Knoblauch, Kreuz und Weihwasser – Handbuch für Vampirjäger [Rezension]

Knoblauch, Kreuz und Weihwasser – Handbuch für Vampirjäger von Scott Bowen

Scott Bowen hat es verstanden ein wirkungsvolles Rezept gegen den allgemeinen Vampir-Hype unserer Zeit zu finden: Man nehme eine ordentliche Portion schwarzen Humor und eine Prise Skurrilität, würzt die Mischung mit jeder Menge makaberen Wortwitz und präsentiert das Ergebnis wortgewandt in sechs Kapiteln. Alleine das Vorwort treibt Tränen in die Augen – Lachtränen!
Das Handbuch ist flüssig zu lesen, teilweise herrlich blutrünstig und mit Liebe zum Detail geschrieben.

In den sechs Kapiteln bekommt man einen Einblick wie man Vampire erkennt, bekämpft und schnellstmöglich und rückstandslos beseitigt. Der Autor räumt mit den alten Vorurteilen auf, Knoblauch, Weihwasser und Kreuze würden gegen die Horden von Vampiren, die überall lauern, helfen.

Für ganz dringende Fälle liefert das Buch in den Rubriken „Vampirfakten“ und „Mal ganz nebenbei gefragt“ zusätzlich eine Schnellübersicht mit Ratschlägen wie man den „blutsaugenden Biestern“ zu Leibe rücken kann.

Ach ja, wichtig ist noch der Warnhinweis von Mr. Bowen: „Dieses Buch ist auf keinen Fall ernst gemeint und beruht auch nicht auf Tatsachen. Wer sich an die Anweisungen des Autors hält, handelt auf eigene Gefahr†œ.

Gut zu wissen, denn sonst könnte es humorlosen Personen durchaus passieren, den Nachbar plötzlich mit anderen Augen zu sehen, oder sich dabei zu ertappen einen verstohlenen Blick über die Schulter zu werfen, ob nicht doch… 😉
Jedem, der dieses Genre liebt, sei das Buch ans Herz gelegt. Ein großes Kompliment gebührt auch Daniel Müller, dem findigen Übersetzter.

Kurzbeschreibung
DAS Buch für Vampirjäger und alle, die es werden wollen – originell und wunderbar komisch: Seit Tausenden von Jahren wird unsere Welt von Vampiren bevölkert – Begegnungen mit ihnen sind inzwischen unvermeidlich geworden. Gut, wenn man dann mit den Verhaltensweisen und Gewohnheiten der unsterblichen Blutsauger vertraut ist. Dieses Handbuch vermittelt die wichtigsten Grundlagen, um gegen die Nachtgeschöpfe zu bestehen: Woran erkennt man einen Vampir, wie wehrt man einen Angriff ab? Und welche Fallen funktionieren überhaupt? Diese und andere existentiellen Fragen werden in diesem absolut unverzichtbaren Standardwerk ausführlich erörtert. Mit praktischen Anleitungen!

Über den Autor
Scott Bowen ist Redakteur und Schriftsteller. Er lebt und arbeitet in New York – der Vampirmetropole schlechthin! Laut eigener Aussage hat er bereits drei Blutsauger erlegt.

Knoblauch, Kreuz und Weihwasser – Handbuch für Vampirjäger von Scott Bowen umfasst 313 Seiten, ist im November 2009 im LYX Verlag erschienen und für 9,95 Euro im Buchhandel erhältlich.

Der Lesekreis bedankt sich ganz herzlich bei Angie für ihre geschilderten Eindrücke über das Buch und beim LYX Verlag für das Rezensionsexemplar.

Darkyn – Versuchung des Zwielichts von Lynn Viehl [Rezension]

Darkyn – Versuchung des Zwielichts von Lynn Viehl

Die plastische Chirurgin Dr. Alexandra Keller gehört zu den besten auf ihrem Gebiet. Sie behandelt in erster Linie mittellose Patienten und Opfer gewalttätiger Verbrechen. Die mehrmaligen Anfragen des aus New Orleans stammenden Millionärs Michael Cyprien an ihm eine plastische Operation durchzuführen, weist sie zurück. Daraufhin lässt dieser die Ärztin entführen, und zwingt sie so sein grässlich entstelltes Gesicht zu operieren.

