohe australische Blundstones, klasse zum Laufen und Klettern, und durch das Design ohne Schnürsenkel schnell aus- und angezogen, was bei den allgegenwärtigen Metalldetektoren natürlich praktisch ist.
Natürlich mussten wir auch die physische Überwachung austricksen, aber das wird im Grunde mit jeder neuen Schnüffeltechnik leichter †“ all der Alarmkrams vermittelt unserer geliebten Schulleitung ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Wir ließen uns mit all den anderen die Flure hinuntertreiben und steuerten meinen Lieblings-Hinterausgang an. Auf halber Strecke flüsterte Darryl: †œVerdammt, hab vergessen, dass ich noch ein Büchereibuch in meiner Tasche hab!†
†œMach kein Schei߆, entgegnete ich und zerrte ihn ins nächste Klo. Büchereibücher sind ne miese Sache. Bei denen ist immer ein RFID-Chip (ein Sensor zur Identifikation per Funk) in den Einband geklebt; damit können die Bibliothekare die Bücher ganz einfach auschecken, indem sie sie über ein Lesegerät ziehen, und ein Bücherei-Regal kann Bescheid sagen, ob eins der Bücher darin am falschen Platz steht.

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Aber es erlaubt der Schule auch, jederzeit den Aufenthaltsort jedes Buchs zu ermitteln. Auch so ein legales Hintertürchen: Die Gerichte hatten es verboten, uns per RFID zu tracken, aber Büchereibücher durfte man tracken, und ebenso war es erlaubt, mit den Schulaufzeichnungen abzugleichen, wer wohl wahrscheinlich grade welches Buch dabeihatte.
Ich hatte zwar einen kleinen Faraday-Beutel in der Tasche †“ das sind kleine Umschläge, die mit Kupferdraht-Gewebe gefüttert sind, Radiowellen wirksam blocken und RFID-Chips zum Schweigen bringen. Aber die Beutel waren dafür gedacht, Ausweise und Mautstellen-Transponder zu neutralisieren, nicht für…
†œEine Einleitung in die Physik?†, stöhnte ich. Das Buch war dick wie ein Lexikon. -  Fortsetzung Kapitel 2

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Hintergründe, Handlung und weitere Informationen zu Little Brother findet ihr unter: Jugendthriller: Little Brother von Cory Doctorow komplett im Netz

Hier handelt es sich um die deutsche Übersetzung von Christian Wöhrl

Little Brother ist unter einem Creative Commons Namensnennung-Keine kommerzielle Nutzung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenzvertrag lizenziert.

Das Original wurde unter: http://craphound.com/littlebrother veröffentlicht.

Bratwurst, Wein und Livestream-Lesungen im Gartenhaus von LovelyBooks

Bratwurst, Wein und Livestream-Lesungen im Gartenhaus von LovelyBooks

Mehr Schreibtische und Stühle wurden benötigt, ergo mussten neue Büroräume gesucht werden. Fündig wurde LovelyBooks allerdings nicht am alten Stammplatz in Stuttgart, sondern in München. Seit Mitte Februar befinden sich die neuen Büroräume von LovelyBooks in der Schleißheimer Str. 26 und damit in der Nähe des Entwickler-Teams, das schon immer in München tätig war.

Für die bestehende Buchcommunity von LovelyBooks ändert sich fast nichts, allerdings wurden sieben „Beitragsschreiber“ aus der hiesigen „Literatur-Blogospähre“ mit ins Boot geholt, um dem stetigen Wachstum in der virtuellen Welt gerecht zu werden und dieses Wachstum weiter auszubauen.

Jede Menge Aufregung und Neuigkeiten verspricht LovelyBooks für 2010. Anfang Februar fand im Literaturhaus München der Auftakt mit einer bis dahin wohl einzigartigen Veranstaltung statt. Unter dem Motto: †œSocial Web: Der direkte Kontakt zum Leser† versammelte sich das Who is Who der deutschen Literaturszene, um mehr über die umsatzsteigernde Nutzung von Twitter, Facebook & Co. in der Buchbranche zu erfahren.

