Black Dagger Ladies Online †“ Zurück an Bord [Kapitel 6]

Black Dagger Ladies Online

Zurück an Bord
Kapitel 6

„Angie?“, flüsterte er eindringlich, „kannst du mich hören?“ „Nein“, murmelte ich, „aber bevor du mich kalt machst, oder was auch immer du vorhast, könntest du bitte erst das Messer aus meinem Kopf ziehen?“ Erstaunt tastete er meinen Kopf ab. „Aber da ist doch kein..“, da lachte er leise. „Oh, jetzt verstehe ich… Hier trifft einfach zu viel verschiedene Magie aufeinander. Moment, gleich geht es dir besser.“ Er nahm meinen Kopf behutsam in seine Hände und drückte ganz leicht seine Stirn gegen meine. Augenblicke später verschwand der Schmerz aus meinem Kopf. „Wie hast du das gemacht?“, fragte ich ihn kaum hörbar. „Warte, ich bin noch nicht fertig. Aber bevor ich dir alles erkläre, musst du erst zu Kräften kommen, damit ich dich hier herausbringen kann. Du darfst ab jetzt keinen Laut mehr von dir geben, egal was ich sage oder tue. Okay, jetzt kann es ein bisschen eklig werden. Aber du musst das unbedingt schlucken, versprich es mir!“ Nicken konnte ich nicht, also schloss ich kurz meine Augen und blickte dann wieder in seine, die mich freundlich ansahen. Keine Ahnung warum ich ihm vertraute, aber es war einfach so. Da zog er mich vorsichtig auf seinen Schoß, biss in sein Handgelenk und drückte es dann gegen meine Lippen. Die Flüssigkeit, die meinen Mund füllte, schmeckte etwas sonderbar, aber ich schluckte sie ganz vorsichtig herunter. Sie brannte heiß, aber nicht unangenehm in meinem Hals. Von meiner Magengegend aus durchflutete mich ein unheimlich gutes Gefühl. „So, das müsste fürs Erste reichen†œ, flüsterte er und leckte sich über seine Wunde, die sich daraufhin sofort wieder verschloss. „Kann ich jetzt meine Augen wieder haben?“, fragte ich ihn flüsternd. „Nein, kannst du nicht, Cousinchen. Das sind meine. Deine sehen zwar genauso aus, aber es sind trotzdem meine Augen. So, jetzt lassen wir erstmal den Drachencocktail wirken. Es kann nämlich noch ein bisschen dauern, bis du wieder Tango tanzen kannst“, flüsterte er grinsend an mein Ohr. Schockiert starrte ich ihn an, er ist doch wohl nicht…? Doch er legte mich nur wieder vorsichtig auf den Boden zurück, drehte mir den Rücken zu und riss die Tür mit einem Ruck auf. „So†œ, sprach er mit seiner anderen, fiesen krächzenden Stimme zu den Wachen, „das kleine Schätzchen ist wieder ruhig gestellt. Auf ein Wort, Jungs†œ, und damit zog er die Tür hinter sich zu. Plötzlich war nur noch ein unheimlich lautes Fauchen zu hören, als ob ein Flammenwerfer angeworfen würde. Dann hörte ich entsetzlich schrille Schreie, die abrupt abbrachen. Als sich die Tür kurze Zeit später wieder öffnete, roch es durchdringend nach verbranntem Fleisch und ein kleines bisschen nach Schwefel.
Da stand er, breit grinsend. Langsam verwandelte er sich vor meinen Augen in seine wahre Gestalt. Er war riesig, blond, muskulös, sehr gut aussehend und strahlte ein gesundes Selbstbewusstsein aus. Ich hätte schwören können, dass aus seiner Nase kleine Rauchwölckchen aufstiegen. „Nochmals hallo, Cousinchen“, feixte er, „ja, ich bin dein weit entfernter Cousin Drago, vom Clan der Grünen Drachen. Wir müssen hier schnellstens verschwinden, aber ich werde dir unterwegs alles erklären.“ Sprach´s, hob mich auf und trug mich an zwei kleinen noch rauchenden Aschehäufchen vorbei. Er trabte leichtfüßig mit mir durch ein Labyrinth von vielen unterirdischen Gängen, währenddessen fing er an zu erzählen: „Wir beobachten schon seit vielen Jahren die Aktivitäten der Red Dragon, lange bevor deine „Blümchenbrüder“ oder ihr Schwestern auf sie aufmerksam geworden seid.†œ Gott, hoffentlich sah ich sie alle wieder, dachte ich nur, und schon liefen mir wieder die Tränen übers Gesicht. „Was ist denn?†œ, fragte er leise. Ich erzählte ihm, was ich angestellt hatte. „Ach, das wird schon wieder†œ, versuchte er mich zu trösten, „die können schon auf sich aufpassen. Aha, der Norbert ist also deiner?“, grinste er mich an. Ich wurde rot und er redete schnell weiter. „Na, jedenfalls konnte ich mich in der Gestalt von diesem Dude bei ihnen einschleichen, hehe, er ist schon lange Geschichte, und so konnte ich so manche Aktion verhindern, aber eben leider nicht alles. Kannst du dir vorstellen, was ich für einen Schrecken bekam, als ich dich zusammen mit den Wachen in der geheimen Kammer fand? Ich muss meine Rolle sehr überzeugend gespielt haben, sie haben jedenfalls keinen Verdacht geschöpft. Sei bloß froh, dass ich dir die versteckten Waffen abgenommen habe und nicht sie.†œ Er grinste mich frech an, und ich knuffte ihn lächelnd.