Cyprien ist ein Darkyn, ein Vampir. Bislang war es nie gelungen ihn von seinen durch Folter zugefügten Leiden zu erlösen, da sein Körper einen extrem schnellen Heilungsprozess entwickelt hat. Dr. Keller gelingt diese schwierige Aufgabe, und als sie hofft, danach wieder unbeschadet in ihr altes Leben zurückkehren zu können, kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Cyprien verliert die Kontrolle über sich und fällt über Alexandra her. Sie verlässt ihn daraufhin, doch unvermeidbar kreuzen sich ihre Wege immer wieder. Es entsteht eine Romanze, die einen sehr schwierigen Start hingelegt hat und alles andere als einfach verläuft.

Zu Beginn des Buches betrachtet man Alexandra und erfährt Einiges über ihre Arbeit als Chirurgin und ihre Lebensumstände. Sie ist eine intelligente, mutige und selbstbewusste Frau um die 30, die sich nicht unterkriegen lässt. Ihr trockener, sarkastischer Humor macht sie sehr sympathisch.

Im Laufe der Handlung erfährt man immer mehr über die Gesellschaft der Darkyn und bekommt einen tiefen Einblick in ihre Strukturen und Gebräuche. Die verwendeten Begriffe wirken anfänglich etwas verwirrend, da die Autorin versucht eine neue Welt rund um den Vampirmythos zu erschaffen. Sie trinken Blut, ihre Wunden heilen außergewöhnlich schnell. Weiterhin hat jeder Darkyn ganz eigene Fähigkeiten, die ihn von seinen Artgenossen unterscheiden. Die Vampire glauben, der Ursprung ihrer Art liegt einem Fluch zu Grunde. Sie werden gnadenlos von einem geheimen Kirchenorden abergläubischer, abtrünniger Priester gejagt, dem sich zu guter Letzt Alexandras einziger lebender Verwandter, ihr Bruder John, anschließt. Der Roman ist mit grausamen Szenen gespickt, die einem ein ums andere Mal eine Gänsehaut bescheren.

Die Geschichte ist aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, die auf den ersten Blick keine Gemeinsamkeiten aufweisen. Dadurch hat man anfangs etwas Probleme einen Einstieg zu finden. Man stößt auf einige Bezeichnungen, die zuerst überhaupt keinen Sinn ergeben. Doch sobald sich die parallelen Erzählstränge miteinander verbinden und man ein wenig Hintergrundwissen über die geheimnisvollen Darkyn hat, nimmt die Handlung deutlich an Spannung zu. Die Liebesgeschichte um Alex und Michael, steht absolut nicht im Vordergrund. Durch die Verschwörungen und Intrigen, die sich sowohl innerhalb der Darkyn, wie auch im feindlichen Lager abspielen, zeichnet die Autorin einen enormen Spannungsbogen.

Trotz der Flut an Urban-Fantasy-Romanen ist es Lynn Viehl mit „Darkyn – Versuchung des Zwielichts“ gelungen, den Auftakt zu einer viel versprechenden neuen Serie zu schreiben. Die Welt der Darkyn ist schlüssig konstruiert und für Lara Adrian- oder J.R. Ward-Fans ein absolutes Muss im Bücherregal.

Der Lesekreis bedankt dich bei Doc Jane für diese schöne, aussagekräftige Rezension und beim Verlag LYX für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplars.

Die 390 Seiten umfassende broschierte Ausgabe ist am 15. April 2010 erschienen und für 9,95 Euro im Buchhandel erhältlich. „Darkyn 01 – Versuchung der Zwielichts“ von Lynn Viehl ist der erste Teil einer geplanten Serie. Der zweite Teil „Darkyn – Im Bann der Träume“ erscheint in der deutschen Übersetzung im Juli 2010 ebenfalls im LYX Verlag

Kurzbeschreibung
Dr. Alexandra Keller ist eine erfolgreiche Schönheitschirurgin, die ihre Praxis auch des Öfteren für Bedürftige kostenlos zur Verfügung stellt. Eines Tages erhält sie einen Anruf von dem Millionär Michael Cyprien, der dringend ihre Hilfe braucht. Als sich Alexandra weigert, seinen Fall zu übernehmen, lässt dieser sie kurzerhand entführen. Was Alexandra nicht weiß: Michael ist ein vierhundert Jahre alter Vampir. Er wurde von seinen Feinden furchtbar entstellt, doch seine raschen Heilungskräfte machen eine Operation nahezu unmöglich. Alexandra muss all ihre Fähigkeiten als Chirurgin aufwenden, um ihm zu helfen.