Jetzt lädt LovelyBooks zu „Gartenhaus-Lesungen“ in die eigenen vier Wände ein. Die angekündigte Mischung macht diese Lesungen so interessant, denn irgendwie scheint alles nicht so recht zusammen zu passen:

Bratwurst und Wein in der Verlags- und Bierstadt München, Lesungen im Gartenhaus im März, Livestream Übertragung auf Twitter und anschließende Diskussionen mit Autoren und Twittervolk?

Warum nicht! -  Diese neue Art ein Buch auf dem Markt vorzustellen klingt auf  jeden Fall nach vielversprechender Unterhaltung und ein Maximum im Hinblick auf die Erreichbarkeit potentieller Käufer.

Folgende Autoren und Autorinnen lesen in den nächsten Wochen im LovelyBooks-Gartenhaus. Alle vier Titel sind Neuerscheinungen aus dem Frühjahrsprogramm 2010 der Verlage C.H. Beck, Fischer und Rowohlt:

08.03.2010:  Björn Kern – Das erotische Talent meines Vaters

Kurzbeschreibung
Ist es ein vom Wunsch nach Nähe angeregter Wochenendausflug zum Vater oder ein Kontrollbesuch? Als der Sohn, der Icherzähler in Björn Kerns neuem Roman, aus Berlin an den Bodensee kommt, um nach längerer Zeit einmal wieder nach dem Vater zu sehen, holt dieser ihn nicht vom Zug ab. Vergessen, verschusselt, egal? Der Vater Jakob, hoch in den Sechzigern, aber von fast schon erschreckender Virilität, durchtrainiert und mit einer beeindruckenden schwarzen Lockenpracht gesegnet, stellt den Sohn, der als Pfleger arbeitet, vor nicht wenige Rätsel. Welche Rolle spielen die beiden Frauen, die den Vater zu belagern scheinen und von denen er sich angeblich belästigt fühlt, tatsächlich? Was finden sie an ihm und was am Sohn? Wieso ist der Vater so fit und wo treibt er sich eigentlich nachts herum? Nimmt er gar Drogen?
Farbig und unterhaltsam, spannend und mit einigem Augenzwinkern erzählt Björn Kern von der neuen, verkehrten Welt, in der die Kinder bürgerlicher sind als ihre freizügigen, sich um ihre Selbstverwirklichung sorgenden Eltern. Komisch und melancholisch zugleich bietet der Roman eine höchst zeitgemäße Variante des uralten Vater-Sohn-Konfliktes.

22. März, 19 Uhr: Jörg Mauerer – Hochsaison

Kurzbeschreibung
Sterben, wo andere Urlaub machen
Nach dem Bestseller Föhnlage der zweite Alpenkrimi mit Kommissar Jennerwein.
Beim Neujahrsspringen in einem alpenländischen Kurort stürzt ein Skispringer schwer und das, wo Olympia-Funktionäre zur Vergabe zukünftiger Winterspiele zuschauen. Wurde der Springer etwa beschossen? Kommissar Jennerwein ermittelt bei Schützenvereinen und Olympia-Konkurrenten. Als ausgerechnet in einem Gipfelbuch per Bekennerbrief weitere Anschläge angedroht werden, kocht die Empörung im Ort hoch: Jennerwein muss den Täter fassen, sonst ist die Hochsaison in Gefahr

13. April, 19 Uhr: Arno Strobel – Der Trakt

Kurzbeschreibung
„Und wer bist du wirklich?“
Der Weg durch den nächtlichen Park, der Überfall all das weiß sie noch, als sie aus dem Koma erwacht. Ihre Erinnerung ist völlig klar: Sie heißt Sibylle Aurich, ist 34 Jahre alt, lebt mit Mann und Kind in Regensburg. Sie scheint fast unversehrt. Und doch beginnt mit ihrem Erwachen eine alptraumhafte Suche nach sich selbst. Zwar hat Sibylle ihr Gedächtnis behalten, die Welt aber hat offenbar die Erinnerung an Sibylle verloren: Ihr Mann kennt sie nicht, von ihrem eigenen Hochzeitsfoto starrt ihr das Gesicht einer Fremden entgegen, und niemand hat je von ihrem Sohn Lukas gehört! Wurde er entführt? Hat er nie existiert? Und wem kann sie überhaupt noch trauen?

