Seitensprung der Sisterhood †“ Geheimnisse

Seitensprung der Sisterhood

Kapitel 3
Geheimnisse

„Du liebst ihn sehr, stimmt`s?†œIch sah wieder zu Duncan und dann fest in ihre ausdrucksstarken blauen Augen. Darauf fiel mir nur eine Antwort ein.
„Er ist mein Leben.†œ
Sie nickte nur und sprach dann leise weiter.
„Ich sehe es in deinen Augen. Doch da sehe ich noch etwas anderes. Du bist nicht nur eine Hexe, du bist auch…†œOh bitte, sie nicht auch noch!
„Ja, ich bin auch zur Hälfte menschlich, und mehr ist da auch nicht†œ, unterbrach ich sie schnell, damit dieses Thema endlich erledigt war. Sie sah mich immer noch prüfend an, seufzte und stand auf.
„Wie du meinst, schließlich ist es auch egal. Jetzt lass uns einen der letzten freundlichen Herbsttage genießen. Ich muss noch mal eben in die Küche verschwinden und den Kaffee holen, aber bediene dich doch ruhig schon mal, ich bin sofort wieder zurück.†œ Sie ging zu den Kindern und Duncan und forderte sie auf, sich die Hände zu waschen. Alle vier nickten gehorsam. Duncan zwinkerte mir zu und verschwand lächelnd mit den Kindern und Polly im Haus. Erst jetzt sah ich, dass der Tisch mit allerlei Köstlichkeiten gedeckt war, und da ich seit dem Frühstück nichts mehr gegessen hatte, fing mein Magen lautstark an zu knurren. Der Kuchen und die vielen Sandwiches sahen aber auch zum Anbeißen aus, und so griff ich einfach zu.
Es wurde ein sehr vergnüglicher Nachmittag. Wir ließen uns das Essen schmecken, erzählten und lachten viel. Nachdem die Kinder ihre anfängliche Scheu mir gegenüber verloren hatten, bombardierten sie mich mit allen möglichen Fragen. Ich erzählte ihnen von meinen Schwestern, von Doc, Lilli, Lucy, Kerstin und Sweetlife und von Ef-Ef, dem Dämon in Hamstergestalt. Als ihre Neugierde gestillt war, beschäftigten sie sich wieder alleine im Garten.
„Ich weiß, dass ihr beiden euch auf der Seraphim kennengelernt habt, aber wann hat es bei euch denn eigentlich so richtig gefunkt?†œ, wollte Polly wissen und gerade, als ich ihr antworten wollte, schob Duncan mir hinterlistig grinsend ein Stückchen Tomate in den Mund.
„Oh, sie hat mich beschimpft, als arrogantes A…†œ, antwortete er an meiner Stelle. Empört legte ich ihm gerade noch meine Hand auf den Mund und warf ihm einen warnenden Blick in Richtung der Kinder zu. Doch er küsste nur meine Handfläche.
„Äh, dass erzähle ich dir lieber ein anderes Mal, okay?†œ, sagte Duncan und zwinkerte Polly zu. Langsam wurde es dunkel und wir zündeten die vielen Windlichter und kleinen Laternen an, die überall in dem Garten und der kleinen Laube verteilt waren. Auch wurde es kühler als die Sonne verschwunden war, und ich war froh, meine Jacke mitgenommen zu haben. Gerade als Caitleen mit dem neuen Buch von Duncan zu uns an den Tisch kam, klingelte mal wieder Duncans Handy. Ich verdrehte schon automatisch die Augen. Er stand sofort auf, wandte sich ab und sprach so leise, dass niemand etwas verstehen konnte. Als er das Gespräch beendet hatte, mied er meinen Blick und strich sich durch die Haare.
„Verdammt, ich muss weg. Mythos will… also ich treffe dich dann zu Hause, mein Herz. Danke, Polly, tschüss meine Süßen, bis bald.†œ Er küsste mich flüchtig auf die Stirn und ich konnte fühlen, dass er mit seinen Gedanken ganz woanders war. Fragend sah ich ihm nach, als er durch das Törchen verschwand. Was wollte Mythos denn jetzt noch von ihm? Und warum nahm er mich nicht mit? Doch da stand Caitleen plötzlich vor mir und lächelte mich an.
„Tante Angie, kannst du uns nicht vorlesen? Bitte?†œ Dankbar für die Ablenkung nahm ich ihr das Buch, das sie von Duncan geschenkt bekommen hatte, ab und verbot mir jeden weiteren Gedanken an den merkwürdigen Anruf. Der Abend war einfach zu schön, um ihn mit Grübeln zu ruinieren.
Also schlug ich das Buch auf und begann vorzulesen. Die kleine Bonnie kletterte auf meinen Schoß, schmiegte sich an mich und steckte ihren Daumen in den Mund. Auch die anderen beiden hörten gebannt zu.
Auf einmal hatte ich wieder dieses unangenehme Gefühl, aus der Ferne beobachtet zu werden und blickte auf. Vor dem weißen Zaun stand Leif, seine Hände zu Fäusten geballt. Sein eiskalter Blick traf mich mit voller Wucht, sodass ich automatisch eine Gänsehaut bekam. In dem Moment, als ich ihn fragen wollte, was er hier zu suchen hätte, presste er seine Lippen zusammen, warf mir noch einen letzten hasserfüllten Blick zu, drehte sich um und verschwand. Was sollte denn das jetzt wieder?

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Verwundert sah ich ihm nach und nahm mir ernsthaft vor, ihn endlich zur Rede zu stellen. Ich hatte die Nase gestrichen voll von seinen ständigen Anfeindungen. Dann spürte ich, wie Albus an meinem Ärmel zog und auf die kleine Caitleen wies.
„Guck mal, sie ist eingeschlafen, und du hast einfach aufgehört zu lesen als es spannend wurde†œ, flüsterte er enttäuscht.
„Tut mir leid, Albus. Aber ich muss jetzt gehen. Ich lese die Geschichte ein anderes Mal weiter, okay?†œ Gott sei Dank hatten die Kinder diesen furchteinflößenden Leif nicht gesehen. Ich klappte das Buch leise zu und strich ihm schnell über den Kopf. Polly, die auch nichts mitbekommen hatte, kam aus der Küche und nahm mir die tiefschlafende Kleine aus den Armen, um sie ins Bett zu bringen. Meine Hilfe lehnte sie mit dem Hinweis ab, dass es schon ziemlich spät sei, und Duncan bestimmt schon auf mich warten würde. Doch nicht Duncan war der Grund, warum ich so schnell wie möglich nach Hause wollte. Es war dieser Wicki! Also verabschiedete ich mich von allen mit einer Umarmung und versprach, bald wiederzukommen. Dann beeilte ich mich, damit ich Leif noch erwischen konnte. Durch die beleuchteten Straßen und Wege lief ich den Weg zurück zum Anwesen. Unterwegs hielt ich Ausschau nach ihm, doch er war nirgends zu sehen. Außer Atem erreichte ich das Haus und schloss die Eingangstür hinter mir. Suchend sah ich mich in der Eingangshalle um. Na also, da war er ja. Durch die offene Esszimmertür sah ich Wicki mit grimmiger Miene an dem großen Tisch sitzen. In der Hand hielt der Glas Whiskey, dessen Inhalt er gerade mit einem Zug herunterkippte. So mein Freund, jetzt will ich ein paar Antworten von dir und wehe… Energisch schloss ich die Esszimmertür und setzte mich ihm direkt gegenüber. Seine rotgeäderten Augen und sein stierender Blick verrieten, dass er wohl schon einige Gläser Whiskey in kurzer Zeit getrunken hatte. Er schien meine Anwesenheit gar nicht zu bemerken, oder ignorierte mich bewusst, denn er schenkte sich sein Glas in aller Seelenruhe wieder voll, trank diesmal jedoch langsamer. Ich klopfte mit der Faust kräftig auf den Tisch, um endlich seine Aufmerksamkeit zu erregen.
„Hey Wicki! Was ist eigentlich dein Problem? Oder vielmehr, was hast du eigentlich für ein Problem mit mir? Wir kennen uns nicht mal, und wir sind uns auch noch nie begegnet! Und dass ich diesen widerlichen Troll, deinen Söldnerboss, oder was auch immer der war, geköpft habe, kann dir doch nur Recht sein, oder? Und was sollte das eben bei Polly, oder heute Morgen beim Frühstück? Also nochmal: Was. Ist. Dein. Problem?†œ Die letzten Worte betonte ich besonders laut und beugte mich zu ihm über den Tisch. Doch er reagierte nicht und nippte weiter an seinem Glas. Wütend schlug ich erneut auf den Tisch.
„Ich will endlich ein paar Antworten!†œ Plötzlich sah er auf. Sein eiskalter Blick fixierte mich.
„Du willst Antworten? Die kannst du haben!†œ Ohne mich aus den Augen zu lassen, stand er langsam auf und stützte sich leicht schwankend auf den Tisch. Er beugte sich zu mir herunter, bis unsere Gesichter nur noch Zentimeter voneinander entfernt waren. Sein Whiskeyatem streifte mich. Ich zwang mich, nicht zurückzuzucken und wartete angespannt.
„Ich hasse euch Hexenpack! Ich hasse euch abgrundtief! Ihr habt meine ganze Familie ausgelöscht, mein Dorf überfallen und alle abgeschlachtet. Männer, Frauen und Kinder. Ihr habt vor niemandem halt gemacht. Erst habt ihr euch unser Vertrauen erschlichen, um dann eiskalt zuzuschlagen.†œ Oh mein Gott, das war ja furchtbar! Automatisch wollte ich tröstend nach seiner Hand greifen, doch in seiner jetzigen Stimmung hätte er mich wahrscheinlich in Stücke gerissen, wenn ich ihn angefasst hätte. Also zog ich sie schnell zurück.
„Wann war das?†œ, fragte ich ihn so ruhig ich konnte.
„Es war genau heute vor 200 Jahren.†œ Also noch vor meiner Zeit. Meine Großmutter Gwen hatte mir zwar von einem bösartigen Hexenzirkel erzählt und Lucys Bruder ja auch, aber dass sie so grausam waren, hatte ich nicht gewusst. Wicki ließ sich zurück auf seinen Sitz fallen und griff wieder nach seinem Glas.
„Ich war damals noch ein Kind und habe als einziger überlebt. Ich konnte mich im letzten Moment verstecken… und ich höre die Schreie immer noch in meinen Alpträumen. Jetzt weißt du, was mein Problem ist, Hexe!†œ, schleuderte er mir entgegen. Meine Verachtung und meine Wut auf ihn verschwanden in dem Moment, als ich seinen Schmerz und die Trauer in seinen Augen sah. Doch da war noch etwas in seinem Blick, in seiner ganzen Haltung. Schuldgefühle?

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Fühlte er sich schuldig, weil er noch ein Kind war und nicht eingegriffen hatte, nicht eingreifen konnte? Kopfschüttelnd stand ich langsam auf. Was hätte er als Kind bei dem Massaker ausrichten können?
„Glaube es oder nicht, aber es tut mir wirklich leid, was mit dir und deiner Familie passiert ist. Aber du weißt auch, dass in unserer Welt in jeder Spezies, egal ob Hexe, Fee, Elfe, Werwolf oder Vampir, einige bösartige und grausame Kreaturen vorkommen. Das ist bei den Menschen nicht anders. Also hör auf, mich für etwas verantwortlich zu machen, was dir vor vielen Jahren passiert ist, und für das ich nun wirklich nichts kann.†œ
Ihm jetzt meine Probleme mit seiner Gattung an den Kopf zu werfen, wäre unpassend gewesen. Es war damals nämlich eine Fee gewesen, die mich an Zorro, der bis vor kurzem noch von einem bösartigen Dämon besessen war, verraten und so indirekt den Tod von Lillis Partner verursacht hatte. Er starrte verbissen in sein Glas.
„Morgen bin ich wieder verschwunden, also lass es gut sein†œ, murmelte er leise vor sich hin.
„Okay, meinetwegen†œ, antwortete ich in der Hoffnung, dass meine Worte zu ihm durchgedrungen waren und er endlich ein bisschen Frieden fand. Ich stand schon an der Tür und drehte mich noch einmal kurz zu ihm.
„Aber eines möchte ich noch sagen, Leif, höre verdammt nochmal auf, dir die Schuld für etwas zu geben, das du niemals hättest verhindern können!†œ
Ich schloss die Tür leise hinter mir und lehnte mich einen Augenblick mit geschlossenen Augen dagegen. Dies musste der längste Tag meines Lebens gewesen sein, ich war total erschöpft und todmüde, und ich sehnte mich nach Duncan, einem Wodka und nach meinem Bett. Dabei war mir sogar die Reihenfolge egal.

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Die nächsten Tage gehörten nur Duncan und mir. Er zeigte mir die nähere Umgebung rund um das Anwesen. Mit Baby fuhren wir zum Loch Ness, picknickten dort an seinem Lieblingsplatz und genossen den fantastischen Blick auf die wunderschöne Landschaft. Als das Wetter schlechter wurde, zeigte er mir das Trainingszentrum und die Schwimmhalle von innen. Wir trainierten mit einigen Anwärtern. Ich war ziemlich beeindruckt darüber, wie geschickt sie bereits mit den Waffen umgehen konnten. Mary verwöhnte mich mit meinen Lieblingsspeisen, sodass ich langsam die Notbremse ziehen musste. Duncan schmunzelte nur und fand meine Rundungen wären genau an der richtigen Stelle. Außerdem wollte er nur die Anordnung von Doc Jane befolgen und mich nach Strich und Faden verwöhnen. Von meinen anderen Schwestern hatte ich noch nichts gehört, aber ich war sicher, dass sie sich noch melden würden. Duncan wurde nur noch selten zu einer Besprechung gerufen und Leif war wirklich am nächsten Morgen verschwunden.
Ich hätte also rundum zufrieden und glücklich sein müssen. War ich ja auch… eigentlich. Aber manchmal beschlich mich ein unbehagliches Gefühl, als ob dunkle Wolken aufziehen würden. Wenn Duncan doch wieder mal zu einer Besprechungen gerufen wurde, versicherte er mir zwar immer, dass es nichts Besonderes oder Außergewöhnliches gäbe, langweilige Ordensangelegenheiten halt, aber ich wurde trotzdem dieses merkwürdige Unbehagen nicht richtig los.
An jenem Tag, etwa ein Woche nach unserer Ankunft in Schottland, hatte Mary frei. Duncan und ich saßen zusammen im Apartment und schmiedeten Pläne für weitere Ausflüge. Von Duncan wusste ich, dass in der Nähe des Anwesens eine größere Stadt lag, in der man alle Einkäufe erledigen konnte. Das Anwesen wurde von den dort ansässigen Firmen beliefert und er wollte mit mir eine ausgedehnte Shoppingtour unternehmen, sogar freiwillig!
Doch dann wurde er mal wieder von Mythos ins Verwaltungsgebäude gerufen. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, um Polly und die Kinder zu besuchen. Duncan umarmte mich seufzend, wickelte eine Strähne meiner Haare um seinen Finger und sah mich an.
„Und, es macht dir wirklich nichts aus? Ich kann das auch auf später verschieben. Demetri meinte, dass etwas mit den Abrechnungen aus Peru nicht stimmen würde. Also mal wieder langweiliger Verwaltungskram.†œ Ich seufzte auch und vertrieb schnell den trüben Gedanken, der mich flüchtig streifte, indem ich meine Nase an seinem Hals rieb und seinen unwiderstehlichen Duft tief inhalierte.
„Nein, geh` ruhig, ich bin dann bei Polly. Ich schulde ihr ja noch eine Story. Vielleicht sehe ich mir danach noch die kleinen Geschäfte etwas genauer an. Ich werde mich schon beschäftigen – also mach dir keine Sorgen, mein Schotte.†œ Ich schmiegte mich an ihn und strich ihm über sein Kinn.
„Ach, da fällt mir ein. Wann sehe ich dich eigentlich mal in deinem Kilt?†œ Ich strich mit meinen Lippen über seine.
„Habt ihr da wirklich nichts drunter an?†œ, flüsterte ich ihm fragend ins Ohr. Duncan sah mich mit seinen glühenden Augen an, nahm mein Gesicht in seine Hände und küsste mich. War das jetzt ein Nein oder ein Ja? Ich nahm mir vor, ihn bei Gelegenheit an die fehlende Antwort zu erinnern. Als Duncan gegangen war, meldete ich mich bei Polly via Handy, doch sie musste leider absagen. Die kleine Bonnie hatte etwas Fieber und forderte ihre ganze Aufmerksamkeit. Nachdem sie mir versichert hatte, dass es nichts Ernstes war, verschoben wir den Besuch, und ich verabschiedete mich. Ich nahm mir ein Buch und suchte mir unten eine gemütliche Ecke zum Lesen. Ich hatte kaum einige Seiten gelesen, als Duncan plötzlich zurückkam.
Er schien es sehr eilig zu haben und bemerkte mich nicht, als er mit langen Schritten direkt auf die kleine Holztür zusteuerte. Oh, die kleine Tür hatte ich ja total vergessen! Ich war total gespannt, was er das machte und wusste nicht genau, warum ich mich nicht bemerkbar machte. Vielleicht hielt mich meine innere Stimme zurück, denn ich wollte endlich erfahren, was es mit dieser Tür auf sich hatte. Also verhielt ich mich mucksmäuschenstill und beobachtete ihn. Er berührte in einer bestimmten Reihenfolge die mystischen Figuren auf der Tür und schon ertönte ein leises Klicken. Die Tür öffnete sich und Duncan verschwand in dem geheimnisvollen Gang. Danach schloss sich die Tür wieder geräuschlos. Aha, durch einen Code ließ sie sich also öffnen. Sobald er wieder auftauchen würde, wollte ich es auch probieren und zwar ohne ihn. Ca. 20 Minuten später erschien Duncan wieder und lief, ohne mich zu bemerken, mit verbissener Miene zur Vordertür raus. Ich wartete noch einige Minuten, dann stand ich auf und lief zu der verschlossenen Tür.

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Ich wollte endlich wissen, wohin der Gang führte und warum Duncan so ein Geheimnis daraus machte. Ich hatte mir die Reihenfolge des Codes genau eingeprägt. Erst einen Fingertipp auf das goldene Ei des Phönixes, dann auf die rechte Hand des Gargoyles und die Schweifspitze des Einhorns. Zum Schluss folgte ein Strich über die Nüstern des Pegasuses. Vor Spannung hielt ich den Atem an. Da! Es machte Klick. Zufrieden grinsend zog ich die Tür auf und wedelte kurz mit der Hand in die dahinterliegende Dunkelheit. Als die Fackeln brannten, schlüpfte ich schnell hinein und zog die Tür wieder zu. So, das erste Geheimnis war gelüftet. Zunächst lauschte ich angestrengt, doch hier war es totenstill. Dann schlich ich mich vorsichtig, jedes Geräusch vermeidend den Gang entlang, immer weiter in die Tiefe. Nach etwa 100 Metern machte der Gang eine leichte Rechtskurve und endete nach weiteren 100 Metern abrupt vor einer Mauer. Hier stand ich nun, und kam nicht weiter. Irgendwo musste aber eine Tür oder ein Durchlass sein! Aufmerksam sah ich mich um, aber es gab tatsächlich nur diese eine Wand, oder eben den Weg zurück. Mit bloßem Auge war nichts zu erkennen. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf jede Unebenheit. Langsam tastete ich mit den Fingerspitzen Zentimeter um Zentimeter über die glatte Wand. Da, ich spürte eine winzige Erhebung etwa in Kniehöhe und daneben gleich noch eine. Aufregung erfasste mich, und ich atmete erst mal tief durch. Sollte ich… oder lieber doch nicht? Wer wusste, was mich dahinter erwartete? Doch meine Neugierde siegte und ich drückte mit zwei Fingern gleichzeitig auf die verborgenen Knöpfe. Ein kaum wahrnehmbares Summen ertönte, so als ob winzige Zahnräder ineinander griffen. Erwartungsvoll trat ich einen Schritt zurück. In der Wand öffnete sich vor meinen Augen langsam eine Tür einen kleinen Spalt weit. Ein angenehm, warmer Luftzug streifte mich, und als ich sie soweit aufzog, dass ich hindurch schlüpfen konnte, gab sie den Blick auf einen großen Saal frei. Vorsichtig, mich nach allen Seiten absichernd, ging ich langsam hinein. Der Saal war nur spärlich beleuchtet, aber was ich erkennen konnte, war einmalig. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Über mir erblickte ich ein gigantisches Gewölbe, das unseren Sternenhimmel zeigte. Jeder einzelne Stern leuchtete. Ich musste mich tief unter der Erde befinden. Es schien niemand hier zu sein, und so ging ich einfach weiter und sah mich um. An den Wänden hingen Waffen aus allen Epochen, von den Steinschleudern bis zum modernsten Wurfmesser. Antike Glasvitrinen mit alten Gewändern, Büchern, Porzellan und Schmuck standen an einer langen Wand in Reihe und Glied. Ich schlenderte zu den Bücherregalen und betrachtete staunend einige wertvolle Erstausgaben. Nach dem ich feststellte, dass einige sogar handsigniert waren, stellte ich sie sofort wieder vorsichtig zurück. Meine Neugierde trieb mich immer tiefer in den Saal, bis ich am Ende einen offenen Kamin sah, in dem ein Feuer brannte. Über ihm hing ein großes Bild. Doch man sah nur den reichverzierten Rahmen, das Bild selbst war von einen Tuch verdeckt. Die moderne Sitzgruppe vor dem Kamin passte irgendwie nicht hierher, nur der Lehnstuhl war wie für dieses… Museum gemacht. Er stand mit dem Rücken zu mir und war schon sehr alt. Hier schien tatsächlich jemand zu wohnen. Ich sah mich weiter um und kehrte zu dem großen, runden Tisch zurück, der so ziemlich in der Mitte des Raumes stand und mir schon bei meinem Eintritt aufgefallen war. Um ihn waren 12 niedrige Stühle mit hohen Lehnen angeordnet. Auf der schwarzen Tischplatte ertastete ich viele tiefe Kerben, als ob Schwerter sie hineingeschlagen hätten. Doch was auf dem Tisch lag, fesselte sofort meine ganze Aufmerksamkeit. Ein Schwert. Und das war nicht nur irgendein Schwert, es war das schönste Schwert, das ich jemals gesehen hatte. Vorsichtig griff ich zu und hob es mit beiden Händen hoch. Es lag überraschend leicht in der Hand und war hervorragend verarbeitet. Als ich es mir genauer ansah, stockte mir jedoch der Atem.
„Kann es denn möglich sein… das ist doch nicht?†œ, flüsterte ich ungläubig.
„Doch, es ist Excalibur†œ, ertönte eine kräftige tiefe Stimme aus dem Lehnstuhl neben dem Kamin. Ein mittelgroßer Mann erhob sich und drehte sich zu mir. Vor Schreck schrie ich auf, ließ das Schwert fallen und sprang einen Schritt zurück. Gott sei Dank bremste der Tisch seinen Fall, und ich schob es schnell wieder in die Mitte. Erwischt! Mein Herz schlug mir bis zum Hals, und ich wurde auf der Stelle puterrot.
„Oh oh, tut mir leid, nichts passiert! Es ist noch ganz. Ich …ich wollte hier nicht so eindringen.†œ Krampfhaft versuchte ich den Besitzer der Stimme auszumachen, wagte mich aber nicht näher an den Lehnstuhl heran. Ich blieb stocksteif neben dem Tisch stehen und redete einfach weiter.