Klappentext
Sie ist seine einzige Hoffnung, der Dunkelheit zu entfliehen.
Alexandra Keller ist Ärztin und glaubt nur an das, was sich rational erklären lässt. Als sie jedoch dem geheimnisvollen Millionär Michael Cyprien begegnet, gerät ihr Weltbild ins wanken. Cyprien ist einer der unsterblichen Darkyn und verfügt über außergewöhnliche Kräfte.Schon bald kann sich Alexandra Cypriens magischer Anziehungskraft nicht mehr entziehen.

Über die Autorin
Die amerikanische Autorin Lynn Viehl wurde 1961 geboren. Unter Pseudonym hat sie bereits zahlreiche erfolgreiche Liebesromane geschrieben und erste Ausflüge in die Romantic Fantasy unternommen. Gegenwärtig lebt sie mit ihrer Familie in Florida.

Der Garten der letzten Tage von Andre Dubus III [Rezension]

Der Garten der letzten Tage von Andre Dubus III

Die Striptease-Tänzerin April muss ihre 3-jährige Tochter Franny mit in den Club nehmen, weil ihre Babysitterin sich krank fühlt und ins Krankenhaus kommt. Das Mädchen wacht nachts im Club auf und macht sich orientierungslos auf die Suche nach ihrer Mutter. Schließlich steht sie weinend an der Hintertür. AJ, ein Kunde des Clubs, findet sie dort und nimmt sie in bester Absicht mit in sein Auto. Er will sich um das Kind kümmern und es in Sicherheit zu bringen. Währenddessen bemüht sich April um einen jungen Araber, der hasserfüllt und zornig, aber mit sehr viel Geld eine Privatvorstellung bei ihr gebucht hat.

6 Tage lang, von Donnerstag bis Dienstag, werden diese und noch einige andere Personen in dem Buch detailliert beschrieben. In Rückblenden erfährt der Leser viel über die jeweiligen Vorgeschichten. Die Erzählperspektive ist dabei immer die jeweilige Figur, um die sich die Handlung dreht.

Das Highlight ist die Geschichte um den jungen Araber Bassam, der sich dann am Dienstag, den 11. September 2001, an den Anschlägen in den USA beteiligen wird. Was für ein Aufhänger! Die arabischen Begriffe, die der Autor benutzt und am Ende des Buches übersetzt, sollen wohl als Beweis für die Authentizität seiner Recherchen dienen oder zumindest seine Erzählgenauigkeit unterstreichen.

Und doch fragt man sich, warum tut er das? Gemeint sind nicht die kleinen Schritte in der Handlung, sondern die fehlenden Erklärungen für die wichtigen Entscheidungen. Warum der Araber in den Club geht, wird im Detail erklärt, aber warum er sich an diesem unmenschlichen Attentat beteiligt nicht. Warum April ihre Tochter mit in den Club nimmt ist klar, aber warum sie nach ihrem Albtraum um die verlorenene Tochter weiter als Stripperin arbeiten will, wird nicht klar. Vielleicht ist der gelungene Wechsel der Erzählperspektiven der interessanteste Aspekt in diesem Buch. Die Klärung der gescheiterten Ehe von AJ, einmal aus seiner persönlichen Sicht und einmal aus der Sicht seiner Frau, wäre ein eigenes Buch wert.

Doch leider bleibt der Autor im Anfang stecken, und auch die anderen Figuren beleuchtet der Autor nur an der Oberfläche. Oder überliest man auch die entscheidenden Passagen einfach, weil man in den endlosen Beschreibungen kleinster Details auf den fast 600 Seiten einfach ermüdet? Leider konnten diese Details nicht helfen, die Charaktere in dem Buch besser zu verstehen.