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Ich kannte ihn und den Clan der Green Dragon eigentlich nur aus den Erzählungen meiner Großmutter. Dieser Clan war legendär unter den Drachen-Clans und irgendwie mit mir verwandt. Er war für die Einhaltung der Gesetze zuständig und fungierte als eine Art Sicherheitspolizei. Drago hatte den Ruf ihr bester Mann sein.
Als wir um die nächste Ecke bogen, blieb er vor einer Tür stehen, öffnete diese und rief erstaunt aus: „ Na, guck mal an, da ist ja unser Elfchen Lilli, und Zwölfchen Fernando ist auch da!“
„Angie!“ Lilli wollte sich gerade auf mich stürzen, als sie Drago entdeckte. Fernandos Hand schloss sich fest um seinen Schwertgriff, das weiße trat schon an seinen Knöcheln hervor. „Ganz ruhig, das ist mein Cousin Drago! Er spielt auf unserer Seite!“, ich zappelte in seinen Armen ein wenig herum und endlich ließ er mich herunter. Lilli umarmte mich so fest, dass ich fast keine Luft mehr bekam. „Oh Lilli, ich bin so froh dich zu sehen. Ich hatte echt Probleme und war in einer brenzligen Situation. Aber das erzähl ich dir später. Fest steht, wenn Drago nicht dagewesen wäre, wäre ich bestimmt Schlimmeres mit mir passiert. Ich möchte schnellstmöglich weg von hier. Wo sind denn die anderen?“ „Sind alle zurück zur Seraphim, wir sollten uns auch schleunigst auf den Weg machen, mensch Angie, bin ich froh, dass dir nichts passiert ist! Einige sind vor Sorge um dich fast umgekommen. Na los, nichts wie zurück an Bord würde ich sagen“, sagte Fernando und wandte sich dann an Drago. „Was ist mit dir, Grashüpfer? Lange nichts von dir gehört, wobei, irgendwie habe ich dich gar nicht vermisst. Wenn du mitkommen willst, meinetwegen, aber deine Feuerspucker-Nummer behältst du für dich, wenn du bei uns an Bord bist! Ist das klar? Ansonsten kannst du direkt ein Tänzchen auf der Planke hinlegen, und ich glaube, Wasser ist nicht so wirklich dein Element, wenn ich mich recht erinnere. Ich bin mir auch nicht sicher, ob die anderen sich ebenso darüber freuen, dich wieder zusehen.“
„Hm tja, da die Red Dragon sich ja leider von hier verpisst haben, könnte ich mir eure Nussschale mal anschauen. Na dann auf, ich kann das Wiedersehen mit den anderen Blümchen kaum erwarten.“ Okay, anscheinend kannte Drago die Bruderschaft der Schwarzen Orchidee. Wieso und weshalb war mir zwar noch unklar, aber das würde ich schon noch raus finden. Lilli schlug die Richtung zum Schnellboot an und wir folgten ihr. Ohne weitere Zwischenfälle erreichten wir unser Boot und hielten Kurs zurück zur Seraphim.