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„Ich werde auch sofort wieder gehen. Tut mir wirklich leid, aber da war diese Tür, übrigens eine sehr schöne, besonders die Vorderseite, die Rückseite habe ich noch nicht gesehen, und die stand offen, nicht heute, aber als wir angekommen sind, also Duncan und ich, da habe ich…†œ Himmel, was redete ich denn da für einen Unsinn?! Der Mann musste mich für eine komplette Idiotin halten!
„Ich verschwinde wohl besser, bevor ich mich noch weiter blamiere†œ, murmelte ich.
„Tut mir wirklich leid, ich wollte Sie nicht stören, ich bin auch sofort wieder verschwunden†œ, sagte ich etwas lauter und ging langsam rückwärts in Richtung Geheimtür. Doch sie war schon wieder verschlossen, und ich hatte keine Ahnung, wie ich sie auf dieser Seite öffnen sollte. Der Mann kam langsam auf mich zu, blieb jedoch mit etwas Abstand vor mir stehen und streckte beide Arme aus.
„Nein, bitte bleiben Sie. Ich würde Sie gerne näher kennen lernen.†œ Seine Stimme klang eigentlich sehr angenehm. Ich blinzelte ein paarmal, konnte aber sein Gesicht nicht erkennen, es blieb seltsamerweise immer im Schatten. Er trug eine schwarze Lederhose und ein weißes Rüschenhemd, wie die Brüder. Seine weißblonden Haare, die fast silbern aussahen, hatte er zu einem Zopf zusammengebunden. Misstrauisch betrachtete ich ihn eingehend. Irgendwas an ihm kam mir bekannt vor, aber ich kam nicht drauf. Er streckte eine Hand einladend aus und bat mich zu der Sitzgruppe.
„Kommen Sie, trinken Sie einen Tee mit mir. Bitte seien Sie mein Gast.†œ Sein Gesicht konnte ich immer noch nicht erkennen. Vielleicht war es ja durch eine Krankheit oder einen Unfall so entstellt, dass er es mit einem Schatten belegt hatte. Höflich wartete er, bis ich mich auf die Kante des Sofas gesetzt hatte, dann erst nahm er mir gegenüber Platz. Er wirkte auf einmal merkwürdig angespannt und schien mich lange zu mustern. Vorsichtig lächelte ich ihn an.
„Danke, Sie sind sehr freundlich, obwohl ich Sie hier so einfach überfallen habe. Äh, mein Name ist übrigens Angie.†œ Ich streckte meine Hand aus, doch er wich kaum merklich zurück, als hätte ich ihm eine giftige Schlange angeboten. Oh, er mochte wohl keinen Körperkontakt, auch gut, dann eben nicht. Ich zuckte mit den Achseln und ließ meine Hand wieder sinken. Ich wollte gerne erfahren, wer er überhaupt war und wie sein Name lautete, wagte es aber nicht, ihn direkt zu fragen. Seine Aura zeugte von ungeheurer Macht, Stärke und Autorität und irritierte mich etwas. Er schien meine Unsicherheit zu spüren, denn plötzlich hob sich der Schatten etwas, und ich erkannte einen lächelnden Mund mit schön geschwungenen Lippen. Der Rest blieb hinter dem ungewöhnlichen Schatten verborgen.
„Ich weiß, wer Sie sind und wie Sie heißen. Ich wäre ein schlechter Gastgeber, wenn ich nicht wüsste, wer sich hier auf meinem Anwesen aufhält.†œ Sein Anwesen? Bedeutete das etwa… oh mein Gott! Ich riss meine Augen auf und starrte ihn ungläubig an.
Er lächelte noch immer und verbeugte sich formvollendet.
„Mein wirklicher Name ist zu kompliziert, den kann niemand aussprechen.
Man nennt mich auch… den Gründer.†œ

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Da ich ihn weiterhin nur stumm anstarrte, neigte er seinen Kopf zur Seite.
„Sind Sie jetzt schockiert?†œ Ich überlegte kurz. War ich schockiert? Nein, eigentlich nicht, also antwortete ich wahrheitsgemäß.
„Nein, nur überrascht.†œ Am meisten über mich selber. Du meine Güte! Erst jetzt fiel mir auf, dass ich eigentlich nie einen Gedanken an ihn verschwendet hatte, seit ich hier auf dem Anwesen war. Das also war der mächtigste Mann in der magischen Welt, der, der alle Fäden in der Hand hielt.
„Warum sind Sie überrascht mich hier zu treffen?†œ
„Weil ich gehört habe, dass Sie noch nie jemand gesehen hat, oder zumindest nur sehr wenige.†œ Drago hatte mir das bei seiner Ankunft auf der Seraphim erzählt und Duncan gehörte wohl auch zu dem erlesenen Kreis, da er hier gewesen war. Seine Lippen kräuselten sich amüsiert, und er legte die Fingerspitzen aneinander.
„Das stimmt… fast. Ich lebe gerne zurückgezogen und verlasse mein Domizil nie. Aber hin und wieder freue ich mich über etwas Gesellschaft.†œ Er beugte sich vor und zeigte seine blendendweißen Zähne, während er lächelte.
„Besonders über so eine hübsche Augenweide wie Sie es sind.†œ
Ich lächelte spontan zurück und fühlte mich fast ein wenig geschmeichelt. Aus seinem Mund klang das nicht wie ein Flirtversuch, sondern einfach nur ehrlich. Sein Schatten vor dem Gesicht hatte sich kein Bisschen bewegt. Eigentlich fand ich es immer unangenehm, wenn ich meinen Gesprächspartnern nicht in die Augen sehen konnte, aber bei ihm störte mich das seltsamerweise nicht so sehr. Ich hätte ihm gerne einige Fragen gestellt und zum Beispiel gerne gewusst, ob er hier alleine lebte, wollte aber nicht zu aufdringlich sein. Auch hatte ich ihn mir eigentlich wesentlich älter vorgestellt, so als alten kauzigen Mann, mit grauen Haaren, obwohl er ja auch nicht alterte wie normal Sterbliche.
„Oh, fragen Sie mich ruhig. Haben Sie keine Angst, ich kann Ihre Gedanken nicht lesen, aber ich sehe es an Ihrem Gesicht, dass Sie darauf brennen, mir Fragen zu stellen. Also nur zu†œ, forderte er mich freundlich auf und lehnte sich dabei wieder zurück.
„Sie sind also ein Dämon.†œ Gut, das war jetzt keine Frage, sondern eher eine Feststellung. Er nickte nur lächelnd. Da entdeckte ich Mythos, der einen kleinen altmodischen Teewagen vor sich herschob. Verblüfft sah ich im entgegen. Wo kam der denn jetzt her? Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Gründer ihm ein verstecktes Zeichen gab. Er fuhr sich wie zufällig mit dem Zeigefinger über seine Lippen. Mythos sah mich kurz verwundert an, lächelte dann aber und schien über meine Anwesenheit nicht weiter überrascht zu sein.
„Oh, hallo Miss Angie, schön Sie zu sehen. Wie möchten Sie ihren Tee?†œ
„Äh… ein Stückchen Zucker und etwas Sahne bitte.†œ Während er den Tee in hauchdünne Tassen einschenkte, sagte er:
„Nicht so bescheiden, Shadow.†œ Er tat Zucker und Sahne dazu, reichte mir die Tasse und setzte mit verschwörerischer Stimme hinzu:
„Er ist sogar der König der Dämonen!†œ Shadow? Das war sein Name? Aber der ist doch nun wirklich ziemlich einfach auszusprechen. Und er war ein König? Jetzt war ich total verwirrt und nippte erst mal an dem heißen Tee, um meine Gedanken zu ordnen. Oh, der hatte aber ein eigentümliches Aroma, dennoch schmeckte er sehr köstlich. Seine melodische Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
„Ich lasse mir den Tee in Indien mischen, das ist eine ganz besondere Sorte. Ja, ich nenne mich Shadow, weil, wie gesagt, mein richtiger Name zu kompliziert ist. Und der Titel König …†œ Er machte eine wegwerfende Handbewegung,
„… ist nicht so wichtig für mich.†œ Mythos schnaubte leise, verbiss sich aber jeden weiteren Kommentar. Verblüfft platzte ich raus:
„Hey, Sie können doch meine Gedanken lesen! Genau das wären meine Fragen gewesen, Mr. Gründer… äh, Majestät! †œWie sollte ich ihn denn nun anreden? Er lachte nur laut, als er Mythos seine Tasse mit dem Tee abnahm.
„Nein, Ihre Gedanken kann ich wirklich nicht lesen. Nennen sie es Intuition oder Menschenkenntnis. Ihr Gesicht ist für mich wie ein offenes Buch. Und nennen Sie mich doch bitte Shadow.†œ Gespannt beugte er sich wieder vor.

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„Doch nun möchte ich etwas mehr über Sie erfahren. Wie gefällt es Ihnen hier?†œ Durch seine geschickten Fragen im Laufe unseres Gespräches, stellte ich verblüfft fest, dass ich viel mehr von mir preisgegeben hatte, als es meine Absicht war. Als ich sah, wie er kurz sein komplettes Gesicht mit dem Schatten überzog, verschluckte ich mich fast an meinem Tee. Plötzlich wusste ich wieder, woher er mir so bekannt vorkam und setzte meine Tasse vorsichtig wieder ab.
„Sie waren das an dem Gedenkstein, stimmt`s? Ich habe Sie da im Schatten gesehen! Aber warum haben Sie sich nicht offen gezeigt?†œ Ich erinnerte mich noch sehr gut an das unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden und wartete gespannt auf seine Antwort. Er ließ mich wieder seinen Mund sehen.
„Ich habe Probleme mit der Sonne†œ, gab er ein wenig unwillig zu und trommelte mit seinen Fingern nervös auf der Lehne.
„Allergie?†œ
„So etwas Ähnliches. Meine Art verträgt direktes Sonnenlicht nicht so gut. Wir gehen zwar nicht sofort in Flammen auf, aber die UV Strahlung kann uns mächtig zusetzten und uns schwächen. Aber genug davon. Erzählen Sie mir von Peru, von dem Einsatz. Duncan hat mir zwar schon Bericht erstattet, aber ich möchte es auch von Ihnen hören. Besonders der Einsatz Ihrer Schwestern interessiert mich. Sweetlife ist manchmal etwas zugeknöpft, was ihre Amazonen betrifft.†œ Ich wollte ihm gerade davon erzählen, als ich mit Entsetzten die kleine antike Uhr an der Wand schlagen hörte. Himmel, schon so spät! Hoffentlich hatte Duncan meine Abwesenheit noch nicht bemerkt oder suchte womöglich nach mir. Ich sprang sofort auf.
„Tut mir leid, aber ich muss gehen. Vielen Dank für den Tee.†œ Ich wollte ihm schon spontan meine Hand reichen, besann mich aber noch schnell auf seine kleine Marotte und nickte ihm nur mit einem Lächeln zu. Er wirkte überrascht, da ich mich so schnell verabschiedete und schien zu überlegen.
„Moment, warum die plötzliche Eile… ah, ich verstehe, †œ sagte er amüsiert und stand auch auf.
„Duncan weiß gar nicht, dass Sie hier sind?†œ Verlegen schüttelte ich mit dem Kopf und wurde schon wieder rot. Er wirkte wieder etwas angespannt, und seine Haltung bekam plötzlich etwas Lauerndes.
„Und? Werden Sie im erzählen, wo und mit wem Sie den Nachmittag verbracht haben?†œ Mh, diese Frage war nicht so leicht zu beantworten.
„Sollte ich nicht?†œ
„Oh, das müssen letztendlich Sie entscheiden, aber… ich würde Ihnen raten, unser kleines Geheimnis vorerst zu bewahren.†œ Oh man, innerlich musste ich über seine Redensweise lachen, doch ich sagte weiter nichts.
„Kommen Sie, ich werde Ihnen zeigen, wie Sie auf dieser Seite die Tür öffnen können. Es gibt natürlich noch einen regulären Eingang durch das Verwaltungsgebäude.†œ Er zeigte auf die ganz normale Tür, durch die Mythos während unseres Gespräches verschwunden war. Aha! Also musste dieser … Saal unter dem Verwaltungsgebäude liegen.
„Und warum kann ich nicht auch durch diese Tür gehen?†œ Schmunzelnd beantwortete er meine Frage.
„Diese Tür führt direkt in einen Fahrstuhl, der Sie in das Büro fährt. Was glauben sie, wie merkwürdig es die Leute dort fänden, wenn Sie dort auf einmal auftauchen würden? Zumal niemand außer Mythos weiß, dass Sie hier bei mir sind?†œ Da musste ich ihm recht geben.
„Wissen Sie, ich liebe Geheimtüren und Geheimgänge. Der Gang, durch den Sie gekommen sind, diente im Mittelalter als Fluchtweg des Ordens. Da sah es hier auf dem Anwesen noch ganz anders aus.†œ Auf dem Weg zur Tür fragte er mich, mit einem sehnlichen Unterton in der Stimme:
„Werden Sie mich wieder besuchen?†œ Verblüfft sah ich in seine Richtung, er schien meine Gesellschaft wirklich zu mögen.
„Wenn Sie es möchten, gerne.†œ
Als wir an dem runden Tisch vorbeikamen, war das Schwert verschwunden. Doch ich beachtete das nicht weiter, da ich nur wieder schnell nach oben wollte. Vor der Wand mit der Geheimtür drückte er einfach auf einen gut sichtbaren Schalter neben dem Rahmen, die Zahnräder summten und die Tür öffnete sich. Ich lachte laut auf. Das war ja einfach! Ich verabschiedete mich von ihm, trat in den Gang und die Tür schloss sich wieder. Die Fackeln brannten und ich ging langsam und nachdenklich dem Ausgang zu. Was für ein merkwürdiger Nachmittag.

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Shadow war wirklich sehr beeindruckend, zwar etwas exzentrisch, aber dabei nicht unsympathisch. Nur als meine Fragen an ihn ein wenig persönlicher wurden, wurde er etwas nervös und antwortete sehr ausweihend. Vielleicht war es einfach so, dass er nicht gerne über sich sprach, und es lag in seiner Natur, aus allem ein Geheimnis zu machen.
Doch ein Problem blieb. Ich blieb stehen. Was sage ich jetzt Duncan? Ich überlegte kurz und schloss dann mit mir einen Handel. Wenn ich vor ihm wieder da sein sollte, würde ich es ihm nicht sagen. Er hatte schließlich auch seine Geheimnisse vor mir! Sollte er jedoch schon auf mich warten und mich fragen, wo ich gewesen war, würde ich es ihm natürlich sagen. Anlügen wollte ich ihn auf keinen Fall! Mit meinem Kompromiss zufrieden, ging ich energisch weiter, bis ich vor der verschlossenen Holztür stand. Mist! Ich hatte ganz vergessen zu fragen, wie die Tür von dieser Seite geöffnet würde. Ich suchte alles ab, aber hier gab es keinen Schalter, nur die mystischen Figuren auf der Tür… hier, auf dieser Seite. Spiegelverkehrt. Aha! Grinsend drückte ich den Code, nur eben andersrum und schon machte es klick. Vorsichtig schob ich meinen Kopf durch den geöffneten Spalt und suchte die Eingangshalle ab. Aber da war niemand. Schnell huschte ich hindurch, schloss leise die Tür und lauschte aufmerksam. Niemand war im Haus. Mit wild klopfendem Herzen ging ich wieder zu meinem Sessel und schlug mein Buch auf. Zwei Minuten später ging die Haustür auf. Puh, das war perfektes Timing! Ich sah neugierig um die Ecke. Es war Duncan, der mich noch nicht gesehen hatte und mit einem breiten Grinsen nach mir rief.
„Angie? Bist du da? Sieh mal, wen ich mitgebracht habe!†œ Das gab es doch nicht! Mit einem Schrei sprang ich auf und stürzte mich ihnen entgegen. Da standen Jean und Tiago freudestrahlend neben Duncan. Ich warf mich einfach in Jeans ausgebreitete Arme und küsste ihn auf beide Wangen. Das leise Knurren von Duncan ignorierte ich.
„Hey Kapitän Wölfchen, schön dich zu sehen.†œ Er sah so gut aus wie immer, drückte mich so fest und lang, dass es gerade noch so eben schicklich war und gab mich nur wiederstrebend frei, als Tiago sich bemerkbar machte.
„Ey, lass mir auch noch was übrig! Komm her, kleine Hexe.†œDer schnappte mich einfach, hob mich hoch und wirbelte mich lachend herum. Oh war es schön, die beiden wiederzusehen! Als Tiago mich wieder auf den Boden stellte, musterte er mich von oben bis unten und sagte schmunzelnd:
„Du siehst sehr hübsch aus, der Urlaub scheint dir gut zu bekommen, meine Süße.†œ Duncans Knurren wurde eine Nuance lauter.
„Ja, ja, schon gut, Großer.†œ Tiago schob mich grinsend in Duncans Arme. Na warte, mein Lieber, dir werde ich helfen! Ich griff mit beiden Händen in seine Haare und zog energisch seinen Kopf zu mir runter. Dann küsste ich ihn, bis er aufstöhnend seine Arme besitzergreifen um mich schlang und den Kuss leidenschaftlich erwiderte. Tiago hörte ich nur sagen sagte:
„Komm Jean, wir gehen lieber. Gleich geht`s hier nicht mehr jugendfrei zu.†œDoch das war nicht der Sinn meiner Kussattacke. Mittendrin löste ich mich von seinen Lippen, drückte seinen Kopf genauso energisch wieder hoch, funkelte ihn vielsagend an und flüsterte:
„Schön brav sein, ja?†œEr grummelte zustimmend. Dann raunte er schmunzelnd in mein Ohr.
„Du kleines Biest! Lektion verstanden.†œ
Ich wand mich wieder zu den beiden Jungs um, hakte sie unter und sagte fröhlich:
„Kommt mit meine Lieben, also das muss unbedingt begossen werden!†œ Ich zog sie mit in die „Lasterhöhle†œ, ließ sie mitten im Raum einfach stehen und ging schnurstracks hinter den Tresen um für jeden von uns einen Drink zu mixen.
„Also, für meinen Schotten einen Whiskey auf Eis…, und wenn ich mich recht erinnere, war das ein eisgekühlter Wodka mit einem Spritzer Limone für dich Tiago, oh und für dich Jean, einen Long Island Icetea… nein, ich werde dir einen NS-Icetea mixen, der schmeckt besser. Ist ein Rezept von Lilli. So, und für mich einen Bacardi-Lemon, mit viel Lemon.†œ Lächelnd hantierte ich eifrig mit den Gläsern und Flaschen, suchte die Zutaten zusammen und achtete nicht weiter auf die Männer.
„Wo war nochmal der Limonensaft? Ach ja, im Kühlschrank.†œ Ich mixte die Drinks und stellte sie auf die Theke. Nur meiner fehlte noch.
„Erzählt doch mal, was machen denn die anderen so? Geht`s ihnen gut? Sind sie auch hier, oder…†œ Ich goss gerade Lemon in mein Glas, als mir die plötzliche Stille auffiel. Irritiert hob ich meinen Kopf und blickte in die entgeisterten Gesichter von Jean und Tiago.