Kurzbeschreibung
Florida, Anfang September 2001: Die junge Stripperin April nimmt ihre dreijährige Tochter Franny mit zur Arbeit im Puma Club. Jean, ihre einsame alte Vermieterin mit dem wunderschönen Garten voller Blumen, liebt die Kleine von ganzem Herzen und passt sonst immer auf sie auf, doch heute ist sie wegen einer Panikattacke im Krankenhaus. In dieser Nacht hat April einen ungewöhnlichen Kunden: Bassam, einen jungen Araber, der gleichzeitig hasserfüllt und viel zu persönlich scheint und sein vieles Geld mit vollen Händen ausgibt. Ein anderer Mann, AJ, wird aus dem Club geworfen, er ist betrunken, zornig und einsam. Und dann sieht er auf einmal ein weinendes kleines Mädchen allein an der Hintertür des Clubs stehen…
Aus dieser explosiven Mischung entspinnt sich eine atemlose, unerbittliche, leidenschaftliche Geschichte um Sex und Elternliebe, um Ehre und Gewalt. Eine Geschichte von der düsteren Kehrseite der amerikanischen Erfolgsgesellschaft, und ihre realistisch gezeichneten Figuren kommen uns zum Greifen nah. April, Bassam, Jean, AJ und die kleine Franny sind in dieser Nacht durch ein gemeinsames Schicksal verbunden und jede Figur erzählt aus ihrer eigenen Sicht dieselbe Geschichte: die Geschichte des Moments, der Amerika und die Welt für immer verändert hat.

Der Garten der letzten Tage ist am 25.08.2009 im Verlag C.H. Beck erschienen. Die 598 Seiten umfassende gebundene Ausgabe ist für 24,95 Euro im Buchhandel erhältlich.

Der Lesekreis bedankt sich bei C.H. Beck für die freundliche Überlassung eines Rezensionsexemplars.

Über den Autor
Bevor Andre Dubus III Schriftsteller wurde, hat er als Privatdetektiv, Bewährungshelfer, Barkeeper, Raumpfleger und Schauspieler gearbeitet. Seine Romane wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter der Pushcart-Prize und der National Magazine Award for Fiction. Andre Dubus lebt in Massachussets.

Über die Übersetzer
Ulrike Wasel, geboren 1955, arbeitet als Übersetzerin angloamerikanischer Literatur. Klaus Timmermann, geboren 1955, arbeitet als Übersetzer angloamerikanischer Literatur in Düsseldorf.

Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels von Stefan Moster [Rezension]

Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels von Stefan Moster

„Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels„, der Debütroman von Stefan Moster, ist im August 2009 im mare Verlag erschienen. Mit seiner ersten belletristischen Veröffentlichung gelingen Moster mehrere wunderbare Synthesen. Der Roman spielt im geschlossenen Biotop einer Kreuzfahrtgesellschaft und versucht dennoch nicht †“ und dafür ist man dem Autor dankbar †“ ein Laborversuch zur Darstellung von „Gesellschaft an sich†œ zu sein. Er spannt einen weiten, höchst kenntnisreichen Bogen über so unterschiedliche Themen wie DDR-Lebensläufe, moderne Luxusreisen oder ‚Das wohltemperierte Klavier‘ ohne schulmeisterlich zu erscheinen. Er spinnt ein Beziehungsgeflecht auf dem Schiff, welches trotz magischer Begegnungen und Zufälle niemals märchenhaft oder gar kitschig wirkt.

Das Zentrum dieses Geflechts bilden eine Mutter, Ende 40, und ihr 20-jähriger Sohn. In Form von zwei abwechselnden Erzählerstimmen, kapitelweise überschrieben mit Almut und Sebastian, wird der Schiffsalltag und seine breite Palette an Personen entwickelt. Almut ist Bordpsychologin (im Schiffsprospekt direkt „neben dem Pfarrer†œ positioniert) und Sebastian arbeitet als Barpianist. Moster nutzt die Berufe seiner Hauptfiguren, um den feinnervig beobachtenden Blick zu motivieren. Almut empfängt regelmäßig nicht nur ratsuchende Passagiere, sondern auch den ehemaligen Stasi-Führungsoffizier Gaus (jetzt Personalmanager des Kreuzschiffes) mit dem sie eine zwiespältige Nähe und Vergangenheit verbindet. Sebastian, als Angestellter zweiter Klasse, erhält Einsicht in die unteren Decks, wo das vielfältige Personal untergebracht ist. Dabei wissen die beiden, die vor Monaten im Streit auseinandergegangen sind, nicht, dass sie den gleichen Arbeitgeber haben. Nur als Lesender verfolgt man gespannt ihre sich kreuzenden Wege bis hin zur Begegnung.