Endlich angekommen, stürmten auch schon die anderen versammelt auf mich zu. Auch Cyrus und Tiago, die während unserer Abwesenheit die Seraphim bewacht hatten, gesellten sich zu dem Begrüßungskomitee. Allen voran Norbert, der sich mir als Erster an den Hals warf. „Angie, oh mein Gott, da bist du ja endlich! Wie geht´s dir? Ich bin so ein Idiot, es tut mir unendlich leid, ich war ja so bescheuert.“ Er sah mir tief in die Augen und küsste mich so leidenschaftlich, dass ich schon befürchtete, wieder mein Bewusstsein zu verlieren. Er hatte aber auch betörende Lippen. Die ganze Anspannung fiel von mir ab, und ich merkte, wie mir Tränen über das Gesicht liefen. Man, das war haarscharf gewesen, und es hätte wirklich ganz anders ausgehen können. Norbert löste sich von mir und drückte mich nochmals ganz fest, nahm meine Hand und stellte sich an meine Seite. Dann wurde ich von Doc durchgeknuddlet. „Wo warst du? Bist du verletzt? Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht. Wer ist der Typ da?“
Es war so schön wieder in die vertrauten Gesichter zu blicken. „Mir geht´s gut, Kleine. Das ist mein Retter und Cousin Drago. Ich hätte gern erstmal ne Dusche, und später erzähle ich euch alles haarklein. Dann flüsterte Doc mir noch ins Ohr: „Du kannst ja nicht mal verschollen sein, ohne ne heiße Schnitte aufzutun, was!“ Es folgte eine Welle von Umarmungen. Dann trat Duncan auf mich zu. Er klopfte mir auf die Schulter und brummte irgendwas darüber, dass er froh sei, mich zu sehen. Dann forderte er uns alle auf, ihm in den Besprechungsraum zu folgen.

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Ich wartete bis alle losmarschiert waren, dann ging ich ihnen mit Norbert nach.
Im Besprechungszimmer konnte ich gerade noch sehen, wie sich Cyrus zwischen Bowen und Drago zwängte. „Hey Bowen, ganz ruhig, hier wird nicht rumgeschmust. Ich bin auch nicht froh, das Feuerzeug hier an Bord zu haben, aber vielleicht erweist er sich für uns noch nützlich.“ „Ich glaube nicht, dass wir hier einen Grillanzünder benötigen.“ Bowen fauchte noch einmal sehr Furcht einflößend den selbst zufriedenen, grinsenden Drachen an und setzte sich dann neben Doc. Was das wohl zu bedeuten hatte? Dann räusperte sich Duncan und stand auf.
„Also, wie wir ja alle feststellen konnten, haben die Red Dragon die Flucht ergriffen und ihren Standort in New Orleans aufgegeben. Trotzdem, ihr habt alle einen wirklich guten Job gemacht. Zum Glück sind alle wohlbehalten zurückgekehrt! Und abgesehen davon gibt es ein paar stinkende Ghule weniger. Ich hoffe, dass Lilli und Lucy noch einige aufschlussreiche Informationen von der zerstörten Festplatte retten können. Da wir überall auf dem Globus Kontaktleute und Informanten stationiert haben, konnte Sweetlife, die fleißig weiter recherchiert hat, einen möglichen weiteren Stützpunkt der Dragons ausmachen. Dann poliert mal euer Schul-Spanisch auf, denn unser nächstes Ziel ist in Südamerika. Um genau zu sein handelt es sich um die peruanischen Anden. Dort gibt es eine verlassene Geisterstadt – die versteckte Inka-Stadt der heiligen Lamas Choquequirao. Wir legen in Lima an und werden von dort nach Cusco fliegen. Dann geht es zu Fuß auf den Berg. Wir werden ca. 5 Tage brauchen bis wir in Peru sind, also ruht euch ruhig ein wenig aus. Vernachlässigt aber euer Training nicht, denn das wird ganz sicher kein Zuckerschlecken und uns wird Einiges abverlangt werden. So, nun zu unserem alten Bekannten Drago. Wie ich erfahren habe. ist er einerseits ein Verwandte von Angie und andererseits ihr Lebensretter. Das verschafft ihm einen gewissen Status! Also Jungs, keine Handgreiflichkeiten †“ allerdings werde ich euch auch nicht dazu zwingen nett zu ihm zu sein. Drago, in deinem Interesse rate ich dir, deine Zunge zu hüten. Denk an das letzte Mal als wir miteinander zu tun hatten. Gib deinen Leuten Bescheid, dass du hier bei uns bist, und dann treffen wir uns später noch einmal. Du wirst ja eine Menge Informationen für uns haben, da du schon länger verdeckt ermittelt hast. Ich hoffe, es sind ein paar hilfreiche Neuigkeiten für uns dabei. Das war es erstmal von meiner Seite, die Einzelheiten besprechen wir dann in den nächsten Tagen. Ach ja, bevor ich es vergesse, Angie, du sollst dich mit Sweetlife in Verbindung setzen.“ Duncan stand auf und ging aus dem Raum. Die anderen fingen an sich zu unterhalten.
Kaum war Duncan fort, packte Bowen Docs Hand, grinste sie an und zog sie raus auf den Korridor. Er warf sie sich über die Schulter und ging schnurstracks zu seiner Kabine. Docs halbherzigen Protest ignorierte er einfach. In seiner Kabine angekommen, versetzte er der Türe einen Tritt, die daraufhin laut zuknallte.“ „So, das hätten wir also.“ Er zog den Reißverschluss von Docs Lederjacke auf und streifte sie ihr ab. In seinen Augen stand ein solches Verlangen, das Doc das Gefühl hatte, seine Blicke würden sie tatsächlich berühren. „Bowen, ähm, ich würde gern kurz rüber zu mir und mich duschen und umziehen. Danach kannst du gern weiter Tarzan spielen.“ Sie legte die Hände auf seine Schultern, lächelte ihn an und gab ihm einen Kuss. „Hm, wieso duscht du nicht hier? Ich habe, als wir fort waren, von Tiago all deine Sachen hier in meine Suite bringen lassen.“ Er deutete mit einem Blick auf eine Kommode, die vorher noch nicht dort war. Daneben stand Docs Koffer. „Hältst du es nicht für nötig mich zu fragen, ob ich damit einverstanden bin? Ich sag´s dir gleich, ich hasse es, wenn Entscheidungen über meinen Kopf hinweg getroffen werden.“ Auch wenn dies der Wahrheit entsprach, irgendwie gefiel ihr der Gedanke in Bowens Kabine einzuziehen. Es sah sowieso ganz danach aus, als würde sie ihre Nächte an Bord in seiner Gesellschaft verbringen. „Sei nicht sauer, Jane, ich habe die Entscheidung auch erst getroffen, nachdem wir uns am Mausoleum unterhalten hatten. Da habe ich Tiago eine SMS geschrieben.