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Sie standen immer noch da, wo ich sie losgelassen hatte und starrten mich an, als ob mir plötzlich zwei Köpfe gewachsen waren. Duncan stand mit gespreizten Beinen und verschränkten Armen neben ihnen und grinste breit. Verunsichert sah ich von einem zum andern.
„Was denn?†œ
Tiago flüsterte entsetzt, ohne mich aus den Augen zu lassen:
„Duncan, was hast du getan?†œ Der Angesprochene zuckte nur gleichgültig mit den Schultern.
Erschrocken stellte ich die Flasche ab und sah mich blitzschnell in dem Raum um, in Erwartung hier irgendwo eine Leiche zu finden, als Jean mit todernster Grabesstimme feststellte:
„Du hast eine Frau hier rein gelassen!†œ
Oh bitte! Ich verdrehte die Augen und erhöhte die Bacardidosis in meinem Glas um einiges mehr.
Tiago und Jean lösten endlich ihren Blick von mir und sahen sich tieftraurig an.
„Mein Bruder… vorbei die Zeit der schmutzigen Witze und den Füßen auf dem Tisch!†œ Jean wischte sich eine imaginäre Träne aus dem Gesicht und jammerte herzzerreißend.
„Keine trashigen Horrorfilme mehr… nur noch Happyendschnulzen.†œ Tiago nickte nur ergeben, legte seinen Arm mitfühlend um Jean und blickte empört zu Duncan.
„Sag nicht, sie hat auch von den Zigarren…†œIch betrachtete mit finsterer Miene diese bizarre Szene und stemmt meine Fäuste in die Seiten.
„Nun kriegt euch mal wieder ein, ja?†œ
Doch sie machten mit dem Theater ungeniert weiter, und ignorierten mich einfach. Duncan dagegen schien sich köstlich zu amüsieren und lachte laut auf!
„Oh mein Gott! Kein Poker mehr? Müssen wir jetzt auf Bridge oder Rommee umsteigen?†œJean sah Duncan ernsthaft fragend an.
„Spielen wir jetzt nicht mehr um Geld, sondern nur noch um Gummibärchen?†œ
So, das reichte! Ich schnappte mir die Drinks und drückte sie Jean und Tiago gegen die Brust.
„Hier, ihr Spinner! Ha ha, sehr witzig! Nun macht euch mal nicht ins Hemd, Jungs! Ich werde schon euren heiligen Tempel nicht entweihen. Ihr könnt auch in Ruhe die netten Bilder hier weiter ansabbern! Ich werde mich hüten und irgendwas verändern oder ungefragt anfassen, ihr… nee, dass sag ich jetzt lieber nicht!†œ Angesäuert wie ich war, kippte ich den Whiskey für Duncan ohne zu überlegen in einem Zug runter… was sich auch prompt rächte. Der Whiskey rannte wie flüssiges Feuer durch meinen Hals, der natürlich gleich anfing teuflisch zu brennen und mir Tränen in die Augen trieb. Mir blieb sofort die Luft weg! Oh Himmel, ich mochte doch gar keinen Whiskey! Mühsam blinzelte ich die Tränen zurück, während ich entsetzt in das leere Glas starrte, in dem nur noch die Eiswürfel schwammen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Zum Glück reagierte Duncan sofort und lenkte die Jungs ab. Er wusste genau, dass ich so scharfe Sachen nicht vertrug, zog mich schnell zum Tresen und schlug mir wie beiläufig leicht auf den Rücken. Er hob mein Glas und sagte:
„Na los, Brüder, probiert mal die Drinks. Cheers! †œ Während ich leise keuchend nach Luft rang, sahen sie ihn misstrauisch an, bevor sie endlich an ihren Gläsern nippten. Doch schnell verzogen sie anerkennen ihr Gesicht und nahmen noch einen tiefen Schluck. Ich hatte derweil Zeit, mich zu erholen und nahm Duncan dankbar das Glas mit Orangensaft ab, das er mir in der Zwischenzeit unauffällig eingeschüttet hatte und trank es fast in einem Zug leer. Tiago und Jean grinsten mich augenzwinkernd an und Tiago lachte.
„Ach Angie, war doch nur Spaß! Es war eben noch nie eine Frau hier.†œ
Als er meinen ungläubigen Blick sah, sprach er weiter.
„Doch, ehrlich, du bist die Erste, die hier einen Fuß über die Schwelle gesetzt hat.†œ Duncan und ich machten es uns auf dem abgewetzten Sofa gemütlich, die Beiden lümmelten sich in die Sessel. Duncan hatte seinen Arm besitzergreifend um mich gelegt, und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter.

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Tiago beugte sich plötzlich vor und sah mir fast hypnotisierend in die Augen.
„So, jetzt kommt aber noch die wichtigste Frage überhaupt.†œ Na, da war ich aber gespannt und unterdrückte mühsam ein Kichern, da der Whiskey bei mir zu wirken begann.
„Cinderella oder Terminator?†œ Spontan antwortete ich gutgelaunt.
„Beides! Je nach Stimmung.†œTiago lehnte sich zufrieden grinsend zurück.
„Gute Antwort! Und nun zu deiner Frage, was die anderen Brüder betrifft. Tim, Eric und Cyrus müssten jetzt im Urlaub sein. Als wir in Miami in unsere Flieger stiegen, trennten sich unsere Wege. Jean und ich müssen hier noch einiges erledigen und sind auch in ein paar Tagen verschwunden.†œ Er erzählte uns noch einige Anekdoten, die sich auf der Seraphim ereignet hatten, als wir schon abgereist waren. Ich mochte ihn einfach gerne, er war immer freundlich, hatte ein sonniges Gemüt und konnte so lustig erzählen, sodass wir öfters laut lachen mussten. Jean dagegen wirkte auf mich ein bisschen in sich gekehrt, als ich ihn verstohlen musterte. Er schien meinen Blick zu meiden und starrte in sein mittlerweile leeres Glas und hörte schmunzelnd zu. Innerlich seufzte ich und hoffte, dass er endlich seine kleine Schwärmerei für mich überwinden würde. Ich wünschte ihm eine liebevolle Gefährtin an seine Seite, eine, die nur für ihn bestimmt war. Denn er war immer noch ein besonderer Freund für mich, so wie Norbert es gewesen war. Plötzlich unterbrach Tiago meine Gedankengänge und machte den Vorschlag für uns das Abendessen zu zubereiten. Begeistert stimmten wir zu, besonders ich, da ich mich an seine kulinarischen Leckerbissen auf der Seraphim noch gut erinnern konnte. Und da wir alle ziemlichen hungrig waren, machten wir uns auch sofort auf den Weg in die Küche. Mary hatte ihren freien Tag, und wir somit ihr Reich ganz für uns. Tiago inspizierte den riesigen Kühlschrank und verdonnerte uns gleich zu niederen Arbeiten wie Gemüse putzen und Tisch decken. Sogar Duncan ordnete sich ihm widerspruchslos unter und hatte seinen Spaß. Erstaunt stellte ich fest, dass er sich eigentlich ganz geschickt in der Küche anstellte. Unter Tiagos Anleitung stand in kurzer Zeit ein köstliches Abendessen auf dem Tisch, das wir uns gut gelaunt schmecken ließen. Es wurde ein sehr lustiger und unterhaltsamer Abend.
Jean machte dann noch den Vorschlag morgen Vormittag einen alten Freund der Brüder zu besuchen, der in der Nähe des Anwesens wohnte. Jean lächelte mich an und sagte:
„Mit altem Freund meine ich wirklich alt. Georg ist ein Mensch, so um die 70, ein ziemlicher Eigenbrötler und ewig nörgelnder Junggeselle, aber eine gute Seele, auf die man sich immer verlassen kann. Er ist einer der wenigen Menschen, die magische Energie spüren und über uns Bescheid wissen. Oh, und er hält sich mindestens ein Dutzend Mäuse als Haustiere. Zumindest waren es so viele, als wir ihn das letzte Mal gesehen haben. Komm doch mit! Aber ich muss dich warnen. Er hat für Frauen nicht viel übrig, er ist ein alter Frauenhasser.†œ
Da brauchte ich nicht lange zu überlegen und kam sofort zu dem Entschluss, dass ich für solche Typen auch nichts übrig hatte! Mäuse als Haustiere… geht`s noch?! Kein Wunder, das Duncan diesen Georg nie erwähnt hatte!
„Oh nein, da bleibe ich lieber hier. Aber zieht ihr ruhig ohne mich los.†œ Duncan sah mich zweifelnd an.
„Sicher? Macht es dir wirklich nichts aus?†œ Beruhigend lächelte ich ihn an. Ich war eigentlich sogar ganz froh darüber, dass die drei morgen beschäftigt waren. So hatte ich die Gelegenheit heimlich bei Shadow vorbeizuschauen. Ich ließ mir nichts weiter anmerken und sagte:
„Nein, natürlich nicht. Ich muss dringend ein bisschen trainieren, sonst roste ich womöglich noch ein.†œ Das war noch nicht mal gelogen. Ich wollte sowieso morgen in das Trainingszentrum, allerdings erst viel später. Als die Angelegenheit geklärt war, verabschiedeten Duncan und ich uns von den beiden und zogen uns zurück.
Am nächsten Morgen versicherte ich Duncan nochmal, dass es mir nichts ausmachte, hier zu bleiben und ich mich auf das Training freute. In Wirklichkeit brannte ich geradezu darauf Shadow wieder zu sehen. Natürlich liebte ich Duncan, er war schließlich mein Gefährte, dass hatte auch nichts damit zu tun, aber irgendetwas an Shadow faszinierte mich dermaßen, dass ich noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen hatte, als ich ungeduldig darauf wartete, bis die Drei sich nach dem Frühstück endlich auf den Weg machten. Duncan küsste mich zum Abschied und sobald sie außer Sicht waren, lief ich sofort nach oben und zog mich um. Ich tauschte schnell meine Trainingsklamotten gegen Jeans und ein schlichtes weißes T-Shirt mit V-Ausschnitt, bürstete mir die Haare und machte mich beschwingt auf den Weg.

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Shadow schien geahnt zu haben, dass ich vorbeikommen würde, denn er begrüßte mich freundlich lächelnd direkt an der Geheimtür. Dann führte er mich gleich zu dem Tisch, der für zwei Personen gedeckt war und der köstlich duftende Tee schon auf mich wartete. Ich freute mich sehr ihn zu sehen, obwohl sein Gesicht wieder zur Hälfte von dem merkwürdigen Schatten verdeckt war. Shadow vermied immer noch jede noch so kleine körperliche Berührung. Dieses Mal war Mythos nicht da, und so goss er den Tee ein. Er schlug seine Beine übereinander, lehnte sich mit seiner Tasse zurück und schien mich aufmerksam zu mustern.
„Sie sind ungewöhnlich… für eine Frau!†œ Ich? Was hatte ich denn so Ungewöhnliches an mir? Verdutzt sah ich an mir runter, konnte aber nichts Besonderes entdecken. Schmunzelnd zeigte er auf meine nackten Füße. Oh! Achselzuckend gestand ich ihm lächelnd, dass ich gern barfuß lief und schon mal vergaß Schuhe anzuziehen. Er schüttelte daraufhin nur amüsiert seinen Kopf. Dann beugte er sich plötzlich vor und fragte mich lauernd:
„Und? Haben sie Duncan gestern von unserer Begegnung erzählt?†œ Seine Anspannung konnte ich förmlich spüren.
„Nein. Aber wenn er mich fragen sollte, werde ich ihm sofort die Wahrheit sagen! Ich würde ihn niemals anlügen.†œ Das hatte ich mir noch immer vorgenommen. Er seufzte tief und murmelte leise:
„Natürlich.†œ
Dann wechselte er das Thema und es wurde ein sehr interessanter Vormittag. Mit seiner angenehmen Stimme erzählte mir nicht nur von seiner Sammelleidenschaft, sondern zeigte mir auch die Gegenstände, die er im Laufe der Jahrhunderte zusammengetragen hatte. Darunter waren viele Dinge von Frauen, berühmten Frauen der Geschichte, die ihm ihre Besitztümer bereitwillig überlassen hatten. Unter anderem besaß er einen kostbaren goldenen Armreif von Elizabeth I., sogar von Kleopatra lag so eine Art Gürtel in einer der Vitrinen. Aha! Demnach hatte er wohl im Laufe seines langen Lebens zahlreiche Affären gehabt, stellte ich innerlich schmunzelnd fest. Er musste schon ziemlich alt an Jahren sein, was man ihm aber in keinster Weise ansah. Auf meine vielen Fragen antwortete er mir immer ausführlich und geduldig. Allzu vertrauliche und private Fragen vermied ich bewusst, da ich mittlerweile wusste, dass er sie nicht mochte. Er schien mir zu vertrauen und im weiteren Verlauf unseres Gespräches bot er mir das Du an. Nur als ich ihn nach dem verhangenen Bild über dem Kamin fragte, verzog er schmerzlich seinen Mund und presste die Lippen zusammen. Seine ganze Haltung war plötzlich abweisend und unnahbar. Wortlos drehte er sich um. Oh, hatte ich da vielleicht an etwas gerührt, was ihm unangenehm war?
„Tut mir leid, das wollte ich nicht†œ, murmelte ich und hätte beinahe meine Hand auf seine Schulter gelegt. Doch er entspannte sich schon wieder und ich überbrückte das verlegene Schweigen, indem ich zu dem großen runden Tisch ging auf dem Excalibur wieder lag. Ich fragte ihn, ob er es wirklich von König Arthur hatte. Shadow war mir gefolgt und antwortete, erleichtert über den Themenwechsel, ganz locker.
„Ja, er hat es mir zur Aufbewahrung gegeben. Auch die Tafelrunde, also den Tisch und die 12 Stühle. Die hat er mir überlassen, als sich die Ritter in alle Winde zerstreut hatten und er mit Genevieve aus Camelot in ein kleines, unbekanntes Schloss umgezogen war. Einen Stuhl, den 13., hat er behalten.†œ
„Momentmal! Gab es nicht, laut Legende, nur 12 Ritter? Und wer war der 13. Ritter? Oh, du Shadow? Ich sah ihn perplex an.
„Ja, ich gehörte auch mit zu der Tafelrunde seinerzeit, allerdings nicht sehr lange… Arthurs Geschichte wurde zur Legende. Dafür haben wir gesorgt, damit er mit seiner Familie in Ruhe und Frieden leben konnte, nachdem die Machtspiele und Kriege unter den Stämmen und Clans fast vorbei waren.†œ
Ich hätte ihm noch stundenlang zuhören können, doch leider war meine Zeit mit ihm viel zu schnell vorbei. Da ich ja noch immer vor hatte in das Trainingszentrum zu gehen, verabschiedete mich von ihm und versprach ihm, so bald wie möglich wiederzukommen. Er begleitete mich noch bis zur Tür. Plötzlich jedoch tat er etwas völlig unerwartetes. Er streckte eine Hand aus und berührte mit seinem Finger ganz sachte meine Wange. Doch genauso schnell wie der Augenblick kam, war er auch schon vorüber. Offensichtlich überrascht von seiner eigenen Geste, drehte er sich abrupt um und murmelte im Weggehen so etwas wie „bis morgen dann†œ. Überrascht sah ich ihm nach und fasste an die Stelle, wo sein Finger mich berührt hatte. Auf der Haut spürte ich ein merkwürdiges Prickeln, das nur ganz langsam nachließ.

Fortsetzung folgt…

Kapitel 1: „Seitensprung der Sisterhood – Ankunft in Schottland

Kapitel 2: Seitensprung der Sisterhood – Das Anwesen der Bruderschaft

findet sich hier.

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Seitensprung der Sisterhood †“ Das Anwesen der Bruderschaft

Seitensprung der Sisterhood

Kapitel 2
Das Anwesen der Bruderschaft

In der Dämmerung wachte ich auf. Duncan schlief neben mir, sein Gesicht war mir zugewandt. Eine seiner großen kräftigen Hände lag zwischen uns auf dem Kissen. Um ihn nicht zu wecken, legte ich meine Hand ganz vorsichtig in seine und musste über den Größenunterschied schmunzeln – Katzenpfötchen auf Bärentatze. Sein würziger Duft hüllte mich ein. Ich konnte nicht widerstehen und strich einige Haarsträhnen, die sein schönes Gesicht bedeckten, zurück. Federleicht fuhr ich mit meinen Fingerspitzen über seine Wangen, die verboten langen Wimpern. Die Sorgenfalten auf seiner Stirn waren verschwunden und er sah total entspannt aus. Wärme durchflutete mich, als ich ihn so betrachtete. Sein Mund war leicht geöffnet und er atmete tief und gleichmäßig … eindeutig zu gleichmäßig ein und aus! Misstrauisch flüsterte ich:
„Duncan? Bist du wach?†œ
„Mh … mh†œ, brummte er und grinste mit geschlossenen Augen.
„Wer kann schon schlafen, mit so einem aufregenden Wecker neben sich†œ, flüsterte er heiser an meinen Lippen.
Plötzlich fielen mir die Ereignisse in der letzten Nacht wieder ein.
„Duncan, du hattest einen Albtraum letzte Nacht. Du hast immer wieder nach mir gerufen und mich gesucht, du … du warst richtig verzweifelt und hast mir angst gemacht.†œ Ich schmiegte mich an ihn und vergrub mein Gesicht an seinem Hals. Er legte eine Hand tröstend auf meinen Kopf.
„Wirklich? Tut mir leid, ich kann mich an gar nichts erinnern.†œ Einige rosa Stofffetzen auf seinem Arm lenkten mich von den Fragen ab, die ich ihm noch stellen wollte, und ich hielt sie ihm entrüstet unter die Nase.
„Duncan, du hast Kitty gekillt!†œ Lüstern sah er mich an und streifte mit seinen Zähnen über die empfindliche Stelle hinter meinem Ohr.
„Also, … daran kann ich mich gut erinnern …†œ Ein leises Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Seufzend stand er auf, zog sich schnell seine Shorts an, öffnete die Tür und verschwand im Wohnzimmer. Kurze Zeit später kam er mit zwei dampfenden Tassen Kaffee wieder, lächelnd zwinkerte er mir zu und reichte mir eine.
„Mit einem schönen Gruß von Mary. Sie bereitet gerade unser Frühstück zu und trifft uns dann im Park. Du hast sie ja im Sturm erobert, was?†œ
„Tja, uns verbindet eine gewisse Abscheu gegen merkwürdiges Essen!†œ Kichernd wich ich dem Kissen aus, das er nach mir warf, und verschwand im Bad.
Für die Zeremonie, die nach dem Frühstück im Park an dem Gedenkstein stattfinden sollte, zog ich meine schwarze Jeans und eine schlichte grüne Seidenbluse an. Die Farbe der Seide passte perfekt zu meinen Augen. Ich legte nur wenig Make-up auf und ließ Duncan zuliebe meine Haare offen.
Dann nahm ich das Tablett mit dem Kaffeegeschirr, um es selbst in die Küche zu bringen, da ich Mary am Vortag angesehen habe wie schwer ihr das Treppensteigen fiel. Duncan hatte sich hinter seinen Schreibtisch gesetzt, um einige Schriftstücke durchzusehen. Gerade als ich mit dem Tablett unten angekommen war, flog die Außentür mit einem großen Knall auf und ein großer Wikinger stand mitten im Rahmen. Natürlich war es kein echter Wikinger, aber er sah genauso aus – groß, muskulös, mit eisblauen Augen und einer blonden Mähne. Er hatte ein schönes Gesicht, eine gerade Nase – nur die Augen standen eine Spur zu dicht zusammen für meinen Geschmack. Seine Jeans und sein Shirt sahen fleckig aus und seine schwarze Lederjacke, die er darüber trug, war ziemlich abgewetzt. Und er hatte einen großen Fehler! Er war eine Fee! Stumm belauerten wir uns gegenseitig. Keiner rührte sich. Dann erschien ein spöttischer Zug um seinen Mund und er sah mich verächtlich an.
„Eine Hexe!†œ Aha, ein Blitzmerker!

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„Eine Fee!†œ, erwiderte ich trocken, nur wusste ich noch nicht genau ob Freund oder Feind. Lässig kam er näher, blieb vor mir stehen, deutete auf das Tablett.
„Es wurde auch Zeit, dass die Hexen für niedere Dienste angestellt werden, damit ihr endlich wisst, wo euer Platz ist!†œ Okay, Feind! Na warte, du arroganter Bursche, das kann ich auch.
„Seit wann dürfen Feen eigentlich den Vordereingang benutzen? Gerade eben aus dem Erdloch gekrochen, was?†œ In seinen Augen glomm urplötzlich Hass auf, und er umklammerte blitzschnell meine Oberarme. Wütend schüttelte er mich derart, dass meine Zähne aufeinander schlugen. Vor Überraschung und Schmerz schrie ich laut auf und ließ das Tablett fallen. Mit so einer heftigen Reaktion hatte ich nicht gerechnet! Was sollte das, wir kannten uns doch gar nicht? Mit zusammengekniffenen Augen zischte er:
„Du verdammtes Biest! Dir werde ich´s …†œ Weiter kam er nicht, denn plötzlich erfüllte ein derartig lautes Knurren den Raum, dass es von den Wänden nur so widerhallte. Schlagartig wurde ich aus seinem Griff befreit und er klebte an der gegenüberliegenden Wand. Duncan hielt mit einer Hand seinen Hals umklammert, die andere hatte er zur Faust geballt und hielt sie ihm unter die Nase. Langsam schob er ihn die Wand hoch.
„Wage es noch einmal sie anzufassen, und ich breche dir sämtliche Knochen!†œ Duncan war außer sich vor Zorn und bebte am ganzen Körper. Er war nicht wesentlich größer als der Wikinger und hielt seinen Hals eisern umklammert.
„Solltest du meiner Gefährtin noch einmal weh tun, reiße ich dir den Kopf ab! Hast du das verstanden?†œ, warnte er ihn mit gefährlich ruhiger und eiskalter Stimme. Ihre Gesichter berührten sich fast und Duncan zeigte ihm seine ausgefahrenen Fänge. Mir lief ein Schauer über den Rücken. Der Wikinger sah ihn erschrocken an, dann nickte er. Duncan lockerte den Griff etwas und verlangte auf der Stelle eine Entschuldigung von ihm. Dieser sah kurz zu mir rüber und krächzte dann ungläubig:
„Sie ist deine Gefährtin? Das konnte ich doch nicht wissen. Okay, tut mir leid.†œ Ja klar, wer`s glaubt!
„Ihr Name ist Angie und sie gehört zu mir! Vergiss das ja nie!†œ Er stieß in noch einmal zur Bekräftigung gegen die Wand, dann ließ er ihn los und trat einen Schritt zurück, behielt ihn jedoch im Auge. Er beruhigte sich langsam und ich stieß den Atem aus, den ich vor Schreck unwillkürlich angehalten hatte. Die Situation entspannte sich allmählich.
„Momentmal, ist sie die Angie, die den Troll einen Kopf kürzer gemacht hat?†œ So etwas wie Respekt blitze kurz in seinen Augen auf, als er mich von oben bis unten musterte, doch sofort wurde seine Miene wieder gleichgültig. Duncan nickte nur.
„Angie, dieser Vollidiot ist Leif, unser Spion bei den Söldnern.†œ Was sollte ich dazu sagen? Dieser Widerling war der Spion, der für die Brüder arbeitete? Gut, das musste ich akzeptiren, ob es mir nun gefiel oder nicht. Aber diese halbherzige Entschuldigung reichte mir längst nicht! Also hob ich das Tablett mit einem kräftigen Schwung auf, so dass es zufällig genau mit der Kante gegen Leifs Ellbogen stieß und einen empfindlichen Nerv traf. Er fluchte unterdrückt und rieb sich den Ellbogen. Böse funkelte er mich an, hütete sich jedoch irgendetwas zu sagen. Unschuldig erwiderte ich seinen Blick.
„Oh Verzeihung, das tut mir jetzt aber schrecklich leid, wir Hexen sind ja so ungeschickt!†œ In aller Seelenruhe sammelte ich das Geschirr auf, das wie durch ein Wunder nicht zerbrochen war und küsste den verdutzten Duncan auf die Wange. Den Wikinger würdigte ich mit keinem Blick. Dann drehte ich mich auf dem Absatz um und stolzierte in die Küche.