Mosters Schreibstil ist geprägt von der Liebe zu genauer Beobachtung und genauer Formulierung. So erkennt man als Lesender †“ oft geradezu amüsiert – viele spezifische Details wieder, von denen man nicht einmal gewusst hätte, dass man sie kennt. So etwa, wenn beschrieben wird, wie unangenehm die Unterarme auf den erhöhten Tischrändern aufliegen, die das Wegrutschen des Geschirrs bei Seegang verhindern. Almuts Blick †“ geschärft durch berufliche Erfahrung, aber dennoch höchst subjektiv †“ entlarvt nicht ohne eine gewisse Boshaftigkeit das Gebaren der Mitreisenden und selbst das ihrer „Patienten†œ. Als Bordpsychologin muss sie etwa beim Empfang der, fast ausschließlich deutschen, Touristen mit im Spalier der Angestellten stehen und konstatiert trocken:

[…]Die meisten tragen tatsächlich eine Art Stolz zur Schau. Sie sehen aus, als inspizierten sie ihr Eigentum, wenn sie sich zum ersten Mal im Foyer umblicken. Und wenn sie die Augen nach oben richten und registrieren, daß erst nach sechs Stockwerken eine Decke kommt, und auch dies nur in Form einer leicht gewölbten Glaskuppel, die den Blick freigibt auf den Himmel über dem Meer, dann nicken sie entweder anerkennend, oder sie heischen Lob von ihren Ehefrauen für das gewaltige Ambiente. […]
Ich weiß mittlerweile, wie es nach der adelnden Aufzugsreise in mancher Kabine weitergeht. Dann will der frisch zum Meister seines Lebens gekürte Herr von seiner Frau ein Zeichen der Anerkennung und schlägt Gunstbeweise rustikal-erotischer Natur vor. Weigert sich die Gattin, kann es passieren, dass der Mann ein paar Tage später an die Tür des Musikzimmers klopft und sagt, er müsse mal mit mir reden. Willigt sie ein, steigt wiederum die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau sich bei mir meldet, etwa per Anfrage über die Rezeption, im verschlossenen Umschlag, selbstverständlich.[…]

Almuts Beratungszimmer ist gleichzeitig das Musikzimmer, in welchem ein Blüthner-Flügel den Mittelpunkt für ihre Begegnungen mit Gaus darstellt. Eine überraschend intensive und faktenreiche Auseinandersetzung über Klaviermusik (hauptsächlich Bach und Schubert) bildet die Sprache für diese Beziehung, die Züge einer Hassliebe hat. Es ist eine ungewöhnliche Qualität dieses Romans, dass Gaus und Almut sich unerhört nahekommen in ihrem Verständnis über das Spielen, Moster dies aber nicht in einer Liebesbegegnung auflöst. Im Gegenteil, die Verletzungen des außermusikalischen Lebens †“ Gaus war maßgeblich an der Erstellung von Almuts „Akte†œ beteiligt – sind und bleiben so real, dass das titelgebende Motiv auch in dieser Beziehung einen Wendepunkt bedeutet. Almut spielt nicht mit Gaus zusammen.

Sebastians Stimme ergänzt und kontrastiert die seiner Mutter. Er ist bereits im Deutschland der Nach-Wende-Zeit eingeschult worden und erinnert sich an seine Kindheit vor allem in privaten Aspekten: alleinerziehende Mutter, wenig Geld, stark musikalisch geprägte Zweisamkeit. Sein Blick auf die Schiffsgesellschaft ist deutlich zwanzigjährig; er verliebt sich, er ist unsicher und er ist zum ersten Mal allein unterwegs. Sein Talent als Pianist beschreibt Moster aber mit ebenso eindringlicher Nachvollziehbarkeit wie das andersgeartete von Almut und Gaus.

[…]In mir kochte tatsächlich so etwas wie Eifersucht hoch, obwohl die Frau mehr als doppelt so alt war wie ich. Sie hätte meine Mutter sein können. Trotzdem machte es mich ganz nervös, Tintins Hand so auf ihrer Hüfte liegen zu sehen, dass die Spitze des Mittelfingers fast die Stelle erreichte, wo die Pofalte ansetzt.
Prompt rutschten mir ein paar Akkorde ab, und Tintin warf mir einen warnenden Blick zu. Ich bat um Entschuldigung, indem ich mit allen Fingern ziemlich laut eine primitive Kadenz in die Tasten stanzte, die Harmonien anschließend auf die simple Art zerlegte und in der gleichen Reihenfolge wiederholte, sodass es wie ein Intro wirkte. Tintin verstand sofort. Ich konnte es nicht genau erkennen, aber ich wette, er zwinkerte mir kurz zu, dann führte er die Frau zu der kleinen Tanzfläche , die seit Längerem wieder leer war, so wie meistens. Sie wird normalerweise nur ab und zu von Paaren, die sich gerade erst gefunden haben, für Anschmiegemaßnahmen genutzt. Genau das hatte Tintin jetzt im Sinn, und darum rollte ich ihm und seiner Beute wie ein gehorsamer Depp quasi den roten Teppich aus und spielte „Wonderful World“.[…]