26. April: 19 Uhr: Steffi von Wolff – Ausgezogen

Kurzbeschreibung
Die Bestsellerautorin – jetzt auch für junge ErwachseneEndlich 18! Endlich Abitur! Endlich eine eigene Wohnung! Julia, Kim, Saskia – genannt Püppi – und Nicole müssen ab jetzt die wesentlichen Aufgaben des Lebens selbst meistern: Wer wickelt den Vermieter um den Finger? Wie kocht man keine Fertiggerichte? Weshalb funktioniert ein Putzplan nur auf dem Papier? Und wie geht man mit den Spleens der Mitbewohnerinnen um? Gut, dass für Männer gilt: Betreten verboten. Das haben die vier sich versprochen. Es soll alles so bleiben, wie es ist. Für immer. Aber das funktioniert natürlich nicht. Denn es gibt sie nun mal, die Männer! Und sie kratzen an der Tür …

Geplant sind alle zwei Wochen weitere Lesungen  in familiärer Atmosphäre im Gartenhaus LovelyBooks, Schleißheimerstrasse 26, 80333 München. Die aktuellsten Infos und Termine findet man auf der Website von LovelyBooks. Hier kann man sich auch für eine Lesung anmelden. Abgesehen davon verlost LovelyBooks für die erste Lesung am 09.03.2010 drei Ehrenplätze inkl. Verpflegung und einem Exemplar des Buches †“ das man sich natürlich gleich am Abend auch vom Autor signieren lassen kann. Näheres dazu findet man auf der Website.

Quelle: LovelyBooks

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Social Web: Erreicht das Anfängerseminar die Zielgruppe? #BuchSW

Social Web: Erreicht das Anfängerseminar die Zielgruppe?

Das Who-is-Who der deutschen Verlagsszene war dem Aufruf von Lovelybooks gefolgt und hatte seine Teilnahme für die erste Veranstaltung zum Thema †Social Web: Der direkte Kontakt zum Leser†œ am 05.02.10 im Münchner Literaturhaus zugesagt.  Die meisten Verlage hatten Vertreter, zumeist aus dem Bereich des Marketings oder der Pressearbeit, geschickt. Den kleineren Anteil der Teilnehmer stellten die Betreiber von Websites und Blogs, Buchhändler, Autorinnen und Autoren, Lektoren, Literaturagenten, Redakteure und Journalisten. Mehr als 130 Personen trafen sich im Münchner Literaturhaus. Viele waren von weit her angereist. Eine Verlagsmitarbeiterin war um fünf Uhr morgens im Schwarzwald in den Zug gestiegen, andere kamen aus Hamburg oder Berlin.

Mitarbeiterinnen von Lovelybooks verteilten am Eingang vorbereitete Namensschilder und eine Stofftasche mit Werbematerial. In dem Raum neben dem Saal des Literaturhauses standen bereits Stärkungen bereit. Das sollte so bleiben. Das Catering Unternehmen, das Lovelybooks engagiert hatte, versorgte die Teilnehmer den ganzen Tag über mit allerlei Köstlichkeiten.

Lovelybooks hatte kurz vor dem Termin per Mail die Teilnehmer um das Mitbringen ihrer Laptops gebeten. Ebenfalls war schon im Vorfeld der Wunsch geäußert worden, dass alle bereits über einen Twitter- und Facebook-Account verfügen sollten. Für viele war diese Voraussetzung mit Sicherheit eine Überraschung. Schließlich hatte man aufgrund der Programmpunkte erwarteten können, dass jedem Teilnehmer der Umgang mit Twitter und Facebook vermittelt werden sollte.

Die Stuhlreihen waren mit diversen Steckdosenleisten versehen, und so saßen alle mit ihren Laptops auf den Knien pünktlich im Saal und versuchten über die genannten WLAN-Zugangsdaten Kontakt zum Netz herzustellen. In der Mitte der Bühne, hinter dem Rednerpult, befand sich eine große Leinwand. Hier wurden die jeweiligen Benutzeroberflächen, die die Referenten für ihre Vorträge zur Veranschaulichung  benötigten, auf eine Leinwand projeziert. Links davon befand sich eine ebenso große Leinwand, die sogenannte Twitterwall. Den ganzen Tag wurde das Gezwitscher mit dem Hashtag #BuchSW von Twitter in den Saal übertragen. Das sorgte für einige Belustigung, führte allerdings auch zu Ablenkungen bei den Teilnehmern und Irritationen bei den Referenten. Die Veranstaltung wurde per Livestream ins Web übertragen.