Im Esszimmer fanden wir den Tisch liebevoll von Mary mit allerlei Köstlichkeiten gedeckt vor. Mit einer Handbewegung lud Duncan diesen Leif ein mit uns zu frühstücken. Als er meinen entsetzten Gesichtsausdruck sah, nahm er meine Hand und versicherte mir leise:
„Er ist sonst nicht so. Eigentlich ist er ein ganz umgänglicher Kerl, ich weiß auch nicht, was eben in ihn gefahren ist. Bitte!†œ Widerwillig gab ich nickend meine Zustimmung und er drückte meine Hand.
„Später haben wir noch eine kleine Konferenz, in der er uns Bericht erstatten will und ich möchte dich auch dabei haben†œ, sagte er dann etwas lauter.
„Vielleicht könnt ihr beiden ja eine Art Waffenstillstand schließen?†œ Duncan sah uns auffordernd an. Okay, an mir sollte es nicht liegen. Ich musste ihn ja nicht mögen, wenn ich mit ihm zusammen arbeiten sollte.

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Den gleichen Gedanken musste Leif auch gehabt haben, denn wir nickten uns gleichzeitig zu, gaben uns aber nicht die Hand darauf. Leif ließ demonstrativ zwei Stühle Platz zwischen uns frei und füllte sich schweigend seinen Teller.
„Na, jetzt bin ich aber gespannt, ob Wicki auch mit Messer und Gabel umgehen kann†œ, murmelte ich leise. Das konnte ich mir nicht verkneifen! Kurz darauf gesellte sich Mythos noch zu uns und begrüßte mich überschwänglich mit einer herzlichen Umarmung. Er versicherte mir mehrmals, wie schön er es fand, mich endlich wiederzusehen. Seine Begeisterung darüber mich wieder zu sehen machte mich zwar etwas misstrauisch aber vielleicht entsprach das einfach nur seinem Naturell. Ich hatte ihn das letzte Mal auf der Insel bei der Trauerfeier gesehen und fand ihn sympathisch. Er hatte ein offenes freundliches Gesicht und kluge Augen. Leif gab er einen freundlichen Klaps auf die Schulter, und Duncan nickte er nur kurz zu. Mir kam der Gedanke, dass er der Anrufer vom Vorabend gewesen sein könnte und Duncan somit schon gesehen und gesprochen haben konnte. Mit einer Tasse Kaffee setzte er sich zu uns und lächelte in die Runde. Dann zeigte er fragend auf die leeren Stühle zwischen Leif und mir. Wicki goss sich gerade in aller Ruhe ein Glas Milch ein und stellte dabei mit vollem Mund fest:
„Hier ist die Luft einfach besser!†œ
Grimmig umklammerte ich mein Messer und biss die Zähne zusammen, legte es dann aber wieder langsam neben meinen Teller. Ich wollte mich nicht von ihm provozieren lassen, aber er hatte es ja nicht anders gewollt!
„Nein, es wäre zu schade um das schöne Messer. Darf ich ihn stattdessen mit etwas Marmelade bewerfen? Die ist auch schön rot! … oh bitte!†œBeschwörend sah ich Duncan an, doch der verdrehte nur seine Augen und nahm sich ein Croissant. Wicki schnaubte verächtlich und zerknüllte seine Servierte.
„Vermutlich trifft sie nicht mal!†œ
Ganz ruhig bleiben! Ich pickte schnell mit meiner Gabel etwas von dem Rührei auf, um sie nicht gezielt in seine Richtung zu werfen und seine Rippen zu durchbohren. Mythos blickt irritiert von einem zum andern.
„Hab´ ich was verpasst?†œ
Duncan lehnte sich seufzend mit verschränkten Armen zurück und sagte ironisch:
„Nein, nicht wirklich. Wir haben gerade die zweite Runde eingeläutet!†œ Wicki ließ sich überhaupt nicht stören und trank einen Schluck Milch. Sofort verzog er betont angewidert sein Gesicht.
„Hier hat jemand die Milch sauer werden lassen, und ich weiß auch schon wer!†œ
„Pass bloß auf, dass ich dir nicht eine fette Warze dahin hexe, wo du gerade drauf sitzt, du Blödmann†œ,  murmelte ich ohne aufzusehen vor mich hin und stocherte verbissen in meinem Rührei herum. Duncan gab resigniert auf und schlug mit der flachen Hand ungehalten auf den Tisch.
„Ich geb auf! Oh Mann, der Waffenstillstand hat ja lange gehalten!†œ Ich bearbeitete weiter mein Rührei und zeigte mit dem Finger auf Leif.
„Er hat angefangen!†œ Duncan beugte sich nach vorne und sah ziemlich genervt aus, aber das war ich mittlerweile auch.
„Es ist mir egal, wer angefangen hat, ich werde es beenden. Mythos?†œ Der Angesprochene grinste nur und wusste genau, was er zu tun hatte. Er stand auf, packte Wicki am Arm und zog ihn hinter sich her. Diese Kräfte hätte ich dem kleinen Mann jetzt nicht zugetraut. Leif warf noch schnell seine Servierte auf den Tisch und rief empört:
„Hey, langsam…ich bin doch noch nicht fertig!†œ Mythos nickte entschlossen.
„Jetzt schon!†œ
Kichernd blickte ich hinter den beiden her, das Bild war einfach zu köstlich. Der Große ließ sich von dem kleinen Mythos ans Händchen nehmen und widerstandslos abführen. Ich konnte mich gerade noch zurückhalten, sonst hätte ich Beifall geklatscht. Doch als ich Duncans Blick sah, verging mir das Lachen. Unbehaglich zerbröselte ich meinen Toast. Ich gab ja zu, dass ein friedliches, harmonisches Frühstück etwas anderes war, und vielleicht hatte ich ein bisschen übertrieben, aber dieser dämliche Leif trieb mich bis zur Weißglut. Duncan seufzte und sah mich eindringlich an.
„Was ist bloß los mit dir? Angie, so kenne ich dich gar nicht.†œAlso, so richtig sauer klang das jetzt zum Glück nicht, und er hatte ja recht.
„Ich mich ja auch nicht. Ach ich weiß auch nicht, aber dieser Kerl fördert eine fiese dunkle Seite in mir zu Tage, von der ich noch nicht mal wusste, dass ich sie besitze.

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Er ist wie ein rotes Tuch für mich. Dabei ist er ja noch nicht mal eine Fee von der gemeinen Sorte. Er hat nur irgendetwas an sich, das mich dermaßen reizt, dass ich kurz davor stehe, ihm an die Kehle zu gehen.†œ
Ob Duncan jetzt doch wütend auf mich war? Vorsichtig  beobachtete ich ihn über den Rand meiner Kaffeetasse. Ruhig erwiderte er meinen Blick und ich sah erleichtert, dass sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln verzogen. Plötzlich hörte ich ein amüsiertes Glucksen von ihm.
„Eine Warze? Du hättest ihm tatsächlich eine Warze an seinen Hintern gezaubert? So was kannst du?†œ
„Oh ja, das ist eine meiner leichtesten Übungen. Sogar eine Warze mit Haaren drauf, oder eine schöne schmerzhafte Furunkel!†œ Ich stimmte in Duncans Lachen ein, und meinte noch, dass sich für Wicki dann das Sitzen eine Weile erledigt hätte. Kopfschüttelnd legte er seine Hand auf meine und sagte:
„Wir haben hier ein Gesetz, das uns jede Art von Magie und Zauberei verbietet, damit jeder auf dem Anwesen bei den Auswahlkriterien und bei der Ausbildung die gleiche Chance hat. Und jeder hält sich daran, ohne Ausnahme.†œ
„Eigentlich schade! Na ja, in meinem Fall jetzt. Aber hier für euch ist es nur gerecht. Sag mal, warum hat Mythos Wicki eigentlich nach oben gebracht, und ihn nicht einfach vor die Tür gesetzt?†œ
„Solange er hier ist, wohnt er immer in Tims Apartment. Er wird erst mal duschen wollen und sich umziehen. Er war die ganze Nacht unterwegs, um hierher zu kommen. Aber zu deiner Beruhigung, er wird morgen, spätestens übermorgen wieder verschwunden sein.†œ Okay, diese zwei Tage werde ich schon überstehen ohne auszurasten, ich musste mich bloß von ihm fernhalten.
Ich stand auf, stellte mich hinter Duncan, schlang beide Arme um ihn und drückte einen Kuss auf seinen Kopf.
„Tut mir leid um das schöne Frühstück†œ, flüsterte ich und rieb meine Wange an seiner. Auf seiner Armbanduhr sah ich, dass wir noch genug Zeit hatten, bis wir uns im Park mit den anderen treffen wollten. Also machte ich ihm den Vorschlag, dass wir einen kleinen Spaziergang machen und er mir schon mal etwas von dem Anwesen zeigen konnte. Die ausführliche Besichtigung war für den Nachmittag geplant.
Die Sonne schien vom wolkenlosen blauen Himmel, und es war noch schön warm, obwohl schon ein Hauch von Herbst in der Luft lag. Die Blätter an den Bäumen fingen an sich zu verfärben und die Rosen, die hier überall in allen nur erdenklichen Farben blühten, verströmten einen so intensiven Duft, als wüssten sie, dass ihre Zeit bald vorbei sein würde und sie in wenigen Wochen von Mutter Natur in den Winterschlaf geschickt würden. Wir schlenderten an dem Trainingszentrum vorbei und an der angrenzenden Schwimmhalle, von der Duncan mir versicherte, dass sie Olympiamaße hatte. Das Verwaltungsgebäude sah sehr beeindruckend  aus, fast wie eine alte Villa im Jugendstil. Die wenigen Leute, die uns unterwegs begegneten, grüßten freundlich im Vorbeigehen und warfen mir einen kurzen neugierigen Blick zu. Aber das störte mich nicht weiter, denn die üppigen Rosenbeete hatten es mir angetan, und ich konnte kaum widerstehen jede einzelne Blüte zu berühren oder an ihr  zu schnuppern. Ich war total begeistert und strahlte Duncan an.
„Duncan, hier gefällt es mir, es ist einfach wunderschön.†œ
Er umarmte mich und küsste mich auf die Stirn.
„Das freut mich, mein Herz. Das Anwesen ist zu meiner zweiten Heimat geworden, und ich komme immer wieder gerne nach einem Einsatz hierher zurück. Schade, um dir das Dorf der Zwerge zu zeigen, reicht leider die Zeit nicht mehr. Lass uns umkehren, der Rosenpark wartet.†œ
Der Park, in dessen Mitte der schwarze Marmorstein stand, war nicht besonders groß, aber sehr eindrucksvoll gestaltet. Überall standen auf der sorgsam gestutzten Rasenfläche viele kleine Rosenbüsche und bildeten ein wunderschönes, aber auch irgendwie geheimnisvolles Muster. Umrahmt wurde der Park von hohen Eichenbäumen, die im Sommer kühlen Schatten spendeten. Zwischen den Bäumen wuchsen hochstämmige Rosenbäumchen, die auch den schmalen Kiesweg säumten, der vom Eingang direkt bis zu dem Stein führte. Hier hatten die Rosen sinnigerweise nur eine Farbe, ein samtiges Blutrot. Der rechteckige Stein war sehr schlicht und hatte eigentlich nichts Besonderes an sich, außer den Namen, die darauf in einer fremdartigen Schrift standen. Die Buchstaben schienen aus purem Gold zu sein, und oben auf dem Stein saß ein steinerner Pegasus. Er ließ seinen Kopf traurig hängen, seine Flügel hatte er zu beiden Seiten aufgestützt. Anders als bei der Trauerfeier und der Beisetzung,  ging es diesmal ziemlich formlos zu, und es waren auch nur wenige Personen anwesend. Mythos, Duncan, Leif, Henry, Mary und ich betrachteten abwartend den Stein.

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Ich wusste nicht, was nun passieren würde, und gerade, als ich Duncan danach fragen wollte, erschien wie auf ein geheimes Zeichen aus dem Nichts eine kleine helle Flamme und fing an, die Namen von Norbert und Bowen unter die Namen der anderen, die auch ihr Leben im Kampf gelassen hatten, zu brennen. Oh Gott, es waren so viele, bestimmt an die 100 Namen waren schon eingraviert. Traurig beobachtete ich, wie der Norberts Name zuerst auf dem Stein erschien. Immer noch erschütterte mich die Art seines Todes. Ich konnte nur mühsam meine Tränen zurückhalten und biss mir auf die Unterlippe. Oh Norbert, es tut mir so leid.
Plötzlich spürte ich ein leichtes Prickeln in meinem Nacken. Jemand musste hinter mir stehen und mich beobachten. Verstohlen musterte ich die Anwesenden, doch alle starrten mit ernster Miene auf den Stein. Mary wischte sich verstohlen mit einem Tuch über die Augen und klammerte sich an Henry. Mythos sah sehr ergriffen aus und sogar Wicki, der sich mittlerweile umgezogen und seine Mähne zu einem Zopf gebändigt hatte, sah mit tiefem Ernst und sichtlich bewegt auf den Stein. Also blickte ich vorsichtig über meine Schulter und suchte die Umgebung ab, aber ich konnte zunächst niemanden entdecken. Doch, da bewegte sich etwas zwischen einem Rosenbäumchen und einer Eiche! Ein Schatten, der die Umrisse eines mittelgroßen Mannes hatte. Ich blickte kurz zu Duncan, ob er auch etwas bemerkt hatte, doch er war ganz vertieft und beobachtete die Flamme. Als ich erneut über meine Schulter sah, war der Umriss von dem Mann verschwunden. Hatte ich mich getäuscht? Nein, da war jemand gewesen, da war ich mir ganz sicher, denn das unheimlich Gefühl heimlich beobachtet zu werden, dieses spezielle Prickeln in meinem Nacken, hatte ich mir nicht eingebildet! Doch niemand außer mir schien etwas bemerkt zu haben. Um die Zeremonie nicht zu stören, beschloss ich den Vorfall zunächst für mich zu behalten.
Kurze Zeit später zerstreute sich die kleine Gruppe, und nachdem Duncan noch einen letzten traurigen Blick auf den Gedenkstein geworfen hatte, legte er einen Arm um mich und sagte auffordernd:
„Komm, der Konferenzraum wartet.“ Duncan führte mich zurück zum Haus. Direkt rechts neben dem Eingang in der großen Halle befand sich die Tür zu dem Konferenzraum. Aber viel interessanter fand ich die Tür daneben. Auf ihr klebte in Augenhöhe das Label einer bekannten Whiskeymarke, Jack Daniels!
„Und, wo geht es da hin?†œ Ich hatte schon die Hand auf der Klinke, als Duncan mich zurückzog und meinen neugierigen Blick verdächtig unschuldig erwiderte.
„Och, das ist nichts Besonderes, nur unser … äh, Freizeitraum.†œ Ach ja? Was für eine altmodische Bezeichnung. Mit hochgezogenen Brauen sah ich ihn abwartend an, doch er küsste erst meine Hand, dann meinen Mund und flüsterte grinsend:
„Später. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.†œ Ganz toll, jetzt war meine Neugierde erst recht geweckt! Was sich wohl hinter der Tür zu dem komischen „Freizeitraum†œ verbarg? Aber er hatte recht, zuerst musste die Sache mit den Söldnern geklärt werden, und auf den Bericht von Wicki war ich schon mächtig gespannt.
Der Konferenzraum selbst war im Verhältnis zu den anderen Räumen hier im Haus eher klein. In der Mitte stand nur ein ovaler Tisch mit 20 Stühlen und eine Flipchart, mehr nicht. Ein großes Fenster spendete genügend Licht. Die schweren Vorhänge blieben hier aufgezogen, anders als bei anderen geheimen Zusammenkünften. Mythos und noch jemand saßen schon auf ihren Plätzen, als Duncan und ich eintraten. Mythos stellte mir den unbekannten Mann als Demetri vor. Dieser Demetri war ein hochgewachsener Mann mit kurzgeschnitteneren honigbraunen Haaren und Augen in der gleichen Farbe. Ich fand das ziemlich ungewöhnlich, aber es sah interessant aus. Er reichte mir die Hand und schüttelte meine mit festem Händedruck.

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Sein Allerweltsgesicht und auch seine Kleidung waren eher durchschnittlich, und er wirkte ziemlich unscheinbar auf mich. Bis ich seine Stimme hörte.
„Freut mich, Sie kennenzulernen, Miss Angie. Meinen Namen wissen Sie schon, aber bestimmt nicht, welche Rolle ich hier spiele.†œ Völlig baff konnte ich ihn nur mit offenem Mund anstarren. Dieser Mann hatte einen leichten russischen Akzent und die melodischste Stimme, die ich je gehört hatte. Sie zog mich sofort in seinen Bann, sodass ich meine Augen nicht von ihm abwenden konnte. Mit dem Klang seiner Stimme brachte er bestimmt Eisberge zum Schmelzen und jede andere Frau dazu, ihm vor die Füße zu fallen, oder sich hemmungslos in seine Arme zu werfen. Zum Glück war ich schon meinem Schotten verfallen und Duncans leises gereiztes Knurren löste mich endgültig aus der Starre, in die ich trotzdem gefallen war.
„Genug! Demetri, sie ist eine von uns! Also lass es!†œ Ich blinzelte verwirrt und der Bann war augenblicklich gebrochen. Demetri sah mich entschuldigend an und sagte:
„Oh, tut mir leid, die Macht der Gewohnheit. Ich bin ein Dämon der Sinne.†œ Vielsagend tippte er sich an die dunklen kleinen Höcker auf seinem Haaransatz, die mir zuerst gar nicht aufgefallen waren. Wow, kleine niedliche Hörner. Gleich musste ich an Ef-Ef, unseren kleinen Hamster-Dämon denken. Ob er ihn wohl kannte? Ich musste ihn später mal danach fragen.
„Mit meiner Stimme kann ich jeden Verdächtigen zum Reden bringen und erkenne gleichzeitig, ob er die Wahrheit sagt. Tja, und ich bin hier auf dem Anwesen der Administrator†œ, setzte er noch mit einem sympathischen Lächeln hinzu. Seine Stimme hatte sich etwas verändert, sie war nicht mehr so betörend, aber immer noch sehr klangvoll. Wie setzten uns und warteten auf die Fee. Endlich erschien auch Leif und ging gleich zum Kopf des Tisches ohne nach rechts und links zu blicken. Er stellte sich mit verschränkten Armen in Position und fing sofort an zu berichten.
„Vor ein paar Monaten sind 16 Söldner mit ihrem Anführer verschwunden, ohne dass die anderen davon wussten. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Teil der Truppe sich absetzt und woanders kämpft, ohne den Rest zu informieren. Im Grunde sind alle Einzelkämpfer sind, die sich nicht im Geringsten um ihre Kampfgefährten scheren. Nur bei einem gemeinsamen Auftrag kämpfen zusammen. Diesmal konnte ich nicht rechtzeitig in Erfahrung bringen, wohin sie aufgebrochen sind. Niemand hatte geahnt, dass sie sich Dungeon angeschlossen hatten und wusste wo sie zuschlagen würden. Sie haben sich so in sein Gefolge integriert, dass sie nicht weiter aufgefallen waren. Den Rest der Truppe hatte ich soweit unter Kontrolle, dass ich sie überzeugen konnte, sich ruhig zu verhalten. Bis die Nachricht von dem großen Kampf in Peru und dem Tod des Anführers eintraf. Einer von den Söldnern konnte verletzt entkommen und hat mit mir Kontakt aufgenommen, bevor er starb.†œ Verwundert sahen Duncan und ich uns an. Einer konnte entkommen? Neugierig fragte ich Leif:
„Wie denn? Ich dachte wir hätten da gründlich aufgeräumt? Meines Wissens ist nur Dungeon entkommen, weil er…†œ, plötzlich hatte ich eine Eingebung!
„Oh, es war eine Fee? Und er ist auch geflogen, so wie der Drache, richtig?†œ Leif sah mich lauernd an, und wartete auf eine ironische Bemerkung von mir. Doch das hier hatte nichts mit unserem Kleinkrieg zu tun, dies war bitterer Ernst. Also erwiderte ich seinen Blick ruhig und professionell. Er wirkte kurz verunsichert und räusperte sich. Als er mir zustimmte, klang seine Stimme wieder genau so fest wie zu Beginn seines Berichtes.
„Ja, genau. In dem ganzen Tumult, konnte er unbemerkt fliehen und sich bis Veracruz in Mexico durchgeschlagen. Dort hat er sich mit mir getroffen und mir alles berichtet. Leider war ich nicht alleine mit ihm, und so konnte sich die Nachricht, dass du den Troll auf dem Gewissen hast, sehr schnell verbreiten und erreichte den Rest der Truppe. Irgendwie haben die Feen, die hier ansässig sind, davon erfahren, dass eine Handvoll Söldner jetzt hierher unterwegs ist, um ihren Anführer zu rächen. Ich konnte sie erst mal auf eine falsche Spur lenken, aber ich weiß nicht, wie lange das anhält. Also müssen wir warten und auf der Hut sein.†œ Nachdenklich sah ich ihn an.
„Woher wissen die Kerle, dass ich hier bin? Und was ist aus dem Typ geworden, der entkommen ist, lebt er noch?†œ