Die abwechselnden Kapitel von Mutter und Sohn, in denen sowohl die Schiffsgegenwart mit ihren mannigfaltigen Begegnungen als auch die gemeinsame Vergangenheit erzählt werden, sind durch ein zartes Netz von Berührungspunkten verbunden: hier ein Buchtitel, dort ein gleichlautender Gedanke oder die Erinnerung an ein Wort. Manchmal treffen sie auch auf die gleichen Personen. Eine alte Frau, die eben noch mit Almut Kaffee getrunken hat, sagt zu Sebastian: Sie haben Ähnlichkeit mit jemandem. Diese Anklänge und Kreuzungen sind dabei so dezent und geschickt gestreut, dass sie weder zu bedeutungsschwanger noch sinnlos wirken – es entsteht einfach ein aufregendes Echo. Wie Almut Gaus gegenüber von Bachs Fugen sagt: zwei Stimmen laufen unabhängig voneinander parallel.

So vergehen auf 448 Seiten 157 Tage Schiffsreise ohne Längen. Der Reichtum an präzise formulierten Details ist ein Genuss †“ ob man nun thematisch an Klaviermusik oder dem Ablöseprozess erwachsener Kinder interessiert ist oder ob man sich über sorgfältige Sprachwahl freuen kann.

Kurzbeschreibung
Sie sind vor Monaten im Streit auseinandergegangen; nun ahnen sie nicht, dass sie sich auf demselben Kreuzfahrtschiff befinden: Almut, Ende vierzig, als Bordpsychologin, und ihr Sohn Sebastian, Anfang zwanzig, als Barpianist.
Während sich Sebastian in eine Kollegin aus der Crew verliebt und in das Schicksal von vier blinden Passagieren verstrickt wird, bekommt Almut Einblicke in die Ehe-Abgründe der Mitreisenden und muss sich ihrer Vergangenheit stellen, die plötzlich allgegenwärtig ist: in Gestalt von Bernd Gaus, dem Personalmanager des Luxusliners, der sich täglich zur Musikstunde am Flügel in Almuts Beratungszimmer einfindet…

Über den Autor
Stefan Moster, geboren 1964 in Mainz, lebt als Autor, Übersetzer, Lektor und Herausgeber mit seiner Familie in Espoo, Finnland. Er unterrichtete an den Universitäten München und Helsinki; 1997 erhielt er das Münchner Literaturstipendium für Übersetzung, 2001 den Staatlichen finnischen Übersetzerpreis. Unter anderem übertrug er Werke von Hannu Raittila, Ilkka Remes, Kari Hotakainen, Markku Ropponen, Petri Tamminen und Daniel Katz ins Deutsche. Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels ist Stefan Mosters erster Roman.

Weitere Pressestimmen sowie eine Leseprobe zu Stefan Mosters „Die Unmöglichkeit des vierhändigen Spiels“ finden sich hinter den Links.

Stefan Moster geht auf Lesereise und stellt sein Romandebüt am

19.04., um 20 Uhr, im Literaturhaus Rostock, Ernst-Barlach-Str. 5,
21.04., um 20 Uhr, im Literaturhaus München, Salvatorplatz 1,
23.04., um 19.30 Uhr, in der Stadtbücherei Uelzen, An der St. Marien-Kirche 1, vor.

Quelle Cover und Autorenfoto: mare Verlag

Die Maurin von Lea Korte

Die Maurin von Lea Korte

Andalusien gegen Ende des 15. Jahrhundert:
Zwischen den Mauren, die Andalusien beherrschen, und den christlichen Königen in Kastilien spitzt sich ein lange währender Konflikt immer mehr zu und endet schließlich in einem zerstörerischen, blutigen Krieg.