Um 10 Uhr begrüßte Sandra Dittert, eine der Gründerinnen von Lovelybooks, die Teilnehmer und stellte die Wirtschaftsinformatikerin und Gründerin der österreichischen Firma Digitalks, Meral Akin-Hecke, als Moderatorin für das Event vor. Mit Meral Akin-Hecke hat Lovelybooks eine sympathische Moderatorin gewählt, die die Veranstaltung souverän leitete.

Planmäßig trat Leander Wattig als erster Referent hinter das Rednerpult und erklärte, welche Tools, und damit meinte er in erster Linie Facebook und Twitter, wichtig sind und wie die Buchbranche durch die Nutzung dieser Plattformen auf sich aufmerksam machen kann. Schnell wurde sichtbar, welch schwierigen Spagat er versuchte. Viele der Teilnehmer sind längst online-versierte Fachleute, für den Rest war der Vortrag eindeutig zu fachlich. Dies verleitete das anwesende Literaturcafé dazu hinter Wattigs Rücken: „Habe den Eindruck, dass #BuchSW als Anfängerseminar nicht die Zielgruppe erreicht“, zu twittern. Vielleicht hätte Leander Wattig am Ende der Veranstaltung in einer Zusammenfassung für mehr Klarheit bei den „Newbies“ sorgen können.

Im Anschluss erklärte Nina Reddemann vom Hanser Verlag, auf sehr anschauliche Art und Weise, wie ihr Unternehmen mit Facebook und Twitter arbeitet. Der Hanser Verlag betreibt seit August 2009 eine Facebook-Seite und hat diese auf seine Website integriert. Das Ergebnis sind ca. 300 Fans. Die Erkenntnis, dass Verlage es nicht gewohnt sind mit den Lesern zu kommunizieren, ist sicherlich die erste Voraussetzung für einen Sinneswandel in der Verlagsbranche. Je mehr Fans z.B. bei Facebook, umso größer ist die Erreichbarkeit der Leser und Kunden. „Ich will nicht Fan eines Verlages sein, sondern ich will Fan eines wirklich guten Buches sein …“, lautete allerdings die Botschaft auf der Twitterwall.

Nach einer kurzen Kaffeepause, die alle für lebhafte Diskussionen nutzten, sprach Christian Horvath von morgenjungs.com über Social Networks am Beispiel Facebook. So hat der Autor Daniel Glattauer über eine Facebook-Seite, die der Hanser Verlag eingerichtet hat und betreut, bereits 2555 Fans. Das sind über acht Mal mehr als der Verlag selbst verzeichnet hat. Der Knaur Verlag, dessen Team sich oft via Twitter und auch persönlich zu Wort meldete, zwitscherte die Zahl 696 für den relativ neuen Pan Verlag – das Ergebnis einer sehr aktiven Arbeit auf Facebook. Hingegen haben nur 47 Buchhandlungen Fanpages mit insgesamt lediglich 4000 Fans. Im weiteren Verlauf wurde über den Umgang mit den Fans gesprochen und wie man am besten mit Kritik umgehen sollte.

Thomas Pfeiffer von webevangelisten.de sprang nach der Mittagspause für die Web 2.0-Spezialistin Nicole Simon, die kurzfristig abgesagt hatte, ein und berichtete über das Thema „Twitter, viel mehr als nur unnötiges Gezwitscher. Gemeinsam probieren wir es aus.“ Prompt erschien wiederum eine höhnische Bemerkung von dem Literaturcafé auf der Twitterwall: „Jetzt wird den 95% der anwesenden Twitterer Twitter erklärt. #BuchSW.“ Thomas Pfeffers Bitte mal kurzzeitig aufs „Twittern“ zu verzichten, löste eher das Gegenteil aus und so ging seine Erklärung über die Funk­ti­ons­weise die­ses Micro­blog­ger­diens­tes fast unter.