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Ich weiß, das geht alles etwas schnell, aber wenn man sich sicher ist! Ich bin kein geduldiger Mensch und ich will dich in meiner Nähe. Jetzt, wo dieser idiotische Drago an Bord ist, erst recht!“
Was Doc noch nicht wusste war, dass Vampire sich in ihrem Leben nur einmal binden. Wenn sie ihre Gefährtin gefunden haben, geht diese Verbindung über den Tod hinaus. Bowens Besitz ergreifendes Verhalten sah ganz danach aus, als würde ein besonderes Band zwischen den Beiden bestehen. Doch er wollte sie mit diesen Details nicht völlig unter Druck setzen. „Hm…okay Bowen, diesmal lasse ich dir das durchgehen, aber glaube nicht, dass du immer so leicht davon kommst und ich durchsetzten kannst.“
Sie streifte ihre Stiefel ab, zog ihre Hose aus, und stolzierte dann, wohl wissend, dass Bowen sie beobachte, ins Badezimmer. Badetempel würde es eher treffen, es verwunderte sie auch nicht, dass es komplett mit schwarzen Mosaiken gefliest war. Bowen stand anscheinend auf Schwarz. Sie stellte die Dusche an. Tiago, ganz der perfekte Concierge, hatte natürlich auch ihr Shampoo bereitgestellt.
Hm, Erdbeerduft!  Sie genoss einfach das Wasser auf ihrer Haut. Sie hörte die leisen Schritte, ignorierte sie aber einfach. Da fühlte sie zwei kräftige Hände.  „Wenn du wüsstest wie verführerisch du aussiehst, wenn der Schaum an deinem Körper hinab rinnt.“  „Du riechst nicht nur wie eine Erdbeere, du schmeckst auch so.“ Bowen küsste sie, stellte das Wasser ab und hüllte sie in ein Handtuch. Dann trug er sie zum Bett, legte sie vorsichtig darauf ab und setzte sich neben sie. „So, und jetzt bestellen wir erstmal was zu Essen aufs Zimmer, worauf hast du Lust?“ Er wollte schon nach dem Telefon greifen, aber Doc grinste nur.

Während Doc und Bowen sich schon zurückgezogen hatten, überlegte Kerstin wie sie Tim ablenken und Drago in ein Gespräch ziehen konnte. Sie hätte es sich nie träumen lassen, aber Drago hatte ihr Interesse geweckt, irgendwie fühlte sie sich magisch von ihm angezogen. War es der Reiz des Verbotenen? Denn sie war doch mit Tim glücklich! Oder etwa nicht? War es das Geheimnis, das Drago mit der Schwarzen Orchidee verband? Kerstin war ja schon immer sehr neugierig gewesen, und sie hätte auch Tim fragen können. Aber aus irgendeinem unerklärlichen Grund wollte sie es von ihm selbst erfahren. Was war nur los mit ihr? Warum wollte sie ihre Beziehung zu Tim, die doch super funktionierte, für einen Typen, den sie erst vor 30 Minuten kennengelernt hatte, aufs Spiel setzen? Sie wusste es selbst nicht. Aber der Drang es zu tun, wurde immer größer. Gerade als sie sich überlegte wie sie Tim ablenken könnte, kam Duncan. Er brauchte Tim im Maschinenraum. Irgendein Motor machte Schwierigkeiten.
Kerstin sagte zu Tim, dass sie auf ihrem Zimmer sei. Sie bräuchte dringend ein heißes Bad.