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Er schüttelte den Kopf und sagte kaltlächelnd:
„Sie wissen nicht, dass du hier bist, sie vermuten es nur. Und was den Söldner betrifft, der musste etwas gemerkt haben und wollte meine Tarnung auffliegen lassen, also habe ich seinen Tod etwas beschleunigt.†œBeruhigt nickte ich. Das war zumindest eine gute Nachricht. Duncan erhob sich und sagte mit seiner tiefen Stimme:
„Danke, Leif, jetzt wissen wir Bescheid und können uns darauf einstellen. Du behältst die Söldner weiter im Auge und meldest dich sofort, wenn sich etwas tut. Gute Arbeit, mein Freund. Das war`s dann für heute.†œ Er nickte noch einmal in die Runde, und die kleine Versammlung löste sich auf. Mythos ging mit uns zur Tür und Demetri gesellte sich zu Leif, der immer noch am Kopf des Tisches stand. Ich konnte hören, was Leif zu ihm sagte. Er bemühte sich noch nicht mal seine Stimme zu senken. Bestimmt wollte er sicher sein, dass ich es auch ja mitkriegte.
„Na gut, dann spiele ich eben den Wachhund für die Hexe. Die haben doch außer ein paar dämlichen Zaubersprüchen eh nicht viel drauf. Ohne die sind sie so hilflos wie ein Baby.†œ Abrupt blieb ich stehen und drehte mich langsam um. Das war`s du Mistkerl, es reichte mir endgültig! Zu meinem Glück und seinem Pech trug ich immer eines meiner kleinen Wurfmesser gut versteckt in meinem Gürtel bei mir. Unauffällig zog ich es hervor, visierte kurz sein Profil an, dann warf ich es locker aus dem Handgelenk … und schon steckte das Messer neben seinem Kopf in der Wand. Dabei hatte es im Vorbeiflug sein Haarband zerschnitten. Erschrocken fasste sich Wicki an seinen gelösten Zopf, dann sah er das Messer, das zitternd in der Wand steckte. Ich stellte mich vor ihn hin, ignorierte sein wütendes Gesicht und sagte, obwohl ich innerlich vor Wut kochte, völlig ruhig:
„DAS mein Lieber, war keine Hexerei, DAS war Können! Und du… kannst mich mal!†œ Ich blickte im fest in die Augen, und holte schon aus, um ihn noch kräftig gegen das Schienbein zu treten, da zog mich Duncan im letzten Moment zurück.
„Komm, Angie, er hat`s verstanden!†œ
Grimmig umklammerte er meinen Oberarm, reichte mir auf dem Weg zur Tür mein Messer, das er unbemerkt aus der Wand gezogen hatte und beförderte die Tür von außen mit einem kräftigen Tritt ins Schloss. Unerbittlich in seinem Zorn riss er mich mit sich in den Freizeitraum und trat auch diese Tür hinter uns zu. Dann drückte er mich mit meinem Rücken an die Tür. Beängstigend groß und drohend stand er vor mir, sah mich wütend an und brüllte gleich los.
„Verdammt noch mal! Wie konntest du nur so die Beherrschung verlieren! Mit dem Messer? Und wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du ihn auch noch getreten! Wie professionell ist das denn?†œ Oh oh. Ich zog meinen Kopf ein und traute mich nicht ihn anzusehen. Innerlich schrumpfte ich auf die Größe einer Maus. Ich wollte nicht, dass er wütend auf mich war, ich wollte doch nur… Oh Himmel, wie konnte das eben in dem Verhandlungsraum nur passieren? Ich biss mir auf die Lippe und versuchte erfolglos meine Tränen runterzuschlucken. Doch er war noch nicht fertig.
„Willst du etwa jetzt immer mit dem Messer auf ihn losgehen, wenn er eine schwachsinnige Bemerkung von sich gibt?†œNatürlich wollte ich das nicht. Stumm schüttelte ich den Kopf. Dabei fixierte ich seine muskulöse Brust, die sich durch sein heftiges Atmen hektisch hob und senkte. Diesmal war er zu Recht wütend auf mich, und das konnte ich nicht ertragen. Leif war mir egal, aber er doch nicht. Mein schlechtes Gewissen regte sich, und ich schämte mich, weil ich mich so hatte gehenlassen. Schniefend wischte ich mir die Tränen ab.
„Sieh mich an†œ, forderte er leise. Unsicher hob ich den Blick und sah ihm direkt in seine dunklen Augen. Er umfasste mein Kinn und seufzte.
„Ach, Angie, manchmal könnte ich dich übers Knie legen, aber wenn du mich dann so ansiehst… und sag jetzt bloß nicht wieder, dass es dir leid tut.†œ Unglücklich seufzte ich tief und wollte nur noch, dass er mir Verzeiht, und alles wieder zwischen uns in Ordnung war.
„Tut es aber. Nicht das mit dem Messer, na ja, ein bisschen schon, aber das du so wütend auf mich bist. Duncan, ich wollte doch wirklich nicht…†œ Weiter kam ich nicht, denn er streifte mit seinen Lippen meinen Mund und murmelte:
„Sei still, kleine Hexe.†œ Duncan hob mich hoch und ich schlang meine Arme um seinen Hals und die Beine um seine Taille. Eine Hand legte er auf meinen Hinterkopf, die andere landete auf meinem Po. Dann küsst er mich, dass mir Hören und Sehen verging, alles um mich herum verschwand und sich in nichts auflöste. Es gab nur ihn und mich. Nach einer Ewigkeit löste er schweratmend seine Lippen von meinen und flüsterte:
„Wenn wir jetzt nicht die Notbremse ziehen, kann ich für nichts mehr garantieren.†œGlücklich schmiegte mich an ihn und öffnete langsam meine Augen. Verwirrt sah ich mich um und wusste im ersten Moment nicht wo ich war. Oh, das musste der so genannte „Freizeitraum†œ sein!

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Ich löste meine Umklammerung und Duncan stellte mich sanft zurück auf den Boden, hielt mich aber immer noch fest und verdeckte mir so die Sicht auf das Zimmer mit seinem Körper. Ungeduldig wollte ich ihn zur Seite schieben, aber er bewegte sich keinen Millimeter. Als ich ein bisschen nachhalf und ihn nicht ganz so liebevoll in die Seite zwickte, gab er seufzend nach und trat zur Seite. Ohne ein Wort zu sagen, sah ich mich aufmerksam um. Durch eine riesige Fensterfront an einer Seite fiel Licht hinein und machte den Raum groß und hell. Ich erkannte sofort, dass ich mich in einer Männerdomäne befand. Duncan verfolgte jeden meiner Schritte genau, blieb aber an der Tür stehen. Ich schlenderte zu der kleinen Bar, die in einer Ecke untergebracht war und betrachtete ausführlich die gut bestückten Regale mit allen Whiskey-Sorten, die man sich nur vorstellen konnte. Ich schob einen der 4 Barhocker zur Seite und beugte mich über den Tresen.
„Oh, ihr habt sogar eine Zapfanlage hier? Doch wohl nicht für das Bier hier auf der Insel, oder?†œ Ich warf ihm einen entsetzten Blick zu, doch zu meiner Beruhigung schüttelte er lächelnd den Kopf.
„Nein, wir lassen uns das Bier immer aus Deutschland kommen. Die haben nun mal das Beste!†œ Bravo!
„Aber wir benutzen die Anlage selten, uns reicht Flaschenbier.†œ
Ein leichter Tabakduft lag in der Luft. Und schon entdeckte ich an der Wand neben der Bar einen Humidor aus Mahagoniholz, in dem Zigarren verschiedener Größen aufbewahrt wurden. Neugierig ließ ich meinen Blick weiterschweifen und konnte nur staunen. Hier hatte man wirklich an alles gedacht, was das Männerherz begehrte. Ein runder Pokertisch, auf dem noch Jetons gestapelt waren, ein Billardtisch, einige Sessel mit Beistelltischchen, auf denen eine Leselampe angebracht war und Aschenbecher standen befanden sich in dem Raum. Sogar ein alter Flipperautomat stand neben einer Musikanlage, von der ich nur träumen konnte. Die dazugehörigen Boxen waren so geschickt und unauffällig im Raum verteilt, das man bestimmt einen fantastischen Klang hatte. Der CD-Turm neben der Anlage war sehr gut bestückt und die Namen der verschiedenen Bands ließen auf einen breitgefächerten Musikgeschmack der Jungs schließen. Von Klassik über Hard Rock, von Metall bis Swing – es war alles dabei. Eine CD mit alten Schlagern fischte ich heraus und hielt sie ihm fragend unter die Nase. Er grinste nur.
„Die sind von Jean und Eric.†œ
Oha, das hätte ich jetzt nicht gedacht und legte sie feixend wieder zu den anderen.
Als nächstes interessierte ich mich für die Glasfront und blickte durch die große Flügeltür, die nach draußen auf die Terrasse führte. Die Nachmittagsonne schien auf einige Liegestühle, die zum Relaxen einluden. Einige Gartenstühle standen um einen ovalen Holztisch. Jetzt fehlte nur noch… ja, wahrhaftig! Da stand er direkt neben einigen Blumenkübeln. Ein gemauerter Grill! Genau das richtige für die Jungs. Ich sah sie direkt vor meinen Augen um den Grill stehen, die Steaks auf dem Feuer, die Bierflasche in der Hand – fachsimpelnd über Dieses und Jenes und natürlich über Frauen. Grinsend drehte ich mich wieder zu ihm um und setzte meine Erkundungstour fort.
Ich entdeckte einen mobilen Flatscreen, der mitten im Raum stand, und bestimmt mit allen Sportkanälen der Welt programmiert war. Überall lagen Baseballcaps und Fußballwimpel herum. Weiter führte mich mein stummer Rundgang zu einer kleinen Sitzgruppe aus schwarzen Leder… was sonst, schmunzelte ich und strich mit den Fingerspitzen über die Lehnen. Die sah allerdings schon etwas älter und ziemlich abgewetzt aus. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Duncan, der sichtlich nervös wurde, als ich näher zu der Wand mit den Kalendern aus verschiedenen Jahrgängen kam und sie eingehen betrachtete. Aha, deshalb war er die ganze Zeit so angespannt. Er hatte sich mittlerweile zu mir gesellt und legte einen Arm um mich. Dabei versuchte er mich in die andere Richtung zu dirigieren. Doch ich blieb einfach stehen und deutete auf einen der Kalender.
„Oh. Das müssen aber ganz arme Frauen sein, die haben bestimmt kein Geld um sich Kleidung zu kaufen.†œ
„Äh..ja. Komm meine Süße, ich zeige dir mal unser Kino†œ, versuchte er mich abzulenken und schob dabei ganz beiläufig eine Zeitschrift, die von einem der kleinen Tischen gefallen war, mit dem Fuß unter einen der Sessel. Blitzschnell tauchte ich unter seinem Arm hinweg, bückte mich und zog eine ältere Ausgabe des Playboys hervor. Mit hochgezogenen Brauen legte ich sie auf das Tischchen zurück, auf dem schon einige Magazine über Sportwagen und Luxuslimousinen lagen.
„Ich weiß schon, wegen der interessanten Reportagen, ja?†œ

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Duncan grummelte nur etwas von „Bones, du Blödmann!†œ, und strich sich dabei verlegen mit einer Hand durch die Haare.
Das kleine Teufelchen in mir weidete sich ein bisschen an seinen Unbehagen, denn er wusste ja nicht, dass wir auf der Insel auch so einen Raum hatten, ähnlich ausgestattet wie dieser hier, nur viel kleiner und ohne Kino. Bei seinem kurzen Besuch war nicht genug Zeit für einen ausführlichen Rundgang gewesen. So behauptete ich so ernsthaft wie möglich:
„Natürlich haben wir Schwestern auf unserer Insel auch so einen Raum. Aber bei uns hängen nur Bilder von Landschaften und Blumen an den Wänden, oder Motive mit niedlichen Kätzchen und Hundewelpen.†œ Okay, das war jetzt gelogen, und ich kreuzte schnell zwei Finger hinter meinem Rücken. Wir hatten sogar eine Fototapete, die fast eine ganze Wand einnahm. Auf der waren sehr nette Exemplare seiner Gattung abgebildet, auch mehr oder weniger bekleidet. Das männliche Gegenstück zu den Pirellikalendern, die hier hingen, hing auch bei uns auf der Insel. Er war aus dem Fangthasia, unserer Lieblingsbar auf dem Festland, und wir bekamen jedes Jahr die neuste Ausgabe zugeschickt.
„Eine so schöne Bar haben wir natürlich nicht, nur einen alten Kühlschrank … na ja, wir sind ja auch nicht so viele wie ihr hier.†œ Duncan sah mich mit leicht zusammengekniffenen Augen skeptisch an und stellte dann erschüttert fest:
„Angie, du schwindelst ja ohne rot zu werden!†œ
„Ich? Ich schwindel doch gar nicht! Wir habe wirklich nur einen alten Kühlschrank da stehen.†œ Erst sahen wir uns einen Moment stumm an, dann kicherten wir wie auf ein Kommando los. Er drückte mich an sich und sagte wieder ernst:
„Angie, ich kann das hier auch alles verändern, wenn du das möchtest. Das wäre wirklich kein Problem für mich.†œ Aber natürlich wäre es das, ich glaubte nämlich nicht, dass seine Brüder damit einverstanden wären. Als er nachdenklich mit gerunzelter Stirn an seiner Unterlippe nagte, überlegte er wahrscheinlich gerade, wie er das seinen Brüdern beibringen sollte. Es war so lieb von ihm, dass er das für mich tun wollte. Spontan legte ich meine Hand auf seine Wange und schüttelte meinen Kopf.
„Nein, Duncan, ich finde es super hier. Bitte lass ruhig alles so wie es ist, es stört mich nicht, wirklich nicht! Schließlich ist es für eure Zerstreuung gedacht, es ist eure Domäne, eure Zuflucht um abzuschalten, und es ist richtig so, wie es ist. Ich bin schließlich nur ein Gast hier. Aber ich danke dir für dein Angebot.†œ Ich legte meinen Kopf an seine Brust und lauschte seinem Herzschlag.
„Nur…, Angie, du wirst niemals nur ein Gast hier sein. Ich möchte, dass du dich hier wohlfühlst.†œ Er legte eine Hand auf meinen Kopf und sagte eindringlich und leise, immer noch zu ernst für meinen Geschmack:
„Ich würde alles für dich tun.†œ Zärtlich strich er mir mit einer Hand über meine Haare. Ich fing die Hand ein und hielt sie fest, dann strich ich ihm über seine gerunzelte Stirn.
„Aber das weiß ich doch, mein Lieblingsschotte. Und keine Sorge, solange ich mit dir zusammen bin, fühle ich mich überall wohl.†œ Beruhigt lächelte er endlich wieder.
„Na, dann komm mal mit.†œ Er ging mit mir zum Ende des Raumes auf einen weinroten Vorhang zu, der eine ganze Wand verdeckte. Duncan nahm eine Fernbedienung von einem der Tischchen, drückte eine Taste und schon schwang der Vorhang zur Seite. Zusammen gingen wir drei Stufen runter und befanden uns tatsächlich in einem Kino. Ich löste mich von ihm und drehte mich begeistert um meine eigene Achse. Wow, das war ja fantastisch! Mit großen Augen sah ich mich um. Vor einer riesigen Leinwand standen sogar einige Kinosessel. Die Sammlung der Filme, die ich sofort auf einem gigantischen Regal an der Wand entdeckte, begeisterte mich auf Anhieb. Unwillkürlich klatschte ich in die Hände. Natürlich waren alle Western und Clint Eastwood-Filme, jede Menge Aktion, Horror und Science-Fiktion, ein paar Komödien und etwas Comedy vertreten. Liebesfilme dagegen entdeckte ich nicht. Doch dann stieß ich etwas versteckt hinter den Bond Filmen ganz unten im Regal auf die komplette Sammlung der Disney Zeichentrickfilme. Ich versuchte ernst zu bleiben, wirklich, aber dann konnte ich nicht mehr und prustete los. Lachend setzte ich mich auf den Boden und zog wahllos eine der DVDs heraus. Oh, die Schöne und das Biest. Duncan setzte sich zu mir und zeigte grinsend auf das Cover.

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„Das geht auf Cyrus Konto. Nando und Tim lieben Arielle, Norbert und Bowen das Dschungelbuch, Eric, Jean und Bones sind ganz vernarrt in Cinderella und Schneewittchen. Ach, eigentlich mögen wir alle die Filme von Disney.†œ Oh nein, mein Lieber, so kommst du mir nicht davon!
„Und was ist dein Favorit?†œGespannt wartete ich auf seine Antwort, obwohl ich schon so eine leise Ahnung hatte, und ließ ihn dabei keine Sekunde aus den Augen. Erst tat er so, als müsste er lange überlegen und klopfte sich dabei mit dem Zeigefinger nachdenklich an seine Nase, doch dann gab er bereitwillig zu:
„Ich gestehe ja schon, meine Lieblinge sind Susie und Strolch… ja und Bambi, das wolltest du doch von mir hören, oder?†œ Er beugte sich vor und tippte mir auf meine Nase. Diabolisch grinsend setzte er noch hinzu:
„Ich kann es dir an der Nasenspitze ansehen, dass du darauf gewartet hast, du kleines Biest!†œ
Bingo! Ich grinste ihn frech an, er kannte mich zu gut! Er grinste kopfschüttelnd zurück, stand auf und zog mich sanft mit sich hoch.
„Aber wir mögen alle den kleinen Burschen, stimmt´s? Doch genug davon, sonst entlockst du mir womöglich noch alle meine Geheimnisse. Also weiter geht`s. Sieh mal, das ist doch was für dich, oder?†œ
Wow, und wie das was für mich war! Schnell hatte ich die Sache mit den Geheimnissen vergessen und nur noch Augen für den Popcornautomat und den Automaten mit Schokolade, Weingummi und sonstigem Süßkram. Eigentlich waren es ja keine Automaten, weil der Schlitz für den Münzeinwurf fehlte, aber sie sahen genau so aus, wie eben jeder sie kannte. Und meine Lieblingssorte gab es auch, Jelly Beans in allen Farben, wunderbar! Schnell öffnete ich das kleine dafür vorgesehene Kläppchen, zog eine Tüte heraus und öffnete sie.
„Probier mal, ich liebe besonders die in Orange….†œLächelnd neigte ich meinen Kopf zur Seite und schob ihm einen von den Beans einfach in seinen Mund. Er schloss kurz seine Augen und nickte dann.
„Schmeckt mir!†œ
Plötzlich sah er mich so eigentümlich an und sein Blick blieb an meinem Mund haften. Er nahm mein Gesicht in seine Hände und beugte sich langsam zu mir runter. Fasziniert betrachtete ich seine Lippen, die sich langsam teilten und seine Zungenspitze freigaben, auf der die kleine Bohne lag. Sanft drückte er sie gegen meine Lippen und als ich meinen Mund etwas öffnete, drängte er sie langsam auf meine Zunge, die ihn schon sehnsüchtig erwartete. Virtuos und sinnlich rollte er die Bohne in meinem Mund hin und her und als ich sie in seinen Mund zurückgleiten ließ, begann das Spiel von neuem. Längst hatte ich meine Arme um ihn geschlungen und gab mich diesem sinnlichen Spiel hin. Sein köstlicher Geschmack, gepaart mit dem Aroma der immer kleiner werdenden Bohne, überreizte fast meine Sinne, und ich drückte mich hilflos an ihn. Da klingelte sein Handy überlaut in dieser aufgeheizten und vor Elektrizität knisternden Atmosphäre. Ich riss meine Augen auf und verschluckte vor Schreck den Rest der Bohne. Schweren Herzens löste er sich von mir und nahm mit leicht zitternden Händen und belegter Stimme den Anruf entgegen.
„Oh… hallo, Polly. Natürlich… ja, wir sind schon fast auf dem Weg. Bis gleich….†œ