Ein Highlight der Veranstaltung war auf jeden Fall der Auftritt von Krimiautor und Entertainer Andreas Franz. Ihm wurde mit Hilfe von Thomas Pfeiffer ein Twitter-Account (@krimifranz) eingerichtet, auch wenn er offen bekannte, dass er Sinn und Zweck der Nutzung von Twitter noch nicht erkannt habe. Und so schickte er kurzerhand einen Gruß an seine Tochter, überbrückte sehr unterhaltsam mit Smalltalk eine kurze technische Panne und verschwand wieder. Zuvor hatte er noch aus dem „Hashtag“ einen „Haschtag“ gemacht und damit für weitere Belustigung bei den Teilnehmern im Saal und im Livestream gesorgt.

Mar­cus Rafels­ber­ger setzte das Thema „Autoren im Social Web“ im Anschluss fort. Im Wesentlichen teilte er mit, dass er trotz seiner intensiven Aktionen im Netz wenig Erfolg damit hat.
Nachtrag: Aufgrund von technischen Problemen, wurde der Vortrag von Marcus Rafelsberger leider etwas verstümmelt. „Das wird der Sache nicht gerecht“, sagt der Autor von „Menschenteufel“. Sein erster Krimi erschien im September 2009 im Emmons Verlag. Seine Präsentation steht als PDF-Datei auf der LoveleyBooks-Site zum Download zur Verfügung. Absolut lesenswert sind seine detaillierten Ausführungen für alle Autoren, die gerade versuchen ihre eigenen Publikationen zu vermarkten. Wer die Tipps beherzigt, kann mit Sicherheit viel Zeit sparen und auch erfahren, was eben doch etwas bringt.

Susanne Martin, Inhaberin der Schillerbuchhandlung, vermittelte in ihrem Vortrag sehr anschaulich die Möglichkeiten für den stationären Buchhandel. Sie nutzt sowohl Twitter als auch Facebook und arbeitet mit dem Medium Podcast für die Vorstellung ihrer Bücher.

„Gerade einmal fünf Sortimenter waren bei der Konferenz Social Web im Münchner Literaturhaus. Aber können wir Buchhandlungen es uns denn leisten zu sagen: keine Zeit? Reicht eine Homepage noch aus? […] Entwickelt sich das Internet nicht immer mehr zur inzwischen deutlich spürbaren Konkurrenz für den stationären Buchhandel? Reicht eine Homepage noch aus †“ sollten wir nicht vielmehr auch versuchen, noch auf anderen Kanälen ins Gespräch zu kommen mit unseren Kundinnen und Kunden, von denen auch immer mehr immer mehr Zeit vor dem PC verbringen?“[…]

Das Feedback zum Event von Frau Martin unter dem Titel „Keine Zeit fürs Social Web?“ auf Buchreport.de (08.02.2010)

Karla Paul, die Betreiberin der Buchkolumne, seit kurzem Angestellte bei Lovelybooks, ging zum Abschluss der Veranstaltung als letzte Referentin gegen 16 Uhr auf die Blogosphäre ein: „Was bewirken Multiplikatoren im Social Web, und wie finde ich die Richtigen“ war ihr Thema. Ihre Empfehlung lautete authentisch zu sein und sich treu zu bleiben.

Dem kann ich mich nur anschließen.

Schön war´s und interessant, und ein Anfang sich auf die anstehenden Veränderungen in der Buchbranche vorzubereiten. Vielen Dank an LovelyBooks!

Reaktionen über die Veranstaltung im Netz:

Zukunft im Social Web? BuchMarkt, 06.02.10
Lovelybooks-Event †œSocial Web†: Gedanken zur Nutzung von Social Media in der Buchbranche Meine Verlag-Blog, 06.02.10
Präsentationsfolien zu meinem Vortrag auf dem LovelyBooks-Event LeanderWattig, 06.02.10
Lovelybooks-Event: Betreutes Twittern im Münchner Literaturhaus Das Literatur-Café, 07.02.10
Die Vorträge zum Nachhören auf LovelyBooks 08.02.2010
Nebenberuf: Kommunikator Cronenburg  08.02.2010
Social Media für die Buchbranche: Bringen Twitter & Co. wirklich Leser? Recht und Sprache, 08.02.2010

Apple iPad – der neue Online-Buchladen bald mit deutschen Titeln?