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Tim sah sie fragend an, wahrscheinlich spürte er die Veränderung in Kerstin. Aber er fragte nicht nach. Er nahm sie schweigend in die Arme und küsste sie zärtlich. Dann folgte er Duncan. Jetzt war Kerstin allein mit Drago. Ihm war es nicht entgangen, dass er Kerstins Interesse geweckt hatte. Da er aber auch gesehen hatte, dass Tim sie geküsst hatte, hielt er sich zurück. Er hatte ja schon einmal wegen einer Frau in Schwierigkeiten gesteckt. Er ließ Kerstin den ersten Schritt machen – und sie tat ihn. „So, so, du bist also Angies Cousin?†œ, fragte sie. „Jap“, antwortet er lapidar. „Ich will ja nicht neugierig sein, aber was ist da zwischen dir und den Jungs?“, fragte sie weiter. „Hm, sei mir nicht böse, aber darüber möchte ich mit dir jetzt nicht reden. Irgendwann wirst du es schon erfahren.“
Okay, das war jetzt nicht so gut gelaufen. Er schaute ihr tief in die Augen und Kerstin spürte plötzlich eine innere Ruhe. „Ah, du bist auch noch Gedankenleser?“ Schlagartig wurde ihr klar, dass er über diese Fähigkeiten verfügte. Doch letztendlich hatte sie ins Blaue geraten und war über seine Antwort überrascht. „Es wäre nett, wenn du es niemanden sagen würdest, selbst Angie weiß nichts davon.“ „Warum nicht?†œ, fragte Kerstin, die nun erst recht neugierig geworden war. „Weil es mein Geheimnis bleiben soll“, antwortete er in einem barschen Ton und sichtlich geschockt und wütend über Kerstins Entdeckung.
„Ist ja gut“, reagierte Kerstin schnippisch. Sofort wollte er sich bei ihr entschuldigen, aber Kerstin ließ ihn gar nicht weiter zu Wort kommen. „Es ist okay, wenn du nichts sagen möchtest, aber ich werde dich auf keinen Fall decken. Sollte mich jemand fragen, werde ich es erzählen. Solange werde ich schweigen und dich im Auge behalten“, sagte sie. Sie wollte gerade gehen, als Drago sie unverhofft an sich zog und in seine muskulösen Arme nahm.
Erschrocken wollte sie ihn von sich stoßen, aber dann empfand sie seine Berührung als sehr angenehm. Sie schauten sich tief in die Augen. Beide spürten das Knistern in der Luft. Ohne zu fragen legte er seine Lippen auf ihre, und sie dachte gar nicht daran sich zu wehren. Während sie in diesem leidenschaftlichen Kuss vertieft waren, stand plötzlich Lilli in der Tür. „Ups, das wollte ich jetzt aber nicht. Kerstin……†œ, weiter kam Lilli nicht, denn erst da erkannte sie, wen Kerstin da geküsst hatte. Ihre Miene veränderte sich schlagartig, sie fing wieder an grün zu leuchten und fuhr Kerstin an: †œKommst du bitte mal vor die Tür!†œ Lilli stand im Gang, leuchtend grün, die Arme vor der Brust verschränkt, ein Fuß tippte ungeduldig auf den Boden, sie sah furchterregend aus. Es hätte noch gefehlt, dass ihr Rauch aus den Ohren kam. Sie war stinkwütend. Kerstin schlich schuldbewusst aus der Tür und schloss sie leise. „Sag mal, bist du total meschugge! So einen Mist können wir jetzt gar nicht gebrauchen. Kannst du deine Hormone bitte mal im Zaum halten. Ich fasse das nicht, was ist, wenn Tim das erfährt? Am liebsten würde ich dir eine runterhauen. Oh Mist, Mist, Mist!†œ
Lilli konnte sich kaum beruhigen. „Ich weiß jaaaaa.†œ sagte Kerstin leise. „Besser gesagt, ich weiß auch nicht, was das jetzt gerade war. Ich fühlte mich wie magisch angezogen von Drago. Ich konnte mich gar nicht dagegen wehren. Ich war regelrecht machtlos. Du hast ja recht. So was geht gar nicht. Ich bin ja glücklich mit Tim. Ich muss einen klaren Kopf bekommen und mit Tim reden. Ich geh mal an die frische Luft und suche dann Tim.†œ Lilli hatte sich wieder beruhigt, sie nahm Kerstin in die Arme. „Ja, kläre das und bleibe erst einmal weg von diesem Drago.†œ Kerstin schlich davon und Lilli ging schnurstracks durch die Tür, um sich auch noch Drago zur Brust zu nehmen. Dieser stand selbstgefällig da und grinste breit: „Da ist ja unser Elfchen wieder.†œ Lilli wurde erneut grün vor Zorn, sie ging auf Drago zu und stach ihm immer wieder mit dem Zeigefinger in die Brust.