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Er verstaute sein Handy wieder in seiner Hosentasche und fluchte leise vor sich hin.
„Mist, das habe ich ja total vergessen.†œ Entschuldigend sah er mich an, als ob er dafür verantwortlich war, dass wir so plötzlich unterbrochen wurden. Bevor ich noch fragen konnte, was denn los sei, sprach er schon weiter.
„Polly hat uns zum Essen eingeladen, und wir sollten eigentlich schon längst da sein. Ich bin schon sehr lange mit ihr befreundet. Ihr Mann Aaron arbeitet auf der Seraphim als Koch. Ich kenne die beiden schon, lass mich überlegen…†œ, dabei tippte er nachdenklich gegen seine ausgefahrenen Fänge, „mh, so ungefähr 70-80 Jahre? Ach ja, und ich bin der Pate ihrer Kinder.†œ Ach ja? Und das erzählte er mir so ganz beiläufig nebenbei? Er fasste mich am Arm, um mich in Richtung Tür zu schieben. Doch ich blieb stur stehen und sah ihn nur finster an.
„Du glaubst doch wohl nicht allen Ernstes, dass ich so mit dir gehe? Mein Make-up ist bestimmt verschmiert, meine Bluse zerknittert, und meine Haare sind, dank deiner hübschen Finger, total zerzaust! Oh nein, mein Lieber, so gehe ich nirgendwo mit dir hin! Was ist es denn für ein Essen, offiziell oder mehr zwanglos? Was soll ich da anziehen? Und was soll ich mitbringen, Blumen oder etwas anderes? Was ist mit den Kindern? Hah, ich habe ja nichts zum Mitbringen, woher auch! Herr Thorpe hat ja nichts vorher gesagt, er hat so etwas Wichtiges einfach vergessen. Er will mich so ganz nebenbei seinen Freunden vorstellen. Ich fasse es nicht!†œ Ich lief mittlerweile vollkommen nervös vor ihm auf und ab und rang mit meinen Händen. Was hatte er sich nur dabei gedacht?
„Was ist, wenn ich … wenn sie mich nicht mögen, oder nicht als deine Gefährtin akzeptieren? Was…†œ Als ich aufgebracht vor ihm stehen blieb und ihn vorwurfsvoll ansah, legte er einfach seinen Zeigefinger auf meinen Mund und stoppte so meine kleine Panikattacke.
„Ruhig, ganz ruhig, Liebes. Sie werden dich mögen, wieso auch nicht? Sie sind bisher immer mit allem einverstanden gewesen und wirklich schwer in Ordnung und sehr liebenswürdig. Also beruhige dich wieder, es ist doch nichts Besonderes, nur ein Essen, also ganz zwanglos, und du siehst doch gut aus so, wie du bist, wirklich!†œ
Amüsiert betrachtete er meinen fassungslosen Blick. Das sollte mich beruhigen? Männer! Wusste er denn nicht, wie entscheidend der erste Eindruck war, besonders bei guten Freunden? Kopfschüttelnd versuchte ich mich selbst zu beruhigen, indem ich ein paar Mal tief durchatmete und tippte ihm dann nachdrücklich gegen seine Brust.
„Ich bin in fünfzehn Minuten wieder da, und du überlegst dir inzwischen, was wir ihnen mitbringen können. Und unterwegs zu ihnen, möchte ich alles über sie erfahren, damit ich mich nicht gleich in das erste beste Fettnäpfen stürze.†œ Ich nickte nochmal ernsthaft, wartete seine Antwort gar nicht erst ab, sondern küsste ihn flüchtig auf sein Kinn. Dann ließ ich ihn stehen und flitzte nach oben um mich schnell ein bisschen zurechtzumachen und umzuziehen.
Ich stand sogar noch vor der verabredeten Zeit an der Haustür und wartete ein wenig atemlos auf Duncan. Ich hatte mich auf die Schnelle für ein luftiges ärmelloses Sommerkleid in schlichtem Weiß entschieden. Falls es kühl werden sollte, was für die Jahreszeit nicht ungewöhnlich war, hatte ich mir noch schnell eine warme Strickjacke geschnappt. Als Schmuck trug ich nur die Kette mit dem Herz, die mir Duncan geschenkt hatte. Meine Haare hatte ich schnell gebürstet und trug sie offen. Auf Make-up hatte ich weitestgehend verzichtet und nur etwas Lipgloss aufgetragen. Da kam er auch schon mit einer großen Tragetüte um die Ecke und betrachtet mich stumm von oben bis unten. Nervös zupfte ich an dem Kleid herum und wartete auf eine Reaktion von ihm.
„Und? Kann ich so gehen?†œEr schluckte hörbar.
„Nicht ohne einen Aufstand zu verursachen! Aber im Ernst, du bist wunderschön, und ich möchte eigentlich gar nicht mehr los. Aber sie warten schon auf uns. Okay, etwas fehlt aber noch.†œ Er zeigte grinsend auf meine Füße. Mist, ich hatte in der ganzen Hektik meine Schuhe vergessen! Nachdem auch das erledigt war, und ich in meine flachen Riemchensandalen geschlüpft war, machten wir uns Arm in Arm auf den Weg. Unterwegs erzählte er mir ein bisschen über die Familie, und dass ich mich auf eine Überraschung gefasst machen sollte. Was das für eine war, damit rückte er nicht raus, sondern lenkte mich immer wieder ab, indem er von seinen Patenkindern erzählte. Der Junge hieß Albus und war sechs Jahre alt, seine ältere Schwester Caitleen war acht.

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Die Jüngste, Bonnie, war gerade drei geworden. Als er mir den Inhalt der großen Tüte beschreib und erwähnte, dass er von seinen Reisen immer etwas für sie mitbringen würde, knuffte ich ihn empört in die Seite. Mich so in Aufregung zu versetzen für nichts! Er grinste nur verschmitzt und flüsterte mir ins Ohr, dass er so gerne meine Augen aufblitzen sähe, wenn ich aufgebracht sei, und ich ihn ja auch nicht habe zu Wort kommen lassen.
Nach einem 15-minütigen Spaziergang durch den angrenzenden Wald des Anwesens, erreichten wir die Stadt der Zwerge. Sie sah aus wie ein kleines Dorf und es kam mir so vor, als würde ich eine Zeitreise in das Mittelalter unternehmen. Es gab nur die Hauptstraße, an der einige wenige kleine Gassen rechts und links abzweigten. Wir schlenderten auf Kopfsteinpflaster an den schmucken kleinen Fachwerkhäusern mit reichverzierten Giebeln und Erkern vorbei. An vielen Fenstern waren Blumenkästen angebracht. Scheinbar verzichteten die Bewohner auf Autos, denn ich konnte nirgends eines entdecken. Duncan zeigte mir die wenigen kleinen Geschäfte, in denen man bestimmt nach Herzenslust nach ausgefallenen Dingen stöbern konnte. Ich nahm mir vor, demnächst zurückzukehren. Meine Zeitreise wurde jäh durch einige Bewohner der kleinen Stadt unterbrochen. Modern gekleidete Zwerge schlenderten an uns vorbei und grüßten freundlich. Über einen Marktplatz mit einem steinernen Brunnen in der Mitte waren wir auch schon am Ende der Straße und gleichzeitig am Ende des Dorfes angelangt. Duncan blieb vor einem hübschen kleinen Häuschen mit einem großen Garten stehen, der von einem weißen Zaun eingefasst war. Er öffnete ein kleines Törchen und ließ mir den Vortritt. Der Garten selbst sah auf dem ersten Blick ein bisschen chaotisch aus, alles wuchs scheinbar wild durcheinander, aber bei näherer Betrachtung hatte auch dieses Chaos eine gewisse Ordnung. Es war einfach nur ein natürlicher Garten, in dem die Blumen und Pflanzen noch wachsen durften wie sie wollten, liebevoll gepflegt von seinem Besitzer. Und wo nichts wuchs, standen bunte Kübel mit Herbstastern bepflanzt. Hier und da lag Spielzeug herum. Nur ein Beet mit allerlei Kräutern war sorgsam gepflegt. Der angenehm würzige Duft, gepaart mit dem Duft der Herbstblumen, stieg mir in die Nase. Plötzlich ertönte hinter uns Kindergeschrei.
„Onkel Duncan, Onkel Duncan, endlich bist du da!†œ Ein Junge von ca. sechs Jahren, gefolgt von zwei Mädchen, die wohl seine Schwestern sein mussten, stürmte auf uns zu. Duncan hockte sich lächelnd hin und breitete einladend seine Arme aus. Die Kinder fielen ihm jauchzend um den Hals, und er ließ sich mit ihnen lachend auf den Rücken fallen. Als ich ihn dann mit den Kindern beobachtete, wie er sich von ihnen widerspruchslos mitziehen ließ und mit ihnen lachend durch den Garten tobte, sich bereitwillig von ihnen fangen ließ und sie vorsichtig und liebevoll an sich drückte, breitete sich ein wohliges Gefühl der Wärme in meinem Körper aus. Genauso hatte ich mir den Vater meiner Kinder vorgestellt, die ich irgendwann einmal haben wollte. Genauso.
Eine etwas rundliche Frau mit schulterlangen, leuchtend roten Haaren und strahlend blauen Augen trat aus dem Haus. Als sie mich sah, kam sie ohne zu zögern mit ausgebreiteten Armen auf mich zu. Ihr hübsches Gesicht war übersät mit Sommersprossen, und sie hatte ein sehr gewinnendes Lächeln. Als sie mich herzlich umarmte und auf beide Wangen küsste, wusste ich sofort, was Duncan mit der Überraschung meinte. Polly musste sich zu mir herunterbeugen, denn sie überragte mich um mindestens einen Kopf! Sie war also definitiv keine Zwergin! Sie war eine Dämonin, das konnte ich sofort spüren.
„Angie, oh wie schön! Herzlich willkommen! Ich heiße Polly, naja, eigentlich Philomena, keine Ahnung was meine Eltern sich dabei gedacht haben, aber nenn mich bloß Polly, bitte. Es wurde auch Zeit, dass Duncan endlich seine Gefährtin gefunden hat. Lass mich dich anschauen.†œ Sie schob mich etwas von sich weg und musterte mich ungeniert.
„Und dazu noch eine hübsche Hexe. Ach ich freue mich ja so für euch!†œ Mit dieser Begrüßung hatte sie auf Anhieb mein Herz gewonnen und ich erwiderte ihre Umarmung. Über meinen Kopf hinweg rief sie:
„Böser Duncan, warum hast du mir verschwiegen, wie nett und hübsch sie ist?†œ Doch er war zu beschäftigt um zu antworten, da die Kleinen energisch forderten den Inhalt der Tüte zu sehen. Lachend zog sie mich zu einem grob gezimmerter Holztisch mit einer Bank und einigen Stühlen. Eine hochgewachsene Weide gab der Sitzecke ein natürliches Dach und spendete Schatten. Sie setzte sich neben mich ohne meine Hand loszulassen. Zusammen beobachtet wir die Vier.

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„Er ist total vernarrt in die drei, und verwöhnt sie nach Strich und Faden. Die kleinen Monster wickeln ihn dafür hemmungslos um den kleinen Finger.†œ Laut rief sie:
„Kinder, lasst Onkel Duncan leben!†œ Das war also Polly. Diese quirlige freundliche Frau sorgte dafür, dass meine gesamte Nervosität mit einem Schlag verschwunden war. Lächelnd sah sie mich an.
„Er wird ein guter Vater sein, glaub mir.†œ
„Polly, ich danke dir für die nette Begrüßung und… ja, ich weiß, er wird ein sehr guter Vater sein. Er wird immer für seine Kinder da sein, sie beschützen und niemals im Stich lassen.†œ Ich konnte nicht verhindern, dass der letzte Satz ziemlich bitter klang, weil ich in dem Moment an meinen Vater denken musste, von dem ich nicht einmal den Namen wusste.
„Ich habe meinen Vater nie kennengelernt. Weder kenne ich seinen Namen, noch weiß ich, wie er aussieht. Ich weiß rein gar nichts über ihn.†œ Warum erzählte ich ihr, einer mir völlig fremden Person, das alles? Normalerweise war ich sehr misstrauisch Fremden gegenüber, was bei meiner Arbeit auch sehr wichtig war. Doch bei ihr spürte ich instinktiv, dass ich ihr vertrauen konnte. Ob uns auch eine Seelenverwandtschaft wie die zu meinen Schwestern verband? Ich sah ihr tief in die Augen und sah dort etwas sehr Vertrautes. Als sie mir lächelnd zuzwinkerte, waren alle Zweifel beseitigt. Sie war nicht nur eine Dämonin, durch ihre Adern floss auch Hexenblut! Erleichtert drückte ich ihre Hand. Oh war das schön, endlich eine von meiner Art hier auf dem Anwesen zu finden.
Plötzlich durchfuhr mich ein anderer schrecklicher Gedanke. Duncan ist ein Vampir und ich bin eine Hexe. Zwei ganz unterschiedliche Spezies. Ob es überhaupt möglich war, das wir beiden Kinder zusammen haben konnten? Polly schien meine Gedanken zu lesen, denn sie legte mir beruhigend eine Hand auf den Arm und sagte leise:
„Vielleicht klappt es ja auch bei euch. Mein Mann ist ein Zwerg und ich bin eine Halbdämonin. Und nun sieh dir meine drei Kinder an, oder besser gesagt, meine vier!†œ Ohne auf seine Kleidung zu achten saß Duncan mit den Kindern auf dem Rasen und spielte mit ihnen mit den Geschenken, die er mitgebracht hatte. Seine Haare waren zerzaust und er lachte glücklich. Gehorsam ließ er sich von der kleinen Bonnie, die ein Ebenbild ihrer Mutter war, eine Schleife in sein dunkles Haar binden. Ich presste meine Lippen zusammen, um nicht laut zu lachen, es sah einfach zu komisch aus! Polly kicherte leise neben mir, doch plötzlich sah sie sehr nachdenklich aus.

Fortsetzung folgt…

Kapitel 1: „Seitensprung der Sisterhood – Ankunft in Schottland“ findet sich hier.

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Seitensprung der Sisterhood †“ Engelsduft

Seitensprung der Sisterhood

Kapitel 2
Engelsduft

Ikarus war ein bisschen blass um die Nase und ließ sich auf einen Plastikstuhl im Wartebereich nieder. Doc setzte sich neben ihn und Sam lief nachdenklich vor ihnen auf und ab.
„Das war wirklich knapp, ich glaube, wer auch immer dahinter steckt, wollte uns mit der Maschine in die Luft jagen.†œ
„Das waren mit Sicherheit die Wiesel-Brüder!†œ sagte Doc und warf einen besorgten Blick auf ihren Piloten.
„Also, der Typ beim Auftanken heute …, der hatte auch irgendwas von einem Wiesel, der roch auch so. Hätte ich gewusst, dass …†œ
„Schon gut†œ, unterbrach Doc ihn, „es war nicht deine Schuld, du wusstest doch gar nichts von ihnen.†œ Ikarus hatte sich von dem Schock immer noch nicht ganz erholt, aber sein Gesicht bekam langsam wieder etwas Farbe. Er war noch nicht lange bei der Bruderschaft und noch in der Ausbildung. So knapp dem Tod zu entkommen, damit musste man erst umzugehen lernen.
„Dann können die Wiesel aber unmöglich morgen Mittag in Louisiana sein, was denkst du, Jane?†œ Sam sah sie fragend an, doch bevor sie antworten konnte, klingelte ihr Handy.
Ein anonymer Anruf, das konnte nur Sweetlife sein. Sie nahm das Gespräch an und telefonierte eine ganze Weile mit ihrer Chefin. Nachdem sie aufgelegt hatte, blickten sie zwei neugierige Augenpaare an. Doc seufzte, das würde noch eine lange Nacht für sie alle werden.
„Sweetlife wollte uns warnen. Zwar nicht vor dem Anschlag, aber Louisiana war eine Falle.
Die O´Connelys sind gar nicht dort. Sie halten sich nach wie vor in Irland auf. Genauer gesagt sind sie auf den Weg nach Belfast.†œ Zum Glück hatten ihre Informanten die O´Connely-Brüder weiter im Auge behalten, da es suspekt erschien, dass die drei sich so offenkundig zurück an ihren bekannten Wohnsitz begeben wollten.
†œAlso wissen wir auch, wer dafür verantwortlich war.†œ Sie machte eine Handbewegung in Richtung Rollfeld und deutete auf die Feuerwehr sowie die Sicherheitsleute des Flughafens, die schwer damit beschäftigt waren den Brand unter Kontrolle zu bekommen.
„Ikarus, Sweetlife informiert jetzt ein Mitglied der Bruderschaft, das hier in Irland stationiert ist. Du sollst hier auf einen Mr. Greedy warten. Er wird die Ermittlungen übernehmen. Die Pressemitteilung wird gefaked. In den Nachrichten wird dann bekannt gegeben, dass zwei verkohlte Leichen in dem Flugzeugwrack gefunden wurden. Du sollst ihm helfen und danach zurück nach Schottland kehren. Sam und ich werden jetzt mit dem Auto nach Belfast fahren, und dann knöpfen wir uns diese Pyromanen vor.†œ Sie stand auf, tätschelte dem Piloten den Arm, nickte Sam auffordernd zu und ging in Richtung Autovermietung, um die Autoschlüssel wieder abzuholen.
Herzhaft gähnend stieg sie in den Wagen. Sam blieb davor stehen.
„Sollte ich nicht lieber fahren? Du siehst aus, als ob du gleich einschlafen würdest.†œ Er hatte recht, und auch wenn sie ihre Müdigkeit nur ungern zugab, rutschte sie rüber auf den Beifahrersitz.
Sam setzte sich hinter das Steuer, doch bevor sie losfuhren, würgte er den Motor dreimal ab. Oh je, konnte er überhaupt fahren? Seltsam, aber in Newgrange war er auch ohne Auto unterwegs gewesen, fiel Doch jetzt wieder ein. Ruckelnd fuhren sie vom Parkplatz. Das konnte ja was werden. Sie fühlte sich auf einmal nicht mehr müde genug um zu schlafen und hatte lieber ein Auge auf den Verkehr. Gleich bei der nächsten roten Ampel würgte er wieder den Motor ab. Das war Anlass genug für Doc sich anzuschnallen und mit einer Hand am Türgriff schützend Halt zu suchen. Er fuhr wie ein Betrunkener, der eine ganze Flasche Whisky intus hatte und zeichnete Schlangenlinien auf die zweispurige kerzengerade Straße. Wahrscheinlich lag es an seinen Knien, die beidseitig das Lenkrad berührten.
„Sam, du darfst hier 60 fahren, mit 20 kommen wir niemals an.†œ
„Gib mir noch ein paar Minuten, ich bin bestimmt 30 Jahre kein Auto mehr gefahren, da hat sich mittlerweile viel verändert.†œ
„Oh, okay, dann fahr besser doch nicht schneller.†œ

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Jane konnte nicht anders, sie kicherte los. Es sah so lustig aus, wie er todernst das Lenkrad umklammert hielt und versuchte das Auto unter Kontrolle zu bringen. Prustend gab sie ihm ein paar Tipps.
„Auf jeden Fall solltest du mal versuchen, im ersten Gang anzufahren, das macht man heute so.†œ Er warf ihr einen grimmigen Blick zu und starrte dann weiter verbissen auf die Fahrbahn.
„Sam, ganz im Ernst, stell den Sitz doch mal 50 cm zurück und du wirst sehen, das ist viel entspannter, und du musst auch nicht mit der Stirn die Scheibe berühren.†œ
Plötzlich machte er eine Vollbremsung.
„Sam!†œ, kreischte Doc lachend. Er beugte sich ganz nah zu ihr herüber.
„Du machst dich über mich lustig? Hör zu: Ich. Kann. Das.†œ
„Ich bin ja schon ruhig.†œ Das Grinsen bekam sie allerdings nicht mehr aus dem Gesicht. Er stellte den Sitz ein ganzes Stück zurück und fuhr an, ohne den Motor zu würgen. Er warf ihr ein triumphierendes Lächeln zu. Allmählich schien er sich wirklich daran zu gewöhnen, und eine halbe Stunde später fielen Doc die Augen zu.
Etwas kribbelte in ihrem Gesicht. Langsam öffnete sie die Augen. Sam hatte die Beifahrertür geöffnet und hockte vor ihr. Mit einer Hand strich er ihr die Haare aus dem Gesicht. Doc zuckte zurück.
„Haben wir einen Unfall gebaut?†œ
„Nein, hier ist eine Tankstelle, vielleicht brauchst du noch etwas.†œ
Er reichte ihr eine Hand. Ohne darüber nachzudenken, griff sie danach und ließ sich aus dem Auto ziehen. Mit einem Ruck stand sie neben ihm und der Wind wehte ihr eine volle Ladung seines Duftes ins Gesicht. Man, wie sie das nur die nächste Zeit ertragen sollte, ohne sich in ein schmachtendes Weibchen zu verwandeln, war ihr schleierhaft. Dass er so auf Tuchfühlung ging, verunsicherte sie etwas. Vielleicht waren Engel einfach so? Sie sah sich um, der Morgen graute bereits. Er hatte schon vollgetankt, und sie gingen gemeinsam hinein, um zu zahlen. Dann holten sie sich noch einen Becher Kaffee.
„Soll ich jetzt weiterfahren?†œ Kaffeeschlürfend blickte sie ihn an. Sam schmollte ein wenig gespielt
„Du weißt doch noch gar nicht, wie gut ich jetzt fahren kann.†œ
„Okay, dann fahr du weiter, Schumi.†œ Verwirrt blinzelte er sie an, setzte sich aber ohne nachzufragen wieder hinter das Steuer. Seltsamerweise fuhr er wirklich gut. Sie entspannte sich zunehmend in seiner Gegenwart.
„Stört es dich, wenn ich eine Zigarette rauche?†œ
„Wenn du mir auch eine gibst, dann nicht.†œ Sie hatte ja darauf getippt, dass Rauchen eine Sünde war, anderseits, die Frauen, die sie in seiner Gegenwart gesehen hatte, waren sicherlich keine Betschwestern gewesen. Sie zündete für jeden eine an und blickte aus dem Fenster.
„Laut Navi sind wir bald da. Schon eine Idee wie wir vorgehen?†œ Jane dachte nach.
„Nicht so richtig. Vielleicht sollten wir uns zunächst ein Hotel suchen, danach können wir die Umgebung erkunden.†œ
„Klingt gut.†œ Er warf einen Blick auf sie und sah dann wieder auf die Fahrbahn.
„Was ist?†œ
Er sah nochmals kurz zu ihr rüber und fasste sich ein Herz. Sein Instinkt sagte ihm, dass ihre kühle Haltung nur Fassade war.
„Ach, nichts weiter …, ich dachte nur, du könntest mir irgendwas erzählen. Ein wenig Klatsch und Tratsch vom Orden oder etwas in der Art. Du bist immer so still.†œ
Jetzt hatte sie das Gefühl, sich verteidigen zu müssen
„Ich habe dich gerade erst kennengelernt. Ich weiß doch gar nicht, wer von ihnen zu deinen Kumpeln gehört hat. Sie sind ja überall auf der Welt zerstreut.†œ
„Duncan und Bowen kenne ich ganz gut, und dann noch einen Wolf Shawn oder so ähnlich. Mit denen konnte man gut Pokern.†œ