Apple iPadMit dem iPad führt Apple einen Online-Buchladen namens iBooks ein

Gestern wurde der neue Tablet-Computer iPad von Apple der Öffentlichkeit präsentiert. Der Medienhype war erwartungsgemäß enorm groß. Die Computerbranche versucht schon seit Jahren vergeblich Tablet-Computer am Markt zu etablieren, bislang vergeblich. Kann Apple alle Erwartungen erfüllen und den Durchbruch für die neue Geräteklasse schaffen?

Apple-Chef Steve Jobs gab bei der Präsentation das Gewicht des „magischen und revolutionären“ iPad mit 1,5 Pfund und die Dicke mit 1,2 Zentimeter an. Die Batterielaufzeit soll zehn Stunden betragen und die Standby-Zeit mehr als einen Monat.

Apple iPad1Die Preise für die unterschiedlichen Modelle sind erstaunlich niedrig. Es geht los bei 499 $ und reicht bis 829 $ für das Modell mit Mobilfunk und 64 GB Datenspeicher.

Mit dem iPad führt Apple einen Online-Buchladen namens iBooks ein. Er wird eine neue Abteilung im Online-Shop iTunes-Store sein, der in jüngster Zeit rasant gewachsen und ein wichtiger Grund für Apples Erfolg ist. Bisher gibt es in dem Store Musik, Spielfilme, TV-Sendungen und Software für spezielle Online-Anwendungen, die sogenannten Apps.

Im iBook-Store stellen zunächst fünf Verlagsgruppen ihr Angebot an E-Books bereit: Penguin, Simon & Schuster, HarperCollins, die Hachette Book Group und Macmillan. Das werden zunächst vor allem englischsprachige Titel sein. Doch ist damit zu rechnen, dass schon bald auch deutsche Verlage ihre Titel in dem neuen Apple-Shop bereitstellen werden.

Apple iPad4Begünstigt wird dies dadurch, dass sich Apple im Unterschied zu Amazon für das verbreitete EPUB-Format entschieden hat. Dieses XML-Format ist ein offener Standard, der auch einen DRM-Kopierschutz ermöglicht, so dass die Bücher nur auf einer begrenzten Zahl von Geräten gelesen und nicht frei kopiert werden können.

Die Vorstandschefin von Simon & Schuster, Carolyn Reidy, bezeichnete das iPad als ein „grandioses Gerät“. Der Leser könne mit dem Finger die Schriftart ändern und intuitiv umblättern.

Apple tritt mit iPad und Online-Buchshop gegen Anbieter wie Amazon oder Sony an. Bisher sind die „E-Book-Reader“ hoch spezialisierte kleine Geräte, die ihre Texte auf einem besonderen Bildschirm anzeigen.

Dabei kommt meist eine als E-Ink – also „elektronische Tinte“ – bezeichnete Technik zum Einsatz, die kaum Strom verbraucht. Für die Darstellung von Fotos oder gar Videos ist dieses Display weniger gut oder gar nicht geeignet, zumal es bislang nur Graustufen anzeigen kann.

Apple iPad2Apple-Vorstandschef Jobs würdigte zwar die „großartige Pionierleistung“ von Amazon mit seinem vor allem in den USA erfolgreichen E-Book-Reader Kindle. Das für Ende März angekündigte iPad geht aber einen anderen Weg. Es ist mit einer Bildschirm-Diagonalen von 9,7 Zoll ebenso groß wie der Kindle DX von Amazon, übernimmt jedoch vom iPhone das „kapazitive Multi-Touch Display“ mit der vollen farbigen Darstellung.

Ein weiterer Vorteil könnte der schnelle Ein-Gigahertz-Prozessor sein, eine neuartige Eigenentwicklung mit der Bezeichnung Apple A4.

Dieser verspricht ein deutlich schnelleres Umblättern von Buchseiten als mit den bisherigen Geräten etwa des Amazon-Konkurrenten Sony. Ein Nachteil gegenüber den bisherigen E-Book-Readern ist die kürzere Batterielaufzeit – Apple nennt eine Betriebszeit von zehn Stunden und verspricht „eine typische Lebensdauer“ des fest eingebauten Akkus von fünf Jahren.

Apple iPad3E-Book-Reader werden auch von Zeitungsverlagen mit Interesse beobachtet. Der regelmäßige Download der aktuellen Tageszeitung eröffnet eine dritte Schiene zwischen den unter Absatzschwund leidenden Print-Ausgaben und dem zumeist kostenlosen Angebot in Internet.