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„Was für ein selten dämlicher Drache bist du eigentlich? Reiz mich ja nicht noch mehr, sonst kriegst du eine auf die Zwölf. Du hältst dich von Kerstin erst einmal fern. Das hätte jetzt gerade noch gefehlt. Ich glaube, es sind sowieso nicht alle gut auf dich zu sprechen. Also halte mal schön die Füße still. Ich warne dich! Du bist mir zwar sehr sympathisch, aber das Elfchen kann sehr unangenehm werden. †œLilli drehte sich auf dem Absatz um, stürmte aus dem Raum und ließ einen ziemlich verdutzen Drago stehen. Lilli ging, immer noch etwas außer sich, direkt zum Computerraum. Lucy und Gavin waren schon bei der Arbeit. Gavin hatte alle Trümmerteile des geborgenen Dragon-Computer auf dem Konferenztisch ausgebreitet und hantierte daran herum. Lucy saß vor einem Bildschirm und ließ ihre Finger über die Tastatur fliegen. „Habt ihr schon was?†œ Gavin sah von seiner Arbeit auf: „Hallo Lilli, wir sind mittendrin. Es sieht aber schlimmer aus, als es ist. Die Festplatte ist nicht stark beschädigt.†œ Lucy drehte sich um. „Also, das sind absolute Stümper. Ihre Passwörter hatte ich in Rekordzeit geknackt. Es gibt auch schon eine gute Nachricht!†œ „Ja? Schieß los, was ist es denn?†œ Lucy grinste. „Also, uns können sie nicht klonen. Aus ihren Daten geht hervor, dass unsere DNA zu kompliziert und zu umfangreich ist, um sie zu vervielfältigen. Sie hatten es mit Duncan, Jean und Doc versucht. In den Berichten steht, dass magische Wesen nicht klonbar sind. Ich habe allerdings noch nicht herausbekommen, woher sie die DNA hatten.†œ „Das ist wirklich Klasse, dann müssen wir uns wenigsten darüber keine Gedanken mehr machen.†œ Lilli ließ sich auf ihren Stuhl fallen und wollte gerade ihren Computer hochfahren, da fiel ihr ein roter Umschlag, der auf ihrer Tastatur lag, auf. Sie schaute zu Lucy: „Was ist denn das?†œ Lucy konnte ein Grinsen nicht verbergen. „Keine Ahnung. Musst du halt mal aufmachen.†œ
Lilli öffnete den Umschlag und zog eine rote Karte heraus †“

Einladung zum Dinner
Hiermit möchte ich dich, Lilli, zum Dinner einladen. Komme bitte um 20.00 Uhr auf das Oberdeck in den Rosenpavillion. Wir müssen doch unser unterbrochenes Gespräch noch beenden. Ich freue mich auf Dich!
Fernando

Lilli steckte die Karte wieder in den Umschlag zurück und schaute gedankenverloren auf ihre Tastatur. „Und, gehst du hin?†œ, platzte Lucy heraus. Gavin lachte. „Natürlich geht sie hin.†œ Gavin schaute Lilli durchdringend an. „Lilli, Fernando mag dich wirklich sehr. Seit ich ihn kenne, und das ist schon sehr lange, hat er noch nie eine Frau zum Candlelight-Dinner eingeladen. Es ist ihm wirklich sehr ernst. Enttäusche ihn bitte nicht.†œ „Keine Angst, Gavin. Das habe ich nicht vor. Ich lass mir ganz sicher kein Dinner mit einem gutaussehenden Mann entgehen.†œ Lilli lächelte, drehte sich zu ihrem Computer um und pfiff „Quando†œ vor sich hin.