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Bowens Namen zu hören, versetzte ihr einen Stich. Sie hatte die letzten Stunden gar nicht mehr an ihn gedacht, und nun kam die Trauer um ihn mit einem Schlag zurück.
Sie stieß den Qualm aus und wusste einfach nicht, was sie sagen sollte. Lügen war ja keine Option, aber ihm davon zu erzählen kam ihr zu intim vor. Also sagte sie einfach gar nichts.
„Oh, ich habe ein Fettnäpfchen erwischt?†œ
„Nein†œ, entfuhr es ihr.
„Das ist gelogen, Süße.†œ Mist, er hatte also wirklich einen eingebauten Detektor oder so was in der Art.
„Duncan hat in Angie, eine meiner Schwestern, seine Gefährtin gefunden, sie sind gerade in Schottland, und Jean ist mit ein paar anderen Brüdern auf der MS Seraphim vermutlich jetzt in Miami. So, zufrieden?†œ
„Wo sind die anderen vom Sixpack? Wieso bist du hier alleine?†œ
„Denkst du, ich kann keine Einsätze alleine erledigen?†œ, gab sie kratzbürstig zurück. Man, sie hatte einfach keinen Nerv über all das zu sprechen, sollte er sie doch in Ruhe lassen.
„Die anderen sind alle mit ihren Gefährten in deren Heimat gereist.†œ Sam spürte, dass sie verletzt worden war und ahnte, dass es mit Bowen zu tun haben musste, da sie ihn nicht erwähnt hatte. Er konnte nicht anders, er musste einfach nochmal nachhaken.
„Hm, was treibt McRieve denn so, der alte Blutsauger? Hast du ihn kennengelernt?†œ Er lächelte bei der Erinnerung an Bowen. Mit ihm hatte er so einige Clubs unsicher gemacht.
„Bo ist … er …  in Peru sind wir Dungeon begegnet. Er hat mich vor ihm beschützt und dafür mit seinem Leben bezahlt.†œ
Sam warf ihr einen überraschten Blick aus seinen schönen Augen zu und hakte nicht weiter nach. Er spürte den Schmerz, den er in ihrer Stimme vernommen hatte und in ihren Augen sah. Normalerweise konnte er durch Körperkontakt die Emotionen anderer nachempfinden, aber bei ihr reichte ein einfacher Blick aus. Würde er sie jetzt berühren, wüsste er die ganze Geschichte, aber er wollte sie nicht ausspionieren und sie gegen sich aufbringen. Auch so konnte er sich vorstellen, dass ein erfahrener Kämpfer wie Bowen nicht einfach sein Leben hergeben hatte. Sie mussten in einen grausamen Kampf verwickelt gewesen sein.
„Oh, das tut mir sehr Leid†œ, sagte Sam, und Jane erkannte wie betroffen auch er von dieser Neuigkeit war.
Um sich abzulenken, holte sie ihr Handy aus der Tasche und sah sofort das kleine Briefchen auf dem Display. Sie hatte eine SMS bekommen.
„Bin heil in Schottland angekommen. Das Anwesen ist gigantisch! Vermisse dich sehr! LG Angie.†œ
Sie simste eine Antwort zurück.
„Hey Süße! Lass dich von Duncan ordentlich verwöhnen! Mache Irland unsicher. glg Doc†œ

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Sie steckte ihr Handy wieder weg und klappte die Sonnenblende nach unten, um einen Blick in den Spiegel zu wagen. Gott, wie ihre Haare aussahen, sie brauchte dringend eine Dusche. Seit ihrer Nacht in Newgrange hatte sie weder Zeit gehabt sich frisch zu machen noch sich umzuziehen. Plötzlich erhielt ihr Wagen einen Stoß und machte einen unsanften Satz nach vorne. In letzter Sekunde konnte sich Doc noch am Armaturenbrett abstützen.
„Hey, was soll das verdammt nochmal?†œ, fluchte Sam und trat aufs Gas. Irritiert blickte Doc in den Spiegel der Sonnenblende und sah einen weißen Jeep mit einem rothaarigen Mann am Steuer direkt hinter ihrem Wagen. Sofort erkannte sie Patrick O´Connely. Sam trat aufs Gaspedal, und da sie in ihrem Sportwagen viel schneller waren, fiel der Jeep schnell hinter ihnen zurück. Sie rasten über eine schmale Serpentine, die rund um einen Felsen führte.
„Sam, das war das Wiesel, und oh mein Gott, geh vom Gas… da vorne…!†œ, schrie Doc und starrte mit aufgerissenen Augen auf die Straße. Sam hatte auch gesehen, dass vor ihnen ein Felsbrocken auf der Straße lag und die Weiterfahrt blockierte. Abrupt trat er auf die Bremse und Doc wurde wieder gegen das Armaturenbrett katapultiert.
Fast im selben Moment wurden sie wieder von hinten gerammt. Ihr Wagen drehte sich wie ein Kreisel und kam vor der Leitplanke zum stehen. Der Jeep setzte ein Stück zurück, und bevor Doc realisiert hatte, dass er sie wieder rammen würde, war es auch schon geschehen. Sie durchbrachen die Leitplanke und ihr Wagen senkte sich in Richtung Abgrund. Nur die Hinterreifen standen noch auf der Straße. Sie hörte, wie die Leitplanke ein ächzendes Geräusch von sich gab und nachzugeben drohte.
„Oh Gott, wenn er uns noch einmal berührt, schmieren wir hier ab†œ, sagte Jane und starrte wie paralysiert auf den glitzernden Bachlauf, der sich ungefähr hundert Meter tiefer durchs Tal schlängelte. Sam spürte ihre Panik. So ein Absturz konnte selbst einer Unsterblichen wie ihr gefährlich werden.
„Jane, bleib ganz ruhig. Du musst mir jetzt Vertrauen. Mach keine hastigen Bewegungen. Wenn ich los sage, lege die Arme um meinen Hals und halte dich verdammt gut fest.†œ Mit angstgeweiteten Augen sah sie ihn an.
„Okay … Okay…†œ, stammelte sie und sah, wie er sich ganz, ganz langsam zu ihr rüber beugte. Mit einer Hand löste er die Schnalle ihres Gurtes und die andere lag auf dem Türgriff.
„Jane, jetzt! Los!†œ Sie legte ihre Arme um seinen Hals, und im gleichen Moment öffnete er blitzschnell ihren Gurt und gleichzeitig die Beifahrertür. Er stieß sich ab und sprang mit ihr aus dem Wagen. Doc hatte die Augen zugekniffen. Der Typ war doch wahnsinnig. Dachte er, sein Körper würde sie genügend davor beschützen sich das Genick zu brechen? Kalter Wind umwehte sie. Sie hörte einen Motor aufheulen und dann, wie der Wagen schmetternd irgendwo aufprallte und explodierte. Warum waren sie noch nicht unten angekommen? Es rauschte um sie herum. Sie öffnete ein Auge und riskierte einen Blick. Sie schwebte mit Sam hoch oben in der Luft. Er hielt sie fest umklammert. Als sie ihren Kopf aus seiner Halsbeuge hob, sah sie seine Flügel. Aber natürlich, er war ein Engel!
„Alles ok?†œ, erkundigte er sich, als er bemerkte, dass sie sich einigermaßen gefangen hatte.
„Lass mich bitte nicht fallen†œ, brachte sie nur kleinlaut hervor. Sam lachte. Sie spürte, wie der Ton angenehm in seinem Brustkorb vibrierte.
„Niemals.†œ Mit gleichmäßigen Flügelschlägen flog er Richtung Tal. Er spannte seine Schwingen weit auseinander und sie glitten tiefer und tiefer der Erde entgegen. Janes Magen machte Purzelbäume, und sie klammerte sich fest an ihn. Trotz dieser bizarren Situation kam sie nicht umhin festzustellen, wie anziehend er doch auf sie wirkte. Er hatte atemberaubend schöne Flügel. Sie waren nachtschwarz und schimmerten in den Spitzen silbern. Sie wirkten so pudrig und weich, dass sie sie am liebsten berührt hätte. Sie flogen über den kleinen Bach und landeten schließlich am Ufer. Sanft berührten seine Füße den Boden. Sam kommentierte ihre Landung nur mit einem „geschafft†œ und hielt sie weiter in seinen Armen. Jane machte keine Anstalten sich von ihm zu lösen. Sie hätte ewig so mit ihm an diesem Ufer stehen bleiben können, wenn nicht ihr Pflichtbewusstsein sie wieder in die Realität geholt hätte.

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„Hey, wir sind wieder am Boden, du kannst mich jetzt loslassen†œ, murmelte sie leise an seiner Schulter, obwohl sie sich selbst nicht aus seiner Umarmung befreien mochte, sie fühlte sich so sicher und geborgen in seinen Armen. „Du riechst aber so gut†œ, sagte er und drückte sie weiter an sich. Dann hob sie den Kopf und sah ihn an. Die Luft zwischen ihnen vibrierte regelrecht, doch bevor seine Lippen ihre berührten, machte sie sich von ihm los.
„Man, woher wusste dieses Wiesel, dass wir nicht mit dem Flugzeug gegrillt wurden?†œ Er schmunzelte über ihren galanten Themenwechsel.
„Patrick hat vermutlich am Flughafen nach uns Ausschau gehalten und ist uns gefolgt.†œ
„Ja, so wird†™s wohl gewesen sein.†œ Sie musterte ihn, seine Flügel waren nicht mehr zu sehen. Er sah ihren fragenden Blick und flüsterte grinsend:
„Magie.†œ
Sie lächelte zurück. Davon aufgemuntert griff er ihre Hand und zog sie mit sich in den angrenzenden Wald. Das Wetter war trübe, Nebel waberte um die Bäume und es nieselte leicht. Jane war froh, dass sie ihre Lederklamotten anhatte, so fror sie wenigstens nicht. Als sie das Waldstück durchquert hatten, kamen sie am anderen Ende in einem kleinen Dorf an. Es wirkte nicht sehr einladend, die Häuser waren einfache Holzhütten mit Schindeldächern. Auch die Straße war geisterhaft leer.
„Da drüben ist ein Pub, das noch geöffnet hat. Hast du Lust auf ein Pint Guiness und eine kleine Verschnaufpause?†œ Jane blickte über die Straße und sah auf das kleine schwarze Häuschen mit der roten Tür, über der „Dead Men Inn†œ in leuchtenden Lettern stand.
„Oh ja, allerdings. Das haben wir uns wirklich verdient†œ, antwortete Jane. Sie überquerten die Straße und gingen hinein. Es dauerte einen Moment, bis sich ihre Augen an das abgedunkelte Licht im Inneren gewöhnt hatten. Dafür, dass es fast morgens war, war dort noch einiges los. Ein paar zwielichtige Gestalten lungerten herum und starrten sie unfreundlich an. Sie hätte ihre rechte Hand darauf verwettet, dass sich hier nicht nur Menschen aufhielten. Jane setzte sich an einen Tisch ans Fenster und beobachte Sam wie er da so lässig am Tresen stand. Er orderte ihr Bier und plauderte noch etwas mit dem Barmann. Der ungepflegte kahlköpfige Wirt hatte einen enormen Bierbauch Als er merkte, dass sie ihn beobachtete, zwinkerte er ihr zu. Doc blickte schnell in eine andere Richtung. Die Luft war von Rauch gefüllt und das ganze Pub wirkte schmutzig und verwahrlost. Neben dem Tresen verhinderte ein Vorhang die Sicht in einen Raum, aus dem das Geräusch von Würfeln klang. Ganz offensichtlich fanden da illegale Glückspiele statt. Endlich kam Sam mit dem Bier und setzte sich zu ihr.
„Du wirst es nicht glauben. Der Typ heißt Lee Monade.†œ Sie stießen an. Zum Erstaunen von Doc, trank Sam sein Glas mit einem Zug leer.
„Er ist auch ein Gestaltwandler, ein Waschbär um genau zu sein. Das kommt uns wirklich gelegen. Außerdem vermietet er Zimmer. Ich habe einfach mal für uns gebucht. In Belfast findet gerade eine Messe statt, er meinte, wir würden da nichts bekommen.†œ Er legte einen Antik aussehenden Schlüssel auf den Tisch.
„Warum ist gut, dass er ein Wer-Waschbär ist?†œ Sie musste schmunzeln.
„Tja, ich habe mal irgendwo gelesen, dass Waschbären Wiesel überhaupt nicht leiden können. Ich denke, wenn einer etwas über deren Aktivitäten weiß, dann kann er uns sicherlich dabei helfen es herauszufinden.†œ
Sie blickte sich noch einmal um. In den Ecken hingen Spinnweben samt Bewohner. Ein besonders großes haariges Exemplar war gerade dabei sich abzuseilen. Sie bekam eine Gänsehaut bei dem Anblick. Sie griff nach dem Schlüssel, der fast am Tisch festklebte. Ob das eine gute Idee war hier ein Zimmer zu mieten? Doch sie was so müde, dass sie schnell ihr Glas leer trank und aufstand.
„Dann lass uns mal nachsehen, ob unsere Zimmer ebenso feudal sind wie dieses Ambiente hier.†œ Sam hustete und blickte sie schelmisch an.
„Was?†œ
„Naja, also er hat eigentlich nur ein Zimmer, das er vermietet. Aber es hat ein Doppelbett, ein Bad und einen Fernseher.†œ
Gegenüber vom Tresen war eine Tür mit der Aufschrift „Private†œ, durch die die beiden in ein schmales Treppenhaus gelangten.

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Das Treppengeländer war abgewetzt, und die Tapete pellte sich von den Wänden. Die Treppe endete direkt an ihrer Zimmertür. Jane erspähte um die Ecke herum einen weiteren Treppenaufgang. Vermutlich führte er auf den Speicher. Sam schloss auf, verpasste der Tür einen kräftigen Tritt und bedeutete Doc zuerst einzutreten. Sie riss sich zusammen und stolzierte an ihm vorbei in das Zimmer. Sie machte extra kein Licht, sollte der Engel doch die Wand nach dem Lichtschalter abtasten. Problemlos fand er den Schalter und eine einzelne nackte Glühbirne verströmte ein schummriges Licht. Das schmucklose Zimmer war verhältnismäßig sauber. Gegenüber der Tür stand ein Bett, das zumindest von oben sauber bezogen war. An einer Wand befand sich ein Schränkchen, auf dem ein kleiner, alter Fernseher stand. Auf der gegenüberliegenden Seite war das Badezimmer. Jane ging hinein. Es war klein, aber relativ sauber Das Nötigste war vorhanden, sogar saubere Handtücher und kleine Shampoofläschchen lagen auf einer Ablage. Plötzlich stand Sam in der Tür.
„Meinst du, wir halten es hier ein paar Stunden aus?†œ
„Ja, ist schon okay. Ich würde jetzt gern duschen, wenn du nichts dagegen hast.†œ
„Okay, lass mir auch noch warmes Wasser übrig.†œ Er ließ sie allein, setzte sich aufs Bett und schaltete den Fernseher ein. Er suchte nach dem Sportkanal, als ein schriller Schrei aus dem Badezimmer ertönte. Sam riss die Tür auf. Das Wasser rauschte in der Dusche. Nur in Unterwäsche bekleidet stand Doc davor und blickte ihn überrascht an.
„Jane, was ist passiert?†œ
„Teufel noch mal, was machst du denn hier?†œ Mit vor der Brust verschränkten Armen richtete sie ihren Blick in die Duschkabine.
„Du hast geschrien, ich dachte, Norman Bates wäre hier aufgetaucht.†œ
„Nicht du! Er! Ich habe mich nur erschrocken, weil ER plötzlich aufgetaucht.†œ Sie zeigte in die Duschkabine.
Sam kam näher und blickte hinein.
„Mon Dieu. Wiedörrsehensfreudö stelle isch mir aber anders vor. Würde es dir etwas ausmachen das Wassör abzustellen, ich habe heute schon gebadet.†œ
„Ford? Ford Fleur?†œ Sam sah völlig überrumpelt aus und der kleine Dämon blickte zu ihm auf. Wiedererkennen blitze in seinen Augen.
„Hölle und Verdammnis. Samael der Engel. Isch fasse es nicht. Was zum Henker machst du denn hier bei meiner Herrin?†œ
„Herrin? Oh du bist rausgeflogen aus der Unterwelt? Ach so.†œ Das schien für ihn alles zu erklären.
„Momentmal, ihr beiden kennt euch?†œ Ungläubig sah Doc von einem zum anderen.
„Natürlich.†œ Antworteten beide gleichzeitig, dann verließ Sam ohne ein weiteres Wort zu sagen das Bad, um sich weiter durch das TV-Programm zu zappen. Doc zog eine Braue hoch und verkniff sich jeden weiteren Kommentar, langsam wunderte sie sich über gar nichts mehr.
„Woher wusstest du wo ich bin, und warum bist du nicht mehr in der Tierpension?†œ Doc sah Ef-Ef tadelnd an und hob ihn dann aus der Dusche. Sie durchsuchte ein kleines Schränkchen nach einem Fön.
„Isch freue misch auch wieder bei dir zu sein, wo auch immer das ist. Die habön misch dort tatsäschlich rausgeworfen. Kannst du dir das vorstellen? Isch habö eine Flasche Desinfektionsalkohol gefunden und gekostet, dann habö ich nachts über die Lautspröscheranlage gesungen und ein paar Witze erzählt. Das fanden sie gar nischt lustig und sie haben misch zurück zu dir verbannt. Diese Wiccas die dort arbeiten wissen wirklich eine Menge über Dämonen, und habön misch zu meinem Herrn geschickt. Wo sind wir hier? In Schottland? Kann ich mon Angel sehen?†œ Es wunderte sie nicht wirklich, dass er es sich dort verscherzt hatte. Auf der Seraphim hatte er auch so einige Nerven zum Zerreißen gebracht.
Mit großen Augen blickte er Jane an, die den Fön einsteckte und wortlos dem kleinen Kerl das Fell trocknete. Was sollte sie jetzt machen? Er sollte eigentlich bei dieser Mission nicht dabei sein, andererseits könnte er sich auch bei der Suche als nützlich erweisen und Sam war ja mittlerweile auch von der Partie. Da die beiden sich kannten, war es sicher kein Problem, dass der Hamster bei ihnen blieb.
„Ich bringe dich jetzt rüber zu Sam er kann dir alles erklären, ich will duschen!†œ

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Als sie erfrischt aus dem Bad kam, saßen sich Dämon und Engel auf dem Bett gegenüber und amüsierten sich prächtig. Es war um die Mittagszeit. Ein einzelner Sonnenstrahl schaffte es durch die schmutzigen Fenster und bündelte sein Licht auf dem Engel. Die beiden hatten irgendwoher etwas zu essen aufgetrieben. Sam deutete auf den kleinen Couchtisch vor dem Sessel auf dem ein Tablett mit einem köstlich duftendem Burger stand, über den sie sich sofort hermachte.
Dabei erfuhr sie, dass Sam Ef-Ef in ihre Mission bereits eingeweiht hatte, und dass er sich viel davon versprach, den Hamster im Team zu haben. Es schien ihn überhaupt nicht zu stören, anscheinend konnten die beiden sich sehr gut leiden.
„Lee Monade wird mir nachher ein paar Adressen von Clubs geben, in denen die hiesigen Gestaltwandler sich gern herumtreiben, und Ef-Ef kann für uns dort rumspionieren. Einen Hamster übersieht man ja schnell mal.†œ
„Oui oui, isch helfe dir gern mon ami. Die Schachtel der Petra finden wir schon. Wenn sie noch so riescht wie damals, als sie die bei uns in der Unterwelt hat anfertigen lassen, werde isch sie finden.†œ
„Du weißt von der Schachtel?†œ Völlig baff setzte sie sich auf den Rand des Bettes und sah abwechselnd zwischen den beiden hin und her.
„Naturelement. Die Schachtel ja, aber keine Ahnung was sie dann darin aufbewahrt haben. Misch möschtest du ja lieber abschieben. Dabei habe ich dir immer geholfen. Bei allem!†œ
„Ef-Ef es tut mir leid. Anfangs sah es auch nach einem kurzen Einsatz aus, der deutlich unkomplizierter verlaufen sollte. Ich hatte keine Wahl. Ich verspreche dir, wenn wir das hier erledigt haben, dann fahren wir sofort zu Angie und Duncan. Klingt das gut?†œ Ef-Ef grinste und krabbelte Doc aufs Bein.
„Deine Hose riescht muffig.†œ Liebenswert wie eh und je.
„Tja, meine Tasche mit den Wechselklamotten fliegt irgendwo in einer Schlucht rum.†œ
„Du bist aber auch zerstreut manschmal.†œ Die Einzelheiten schienen ihn nicht weiter zu interessieren.
Kichernd stand Sam auf und ging ins Bad. Als die Dusche wieder ertönte, winkte Ef-Ef Doc zu sich heran. Sie senkte den Kopf.
„Wo hast du denn den Engel aufgerissen? Ich bin von dir ja einiges gewöhnt, aber das hätte isch dir nischt zugetraut. Respekt. Isch hattö schon Sorge, isch muss misch mit diesem Werwolf rumschlagen. Ganz schön scharf dieser Engel was?†œ, flüsterte er ihr ins Ohr und zwinkerte verschwörerisch.
„Es ist nicht so, wie du denkst.†œ Ärgerlich merkte sie, wie sie leicht errötete.
„Ich habe ihn zufällig in Newgrange getroffen. Er verfolgt das gleiche Ziel wie wir, und er kennt den Orden und Sweetlife. Jetzt ist er unser Verbündeter und wir sind Partner im beruflichen Sinne†œ, antwortete sie ihm leise und mied bewusst seinen Blick.
„So so, beruflich, ich verstehe.†œ Der kleine Kerl grinste tatsächlich.
„Also, isch glaubö das sieht er aber anders. Er ist nett. Du solltest ihn nischt so schlescht behandeln wie die anderen armen Kerle. Außerdem sind Engel fast unbesiegbar, sowas kannst du gut gebrauchen, bei allem was bei dir so schief läuft.†œ Jane schnaubte und setzte ihn auf den Boden vors Bett.
„Dein Feingefühl hab ich am allermeisten vermisst.†œ Sie streckte sich auf dem Bett aus. Wenig später kam Sam aus dem Bad und setzte sich Ef-Ef in den Sessel. Bis er sich abends mit dem Barmann treffen wollte, hatten sie noch etwas Zeit um sich ausruhen. Sie sahen sich alle gemeinsam eine Talkshow an, und es überraschte sie nun auch nicht mehr, dass der Engel sich so etwas Niveauloses gebannt ansah. Ef-Ef und er schienen diesbezüglich auf einer Wellenlänge zu liegen. Irgendwann schlief sie dabei ein. Ein schmerzhaftes Zwicken am Ohrläppchen weckte sie im Morgengrauen. Sie hatte den restlichen Tag und die Nacht durchgeschlafen. Doc setzte sich auf und Ef-Ef grinste sie frech an.
„Endlisch! Du hast fast den ganzen Regenwald abgeholzt, und Sam hatte die Nacht gar keinen Platz im Bett, er musste auf dem Sessel schlafen!†œ
„Ich schnarche nicht!†œ Empörte sah sie ihn an.
„Komm, lass gut sein, sie hat doch wirklich nicht geschnarcht. Der Sessel ist auch sehr bequem. Er steckte den Dämon in seine Manteltasche und setzte sich neben Doc, die sich verschlafen und leicht beschämt die Augen rieb. Er hielt ihr einen Becher Kaffee hin, den sie dankbar entgegen nahm. „Hab ich solange geschlafen?†œ