Bei der Präsentation in San Francisco zeigte Martin Nisenholtz von der „New York Times“, wie seine Zeitung auf dem iPad gelesen werden kann. „Wir denken, wir haben das Wesen der Zeitungslektüre eingefangen“, sagte Nisenholtz.

So entspricht das Bildschirm-Layout weitgehend dem der gedruckten Ausgabe, ergänzt um interaktive Möglichkeiten. Dazu gehört auch die Einbindung von Videos in einen Zeitungsartikel.

Bücher und Zeitungen können mit dem iPad heruntergeladen werden, wenn sich das Gerät in einem W-Lan-Netz befindet. Sie werden auf einem robusten Flash-Speicher abgelegt, der je nach Ausführung 16, 32 oder 64 Gigabyte umfasst. Modelle, die wie der Kindle auch den Download im Mobilfunknetz ermöglichen, sind in den USA für April angekündigt. Für Europa steht noch nicht fest, ob es dort ebenfalls die Mobilfunk-iPads geben wird.

Die IT-Branche vermisst einen superbrillanten Bildschirm mit OLED-Technologie, eine Videokamera auf Vorder- und Rückseite und die Unterstützung für die Flash-Technologie von Adobe. So werde Apple vor allem auf den Nutzwert und den Spaßfaktor seiner Apps setzen müssen, meinen Kritiker.

Dicke Minuspunkte bekommt Apple auch für die wenigen Anschlüsse des iPad. Daten können nur mit einem speziellen Kabel zwischen iPad und einem Computer synchronisiert werden, der Anschluss von externen Geräten, wie Digitalkamera oder Festplatte per USB oder etwa ein SD-Speicherkarten-Slot fehlen leider.

Auch Multitasking unterstützt das iPad nicht. Mehrere Anwendungen können nicht parallel laufen. Der Nutzer muss naturgemäß auf eine echte Tastatur verzichten, aber auch der interne Speicher ist mit maximal 64 Gigabyte deutlich geringer als bei herkömmlichen Laptops oder Netbooks. Gelöst wird das Problem der fehlenden Anschlüsse Presseberichten zufolge mit einer Reihe von Adaptern, die Apple mit dem Gerät mitliefern kann. Auch eine externe Tastatur soll sich anschließen lassen.

Das iPad ist kein Telefon. Wie auf einem normalen Computer kann man aber Internettelefonie nutzen, beispielsweise Skype. Ähnlichkeiten mit dem iPhone bestehen dennoch – vor allem beim Aussehen.

Wie Apples Handy kann das iPad außerdem mit Videos, Musik und kleinen Programmen („Apps“) bestückt werden. Für das iPhone sind nach den Worten von Jobs inzwischen mehr als 140.000 Anwendungen verfügbar, dazu zählen Spiele, Navigationshilfen, Stadtpläne aber auch digitale Ausgaben von Zeitschriften und Zeitungen.

Die iPhone-Apps sollen alle auch auf dem iPad laufen. „Das wird einen neuen Goldrausch für Entwickler auslösen“, sagte Jobs bei der Vorstellung des neuen Gerätes am Mittwoch.

Passend zum iPad wird Apple eine Variante des Office-Pakets „iWork“ auf den Markt bringen, das aus einer Textverarbeitung, Tabellenkalkulation sowie einem Präsentationsprogramm besteht. Die drei iWorks-Anwendungen werden für jeweils 10 $ im iTunes-Store verkauft. Dieses Angebot wird als klare Attacke auf die Office-Programme von Microsoft gewertet.

Eine wichtige Premiere ist auch, dass das iPad mit einem eigenen Chip von Apple arbeitet, statt Prozessoren von Herstellern wie Intel oder ARM zu nutzen.

Apple hatte im Frühjahr 2008 den kleinen Chip-Hersteller PA Semiconductor gekauft, der leistungsstarke und sparsame Prozessoren unter anderem für das US-Militär entwickelte. Apple verspricht mit dem neuen Chip eine iPad-Laufzeit von bis zu zehn Stunden. „Ich kann von San Francisco nach Tokio fliegen und die ganze Nacht Videos schauen“, sagte Jobs bei der Präsentation am Mittwoch.

Quelle: Wissen.de