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Meine kleine Freundin, die Waldelfe, ist verliebt, dachte Lucy bei sich und musste lächeln. Ich hab sie schon so lange nicht mehr so fröhlich gesehen, wann hatte Lilli das letzte Mal gesungen, fragte sie sich im Stillen. Sie war verletzt worden. Ihre Wunden waren alle innerlich, sodass niemand sie sehen konnte, und sie gaben Lilli das Gefühl allein zu sein. Aber das war sie nicht. Lucy wusste, dass ihre Freundin ein Leben lang gegen etwas Schreckliches gekämpft hatte, und jeder Gefahr hatte sie die Stirn geboten. Und trotzdem hatte sie ihr Lächeln nicht verloren, konnte sich vor Lachen manchmal nicht halten und bekam immer noch feuchte Augen, wenn sie zwei Verliebte beobachtete. „Ich brauche eine Pause†œ, sagte Lucy und unterbrach ihre eigenen Gedanken, „spricht etwas dagegen, wenn ich eine Runde schwimmen gehe?†œ Lilli winkte ihr zu, ohne von ihrem Computer aufzublicken. „Geh nur.†œ „Warte, ich komme mit, ich muss auch mal Verschnaufen†œ, rief ihr Gavin hinterher.
„Ist okay, geht nur und amüsiert euch. Ich schaff das hier alleine†œ, antwortet Lilli und hing schon wieder über ihrer Tastatur.
„Was ist los?†œ, fragte Lucy, die den Blick von Gavin nicht deuten konnte. „Ich wollte mit dir eine Stunde allein sein. Es gibt hier an Bord einen Ort, den du noch nicht kennst.†œ „Na, dann los. Da bin ich aber mal gespannt.†œ
Gavin ging voraus, immer tiefer ins Schiff hinunter, ohne ein Wort zu sprechen. Lucy war erneut erstaunt über die Vielzahl von Gängen und Kabinen. Hinter jeder Tür vermutete sie ein neues Geheimnis. Plötzlich blieben sie vor einer großen massiven Holztür stehen. Sie war dunkel gebeizt und verziert mit vielen filigranen Schnitzereien und Intarsien. Allein die Tür zu sehen und mit den Fingern die Maserung und Linien nachzufahren, dieses alte Holz zu fühlen, war schon den langen Weg wert. Lucy zog fragend eine Augenbraue hoch und wartete. „Schließe deine Augen. Bitte.†œ „Okay, ich denke, das Risiko kann ich eingehen†œ, sagte sie mit einem schelmischen Zwinkern. Der Feuerelf öffnete die Tür und schob Lucy vor sich in den dahinter liegenden Raum. Sie hörte Donner, dachte sie zumindest, aber das war kein Donner, stellte sie fest und starrte auf den hoch aufragenden Wasserfall, der sich über zwei Felssäulen in ein großes blaues Becken ergoss. Überall standen Grünpflanzen, und sogar Palmen entdeckte Lucy. Lilien trieben im Teich, rosa und weiß, wie hingemalt. Die Luft roch nach Blumen und reinem Wasser. Lucy war so fasziniert von dem Anblick, dass sie einfach stehen blieb. „Das ist ein Nachbau der Feenfälle†œ, erklärte ihr Gavin. „Es ist unglaublich, oh Gavin, ein kleines Stück Paradies. Ich muss jetzt sofort ins Wasser gehen und zerrte sich die Stiefel von den Füßen. Sie zog ihr Kleid über den Kopf und stand jetzt nur noch in Unterwäsche vor ihm. Dann sprang sie hinein. Als sie wieder auftauchte, stieß sie einen Freudenschrei aus. „Oh mein Gott, es ist herrlich. Das Wasser ist warm und so weich wie Seide – es ist wundervoll. „Es heißt, die Feen wärmen das Wasser jeden Morgen mit ihrem Atem†œ, sagte Gavin und zog sich die Stiefel aus. „Leute mit weniger Fantasie sprechen allerdings von einer Heizung auf dem Beckengrund.†œ „Feen oder Heizung, das ist mir egal, ich finde es großartig!†œ Gavin sprang mit einem gewaltigem Platsch ins Wasser, wie Männer es gerne tun. Lucy lachte nur und spritze zurück. Gemeinsam tauchten sie unter, spielten im Wasser wie Seehunde †“ die Katze und der Feuerelf. Mit kraftvollen Zügen schwamm sie durch das Becken bis sie den Aufprall des Wasserfalls spürte. Sie stieß sich vom Boden ab und schwamm direkt hinein. Das Wasser prasselte auf ihre Schultern, ihren Nacken und ihren Rücken herunter und schwemmte alle Schmerzen und Müdigkeit weg. Gavin schwamm auf sie zu, schlang die Arme um sie und lachend ließen sie sich zurück in die Mitte des Beckens treiben. Seine Lippen glitten über ihre Schläfe und ihre Wange bis zu ihrem Mund. Sein Kuss war weich und warm wie das Wasser und seine Hand streichelte sie sanft wie ein Windhauch. Es gab nur sie beide. Dies war ihre Zeit und ihr Ort. Sie versank in seinem Kuss und ließ sich vom Wasser und seinen Armen tragen. „Ich brauche dich†œ, er sah sie an. „Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich brauche?†œÂ  Wenn dieses Verlangen die Wahrheit war, dachte Lucy, dann konnte sie den Rest ihres Lebens damit verbringen. Sie gab sich ihm hin. Sie wusste, dass diese Wahrheit Liebe war.