Zu dieser Zeit lebt die junge Zahra mit ihrer Familie in Granada. Ihre Familie gehört dem andalusischen Adel an und ist eng mit der maurischen Herrscherfamilie verbunden. Zahra dient der Sultanin als Hofdame, ihr Vater und ihre Brüder zählen zu den Beratern des Emirs. Da die Sultanin Aischa durch ihren Mann weitgehend vom Geschehen am Hof ferngehalten wird, muss Zahra für sie spionieren und ihr über alle Vorgänge am Hof Bericht erstatten.

So wird sie bald die engste Vertraute von Aischa. Bei einer ihrer Erkundungen sieht Zahra zwei Abgesandte und verliebt sich in einen der beiden, in Gonzalo. Diese Liebe ist gefährlich, da Gonzalo ein Kastilier und Christ ist. Er gehört dem kastilischen Adel an und ist ein enger Vertrauter von Königin Isabel.

Gonzalo, der den Krieg gegen die Mauren ablehnt, bemerkt Zahra und verliebt sich ebenfalls in sie. Durch ihre Kontakte zu den Herrscherfamilien werden Zahra und Gonzalo immer weiter in das Kriegsgeschehen hineingezogen. Es kommt zu mehreren schicksalhaften Begegnungen zwischen den beiden.

Doch Zahras Leben wird nicht nur durch den Krieg bedroht, die junge, freiheitsliebende Frau kämpft auch noch an einer anderen Front. Sie begehrt gegen die Fremdbestimmung ihres Lebens, die ihr muslimischer Glauben fordert, auf. Durch ihren Drang nach Selbstbestimmung, Freiheit und ihrem Volk zu helfen, gerät sie immer wieder in gefährliche Situationen, die sie meistern muss…

Lea Kortes „Die Maurin“ ist ein wunderschöner historischer Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite gefangen genommen hat. Die fiktive Lebensgeschichte von Zahra ist perfekt mit den historischen Ereignissen und Personen dieser Zeit verbunden.

Die Geschichte ist flüssig geschrieben und in zwei Handlungsstränge aufgeteilt, die harmonisch nebeneinander herlaufen und auch fließend miteinander verbunden werden. Der Autorin ist es sehr gut gelungen eine Grundspannung aufzubauen und sie bis zum Ende aufrecht zu erhalten. Es fiel mir schwer, das Buch aus der Hand zu legen.

Besonders gut hat mir gefallen, dass zu Beginn eine Auflistung der wichtigsten Personen der Geschichte eingefügt wurde. Man hat sofort einen Überblick, um welche Charaktere es sich handelt, wenn sie in der Geschichte zum ersten Mal in Erscheinung treten. Lea Korte liefert auch einen kurzen Überblick über die Vorgeschichte, warum und wann die Mauren auf die Iberische Halbinsel gekommen sind. Durch diese Anfangsinformationen ist man sofort in die Handlung eingeweiht und weiß, wie sich dieser Konflikt entwickelt hat.

Ich kann diesen Roman nur wärmstens weiter empfehlen. Ich habe ihn sicher nicht zum letzten Mal gelesen und überlege, ob ich den ersten historischen Roman von Lea Korte „Die Nonne mit dem Schwert“ lesen sollte.

Kurzbeschreibung
Andalusien im 15. Jahrhundert. Zwischen Mauren und Christen toben erbitterte Kämpfe – und mittendrin steht die junge Zahra. Als Hofdame und enge Vertraute -Aischas, der Hauptfrau des tyrannischen Emirs, gerät sie in ein grausames Spiel dunkler -Intrigen und rücksichtsloser Machtkämpfe. Dann verliebt sie sich ausgerechnet in den Spanier Gonsalvo – eine Liebe, die sie in tödliche Gefahr bringt …

Die 663 Seiten umfassende broschierte Ausgabe ist am 01.02.2010 im Droemer/Knaur Verlag erschienen und für 9,95 Euro im Buchhandel erhältlich.

Über die Autorin
Lea Korte, geboren 1963, wanderte nach Abschluss ihres Studiums nach Spanien aus, wo sie zuerst in Katalonien und später im Baskenland und in Valencia als Übersetzerin und Autorin lebte. Von Anfang an setzte sie sich intensiv mit der Geschichte und Kultur ihrer Wahlheimat auseinander. Zusammen mit ihrem französischen Mann und ihren beiden Kindern lebt sie heute in Südspanien.

Der Lesekreis bedankt sich vielmals bei Lilli für diese schöne Rezension!