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„Du hattest auch eine Menge nachzuholen. Ich war ja noch gestern Abend unten bei Lee, er hat mir die Adressen von zwei Clubs gegeben, wo wir unsere Nachforschungen anstellen können.†œ Er unterbrach sich und hielt ihr einen Schokomuffin unter die Nase. Dann fuhr er fort, während Jane kauend seiner angenehmen Stimme lauschte.
„Ich hab ihn gerade beim Frühstück unten getroffen. Er fährt jetzt gleich nach Belfast und nimmt uns mit dorthin. Ein Freund von ihm hat dort ein Hotel, und er meinte, er würde uns dort ein Zimmer besorgen. Wenn das erledigt ist, sollten wir uns neu einkleiden. Dann machen wir uns auf die Suche nach den Wieseln. In Ordnung?†œ
„Ja klar. Aber warum legt er sich so für uns ins Zeug, findest du das nicht seltsam?†œ
„Er hat mit den Wieseln noch eine Rechnung offen. Sie haben Spielschulden bei ihm, und er möchte, dass sie ihre Quittung bekommen. Die drei sind ziemlich unbeliebt. Wenn Lee mich angelogen hätte, wäre mir das aufgefallen. Vertrau mir Jane†œ
Er hatte wirklich an alles gedacht. Froh, sich keine Gedanken machen zu müssen, stand sie auf, reckte sich. Dann verließen die drei das Zimmer. Vor dem Pub stand eine schwarze schnittige Limousine mit laufendem Motor. Als sie davor standen, schwang eine der hinteren Türen auf und der vierschrötige Wirt winkte sie zu sich herein. Sam und Doc nahmen gegenüber von ihm Platz, und Lee gab dem Chauffeur ein Zeichen, dass er losfahren sollte. Doc war ziemlich überrascht, dass der Werbär so einen Luxusschlitten fuhr, aber sie stellte keine Fragen. Auch Ef-Ef benahm sich ausnehmend gut und schwieg in Sams Manteltasche. Zwei Stunden später kamen sie in der Abenddämmerung in Belfast an. Der Wagen hielt vor einem urig wirkenden Hotel namens „The Shamrock Inn†œ. Lee ging hinein und bat die beiden draußen zu warten. Wenig später kam er fröhlich pfeifend wieder hinaus und drückte ihnen grinsend eine Schlüsselkarte in die Hand. Wie versprochen hatte Lee es geschafft, ihnen in der ausgebuchten Stadt noch ein Zimmer zu besorgen.
„Das Zimmer wird noch gereinigt, aber in zwei Stunden könnt ihr dort einchecken.†œ Dann verabschiedete er sich und fuhr davon. Doc blickte Sam an. Der zuckte nur mit den Schultern, hakte sich bei ihr ein und zog sie mit sich die Straße entlang.

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„Na komm, lass uns in die Stadt gehen und dann was Essen. Schließlich brauchen wir dringend ein paar neue Klamotten.†œ Jane schmiegte sich an ihn und sie zogen los.
Wie sich herausstellte, war Sam ein ausgezeichneter City-Guide und ein noch besserer Shoppingberater. Normalerweise ging sie nicht gerne einkaufen, aber in seiner Gesellschaft machte ihr die Erkundung von Belfast wirklich Spaß. Sogar Ef-Ef benahm sich richtig gut, er schlummerte seelenruhig in ihrer Tasche.
Zum Glück hatte sie die Kreditkarte von Sweetlife in die Hosentasche gesteckt, sodass der Engel und sie das Stück Plastik regelrecht zum Glühen brachten. Als das Auto die Klippen hinabgestürzt war, hatten sie bis auf das, was sie am Leib trugen, nichts übrig behalten.
Deshalb hatte sie auch kein schlechtes Gewissen, als sie sich neben neuen Jeans, einem hellgrauen Rollkragenpullover, ein Paar Schuhen und etwas Unterwäsche auch ein neues lilafarbenes Notebook und ein Abendkleid kaufte. Nach einem kleinen Snack, machten sich die beiden auf den Rückweg.
Ganz gentlemanlike trug er die Einkäufe und hielt er ihr die Hoteltür auf. Als sie vor ihm in das Foyer trat, stürmte eine riesenhafte sehr kurvige Blondine, die hinter dem Tresen gestanden hatte, auf sie zu. Kreischend rauschte sie an Doc vorbei. Mit einem kleinen Sprung fiel sie Sam um den Hals. Der wirkte überrascht und verlegen, ein Ausdruck, den Jane zum ersten Mal in seinem Gesicht sah.
„Rosi! Wow… ich bekomme keine Luft. Was machst du denn hier?“ Sie riss ihre ohnehin schon riesigen blauen Augen auf und boxte ihm kumpelhaft auf die Schulter. Dann kralle sie sich seine Hand und zog ihn in Richtung Empfangstresen. Als sie so neben ihm her trippelte, folgte Doc den beiden und lauschte dem piepsigen Plappern. Es gefiel ihr überhaupt nicht, wie diese aufgetakelte Tusse sich an Sam klammerte, und bedachte sie mit einem finsteren Blick.
„Ich bin hier seit kurzem die Geschäftsführerin. Lee hat mir gar nicht erzählt, für wen ich die Honeymoon-Suite freimachen sollte. Du ahnst ja nicht, welche Umstände mir das gemacht hat. Ich hoffe, das Pärchen, das eigentlich dort gewohnt hat, erzählt nichts rum. Ich habe nämlich behauptet, wir hätten einen Kakerlakenbefall. So, und jetzt erzähl mal, was dich hierher verschlagen hat. Du kommst nach Belfast ohne mich vorher anzurufen?†œ Sie zog mit ihren glänzenden knallroten Lippen einen Schmollmund, der Doc irgendwie sofort an ein Schlauchboot erinnerte.
Rosi? Diese Frau sah einfach unmöglich aus, fand Doc. Die Haare waren wasserstoffblond gefärbt und zeigten einen 5 cm breiten roten Ansatz, im Gesicht klatschte tonnenweise Makeup. Ein blendend pinkes Stretchoberteil umspannte ihre gewaltige Oberweite und untenrum trug sie einen Lackminirock, der auch locker als Gürtel durchgegangen wäre. War das sein Typ Frau? Mittlerweile hatte Sam sich gefangen und legte freundlich einen Arm um Rosi. Doc beobachtete die zwei und wurde zunehmend ärgerlicher.
„Wir sind auf der Suche nach jemandem und es hat sich zufällig ergeben, dass wir hier in der Stadt gelandet sind. Wenn du hier arbeitest und Lee deinen Boss kennt, dann kann dieser Laden ja nur dem alten Phil Igran gehören.†œ
„Stimmt, ach die guten alten Zeiten… nicht wahr†œ, säuselte Rosi und zwinkerte ihm dabei zu. „Hoffentlich können wir die später noch ein bisschen auffrischen, aber jetzt möchtest du bestimmt auf dein Zimmer. Hätte ich gewusst, dass du mit… öhm….†œ Erst jetzt schien sie Doc zu bemerken und scannte sie mit einem Blick von oben bis unten. Sie nickte ihr kurz zu, und dann schnellten ihre Augen sofort wieder zu Sam.
„… Begleitung hier bist, hätte ich versucht zwei Einzelzimmer zu besorgen. Das ist im Moment zwar schwierig, aber soll ich mal nachsehen, ob sich da was machen lässt?†œ
Sam schüttelte den Kopf und bedankte sich bei Rosi, die sie zum Lift begleitete. Als sich die Fahrstuhltür geschlossen hatte, konnte Doc nicht länger schweigen.
„Wer zur Hölle war das denn bitte?†œ, platzte sie heraus.
Sam blickte auf sie herab, und ein kleines Lächeln stahl sich auf sein Gesicht.

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„Das war Rosi Nenkuchen. Sie ist ein Leprechaun. Ich kenne sie jetzt schon seit ungefähr 50 Jahren. Ich habe sie auf dem Junggesellenabschied von Liam Thorpe kennengelernt. Seitdem haben wir uns immer mal getroffen, wenn ich in Belfast war. Das letzte Mal ist aber bestimmt schon 10 Jahre her.
„Ist dir klar, dass man den Schönheitschirurgen für diesen Ganzkörperunfall eigentlich verklagen sollte? Meine Güte und ich dachte, Engel würden im Zölibat leben oder hätten wenigstens Stil. Und was sucht die auf einer Jungesellenenparty? Hat sie da gekellnert? Liam? Ein Verwandter von Duncan?†œ Obwohl Doc wusste, dass sie kein Recht dazu hatte, konnte sie sich nicht bremsen, und die Vorwürfe über diese zweifelhafte Bekanntschaft sprudelten nur so aus ihr heraus.
Sam amüsierte sich und schüttelte lachend den Kopf. War sie tatsächlich eifersüchtig auf Rosi?
„Jane, sie und ich sind wirklich nur befreundet. Um genau zu sein, hüpfte sie damals aus einer Torte. Liam ist Duncans kleiner Bruder. Früher haben wir öfter zusammen einen drauf gemacht.†œ Doc zog eine Braue hoch und malte dieses Bild in Gedanken aus. Er konnte ja nicht lügen und so unglaubwürdig das auch klang, es war wohl die Wahrheit. Docs bissige Bemerkung, dass es sich wohl um eine riesige Torte gehandelt haben musste, ging unter als sich in dem Moment die Aufzugstüren öffneten.
Die Honeymoon-Suite befand sich im 6. Stockwerk. Wenn man grün mochte, konnte man sich hier wirklich wohlfühlen. Passend zum Namen des Hotels waren die Vorhänge, die Bettwäsche, das Sofa und sogar die Fliesen im Bad mit vierblättrigen Kleeblättern übersät. Doc ließ sich gleich auf dem grünen Sofa nieder und testete das neue Notebook. Nach kurzer Installation der notwendigen Tools, checkte sie die Homepages der beiden Clubs, die Lee Sam auf einen Zettel geschrieben hatte.
„Das 12 Moons oder Swallows Nest, was meinst du, wo versuchen wir es zuerst?†œ, fragte Doc Sam, der sich neben sie gesetzt hatte und ein paar Erdnüsse aus der Minibar naschte. Er entschied sich für das Swallows. Dann ging noch mal runter zu Rosi, damit sich Doc in aller Ruhe frisch machen konnte. Nach einem ausgiebigen Bad und einem Telefonat mit Sweetlife, zog Doc das schwarze Kleid an, das sie gekauft hatte. Zufrieden schlüpfte sie in ihre Stiefel, versteckte einen ihrer schwarzen Dolche im Schaft und wartete, dass auch Sam, der mittlerweile nach seinem Besuch bei Rosi wieder aufgetaucht war, sich umgezogen hatte. Als er aus dem Bad kam, stockte ihr der Atem. Er hatte sein Haar zu einem Zopf zusammengebunden und trug zu seiner lockersitzenden Jeans ein waldgrünes Hemd. Auch wenn sie auf einer Mission waren, freute sie sich insgeheim mit ihm auszugehen. Nachdem sie den laut protestieren Ef-Ef ins Bad gesperrt hatten, gingen sie zu Fuß zum Swallows Nest. Der Club lag nur zwei Blocks weiter entfernt.
Vor der Tür hatte sich eine lange Warteschlange gebildet, der Türsteher war allerdings eine Frau, die ganz offensichtlich gefallen an Sam gefunden hatte. So wurden sie durchgewunken und konnten direkt eintreten.
Im Club war es brechend voll. Jane schien das nichts auszumachen. Sie bahnte sich einen Weg durch die Masse zur Theke und wurde direkt bedient. Wäre Sam der Barkeeper gewesen, er hätte auch alle anderen für sie warten lassen. In diesem hautengen Kleid sah sie zum Anbeißen aus und er konnte seinen Augen nicht von ihr lassen. Strahlend drehte sie sich mit zwei Cocktails in den Händen zu ihm um, dann bedeutete sie ihm mitzukommen. Die Musik war unglaublich laut, der Bass wummerte so stark, dass man das Gefühl hatte zu vibrieren. Sie machten sich auf den Weg in eine hintere Ecke. Beim Überqueren der Tanzfläche wurde er immer wieder an sie gedrückt. Er legte seine Hände an ihre Taille, bis sie einen freien Tisch ansteuerte und stehen blieb. Von dort aus konnten die beiden die gesamte Tanzfläche sowie auch die Theke gut überblicken. Leider waren keine Wiesel in Sicht. Nach einer geschlagenen Stunde bahnte Jane sich durch die Massen in Richtung Toilette. Als sie den Waschraum wieder verließ, erhaschte sie einen Blick auf einen bekannten rothaarigen Mann, der ihr entgegenkam. Jetzt oder nie.

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Sie hatte keine Zeit Sam davon in Kenntnis zu setzen, dass sie Patrick entdeckt hatte. Sie schubste ihn und zerrte ihn mit einem Ruck zu dem nahe gelegen Hinterausgang. O´Connely, der ziemlich angetrunken war, leistete vor Überraschung keinerlei Widerstand. Selber schuld! Der Hinterausgang mündete in einer dunklen Gasse, in der es menschenleer war. Einige Müllcontainer, hinter denen sich ein paar Ratten tummelten, verdeckten die Sicht auf sie. Über der Türe flackerte eine gelbe Neonröhre und verlieh der Umgebung eine zwielichtige Atmosphäre. Ein perfekter Ort für einen kleinen Plausch unter vier Augen. Er sah sie verdutzt an und langsam dämmerte ihm, wen er da vor sich hatte. Jane hielt ihn, mit eisernem Griff an der Kehle, fest an die Wand gedrückt. Gegen Sam hatte sie zwar keine Chance, aber vielen anderen Kreaturen war sie überlegen.
„Glaub mir, keine Frau die etwas auf sich hält, würde dich wortlos abschleppen, du Idiot. So, und nun erzählst du mir, wo du die Schachtel versteckt hast.†œ Seine verschlagenen Augen verengten sich und plötzlich spuckte er ihr mitten ins Gesicht. Jane verzog keine Miene und landete mit ihrer Faust direkt auf seiner Nase, die laut knirschte als sie brach. Patrick lachte.
„Du wirst sie nicht bekommen, du Miststück!†œ Doc fackelte nicht lange und verpasste ihm auf direktem Weg eine ihrer Energiekugeln. Zuckend sank er auf dem Boden zusammen und blieb bewegungslos liegen. Im Begriff Sam zu holen, hörte sie ein Klicken hinter sich.
„Hände hoch und langsam umdrehen, sonst puste ich dir dein Gehirn weg!†œ Ruhig folgte sie dieser Anweisung. Neben den Müllcontainern stand ein nackter Mann, der große Ähnlichkeit mit Patrick hatte. Er sah etwas jünger aus, demnach musste es sich um Kevin handeln.
„Hast du hier mit den Ratten am Müllcontainer gespielt? Hat Mami dir das denn erlaubt?†œ Da flog die Tür zum Club auf und Sam trat in die Gasse. Perfektes Timing. Kevin riss die Waffe herum. Er sah in Sam die größere Gefahr und drückte ab. Die Kugeln prallten wie Hagelkörner von ihm ab. Gemächlich schlenderte der Engel auf den Gestaltwandler zu und stellte sich zwischen ihn und Jane, um sie aus der Schusslinie zu bringen. Kevin schoss sein ganzes Magazin leer, dann ließ er die Waffe fallen, und die Luft um ihn herum begann zu flirren.
„Jane, er wandelt sich, bleib du hier bei Patrick, ich schnapp mir den hier …†œ
Kevins Knochen knackten und knirschten bei der Verwandlung seines Körpers in ein Wiesel. Mit einem kurzen Fiepen rannte er wie ein geölter Blitz aus der Gasse. Da begann auch die Luft um Sam herum zu flirren, die unangenehmen Geräusche blieben aber aus. Stattdessen war er einfach verschwunden. Unsichtbar, das erklärte auch, warum sie ihn in Newgrange damals nicht bemerkt hatte. Nervös tigerte sie die Gasse auf und ab, rauchte eine Zigarette nach der anderen bis er endlich, eine gefühlte Ewigkeit später, wieder auftauchte.

Fortsetzung folgt …

Kapitel 1: „Seitensprung der Sisterhood – Doc Jane in geheimer Mission“ findet sich hier!

Copyright © Seitensprung der Sisterhood

Natalie Pollock – eine fiktive Romanfigur mit 850 Fans auf Facebook

Natalie Pollock wurde am 15.04.1994 nicht geboren, sondern gegründet. Die 16-jährige Amerikanerin ist die Protagonistin in einem Online-Roman und die Erfindung der Autorinnen Laura Moser und Lauren Mechling, die ebenfalls nur im Netz zu finden sind. Auf der Website des amerikanischen Onlinemagazins Slate schreiben sie an einem Jugendroman unter dem Titel „My Darklyng„. Im Moment sind 33 Kapitel online gestellt und das Buch damit abgeschlossen. In My Darklyng, was ungefähr so viel wie „Mein dunkler Liebling“  bedeutet, geht es um Vampire -  um was auch sonst.

Natalie Pollock ist auf Facebook zum Leben erwacht. Sie mag Zucchini-Schokoladen-Muffins und Horrorfilme. Zu ihren Hobbies gehört die Fotografie, ihr Freund heißt Josh und heute überlegt sie sich, was sie zum kommenden Schulanfang anziehen wird. Sie postet Videos und Fotos und hat mittlerweile 850 Freunde, die ihre Pinnwand-Einträge lebhaft kommentieren und diskutieren.

Den ganzen Sommer über hat das Autorenduo  Mechling und Moser die Geschichte von Natalie Pollock erzählt.

Der Plot, der sich offen an den Vampir-Hype der Twilight-Saga ranhängt, entfaltet sich häppchenweise. Natalie erhält rätselhafte Nachrichten eines Stalkers, die auch auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht werden. Ihre Facebook-Fans können die Pinnwandeinträge kommentieren und werden so zu einem Teil der Geschichte.

„Schreibt man über irgendeinen Teenager im Jahr 2010“, sagt Mechling, „wäre es falsch, Facebook und Twitter nicht zu nutzen. Schließlich verbringen viele Teenager jede freie Minute im Netz. Dazu kommt ihr Hang, sich mitzuteilen und Dinge öffentlich gut oder doof zu finden. Jedes Mal, wenn die Leser eine Internetseite besuchen, und relevante Informationen zur Geschichte finden, sei es so, als hätten sie eine Schatzsuche gewonnen. Kleine, versteckte Zusatzinformationen halten auch die leicht ablenkbaren Leser im Geschehen.

Es wäre vermutlich übertrieben, das Projekt schon jetzt als bahnbrechend zu bezeichnen, dafür ist es zu klein, die Zahl der Leser zu niedrig. Dennoch zeigt die Arbeit der Autorinnen anschaulich, was im Netz in Sachen „Leserbindung“ inzwischen alles möglich ist.

Quelle: Süddeutsche Zeitung

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Black Dagger for crazy Ladies: NS-Island I

Black Dagger for crazy Ladies: NS-Island

Angie, Doc, Kerstin, Lilli und Lucy sind bekennende Fans der Autorin J.R. Ward und der von ihr geschriebenen, mittlerweile 14-teiligen, Black-Dagger-Serie.

KreuzfahrtschiffDie fünf Ladies haben sich hier vor ca. einem Jahr zufällig getroffen und halten seitdem einen regen Austausch über die Liebe und das Leben, Lust und Frust – in erster Linie allerdings über Männer! Unermüdlich sind sie auf der Suche nach der Idealbesetzung der  anziehenden Helden der Bruderschaft der Black Dagger. Logisch, dass die im wahren Leben schwer zu finden sind. 😉

Limousine mit Chauffeur Marcus

Und so entwickelt sich das abwechslungsreiche, amüsante Leben auf NS-Island ständig weiter. Die „Schnittensammlung“ wächst stetig. Inzwischen wurden fast 500 in den illusteren Kreis aufgenommen. Einige besonders nette Exemplare haben es sogar in die Moderatoren-Crew des beliebten Radiosenders der Insel geschafft. (Derzeit sind die Ladies auf der Suche nach einem dritten neuen Praktikanten) 😉

Um sich die Zeit zu vertreiben, haben die Ladies in ihrem Insel-Domizil einen Online-Roman mit dem „Arbeits-Titel“ Black Dagger Ladies Online geschrieben. Das Projekt ist seit Juli 2010 abgeschlossen. Seitdem schreiben die Ladies an einer Fortsetzung unter dem Titel „Seitensprung der Sisterhood“. Nachdem am Ende des ersten Romans alle wieder mehr oder weniger wohlbehalten zur Insel zurückgekehrt waren, sind sie nun schon wieder unterwegs zu neuen Abenteuern. Während Doc Jane nach einer geheimnisvollen Schachtel in Irland sucht, haben sich Angie, Kerstin und Lilli auf den Weg nach Schottland, Neuseeland und Argentinien gemacht. Alle wollen die Verwandtschaft ihrer neuen Geliebten kennenlernen. Da warten schon so einige Überraschungen auf sie. Na ja, wie sich zeigt, sind die Familienangehörigen von Vampiren und Drachen auf jeden Fall ungewöhnlich.

Das Ergebnis ist immer noch lustig, schräg und ein wenig chaotisch  – und im Vordergrund steht auch immer noch der Spaß an der Sache! 😆