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Ich drehte mich in dem wunderschönen Badezimmer vor dem großen Spiegel und betrachtete mich kritisch von allen Seiten und  nickte mir zufrieden zu. Kein Grund nervös zu werden, du ziehst das jetzt durch. Du siehst gut aus, und das bisschen Make up wird schon reichen. Nur noch etwas Lipgloss, und dann kann es losgehen. Ich atmete nochmals tief durch und sagte laut zu meinem Spiegelbild:„Du bist cool!†œ Nur das ziehen in der Magengegend und meine leicht zitternden Hände sprachen dagegen. Doch bevor mich mein Mut verlassen konnte, zog ich mir den seidenen Morgenmantel an und trug noch einen Hauch meines Lieblingsparfüms auf. Das kleine Päckchen war sicher in der kleinen Tasche des Mantels verstaut, und ich machte mich auf den Weg zu seiner Kabine. Vor seiner Tür streifte ich meine Schuhe ab, straffte meine Schultern, öffnete leise die Tür und schob mich hinein. Ich drückte sie mit dem Rücken zu und drehte den Schlüssel um. Heute sollte uns niemand stören. Schnell huschte mein Blick durch die geräumige Kabine. Der Mittelpunkt bildete das riesige Bett, das mit einem schwarzen Satinlacken bespannt war, auf dem nur ein einziges Kissen lag. Aha, Vampire stehen wohl auf schwarz, sehr schön!
Da saß er. Der, der in meinen Träumen rumgeisterte und mich verrückt machte. Auch nur mit einem Morgenmantel bekleidet, saß Norbert über seinen Schreibtisch gebeugt, auf dem eine kleine Leselampe die Kabine in ein schummriges Licht tauchte und raschelte mit irgendwelchen Papieren. Erstaunt blickte er auf, und als er mich von oben bis unten betrachtet hatte, breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und seine Augen begannen zu funkeln. Meine Unterwäsche schmolz und alle Nervosität war mit einem Schlag verschwunden. Blitzschnell sprang er auf, und gerade als er sich auf mich stürzen wollte, hob ich abwehrend die Hände und sagte laut: „ Halt, bleib wo du bist†œ. Verwundert hielt er inne. „Angie, was …?†œ, fragte er leise. „Nein, heute mische ich die Karten†œ, unterbrach ich ihn mit einem Lächeln und hielt das Päckchen hoch. „ Ich werde mit dir Mau-Mau spielen, aber nach meinen Regeln. Kennst du das Spiel?†œ Er schüttelte nur langsam den Kopf und kam wieder auf mich zu. „ Nein, bleib stehen, ich werde es dir erklären.†œ
Mit diesen Worten bewegte ich mich in seine Richtung, hob die erste Karte hoch, und zeigte sie ihm.

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Doc öffnete die Augen und konnte nichts sehen, totale Schwärze. Seltsam, eigentlich konnte sie im Dunkeln fast so gut sehen wie bei Tag. Sie hob den Kopf und atmete erleichtert auf, sie war wohl auf dem Bauch eingeschlafen und hatte mit dem Gesicht im Kissen gelegen. Sie stützte sich auf die Ellbogen, blickte rechts neben sich und sah in Bowens schlafendes Gesicht, er lag auf der Seite und hatte einen Arm um sie geschlungen. Schlafend hatte er etwas reizend Jungenhaftes an sich, fand Doc. Wie alt mochte er eigentlich sein, fragte sie sich? Seinem Äußeren nach zu urteilen war er allerhöchstens 35 Jahre alt, aber bei Vampiren hieß das ja nichts. Sie drehte den Kopf und blickte auf den Wecker, der neben dem Bett auf dem Boden stand. Es war erst 18 Uhr. Klar, sie waren ja die ganze Nacht im Mausoleum gewesen und erst am frühen Vormittag auf die Seraphim zurückgekehrt. Sie drehte sich auf die Seite, und als sie gerade aufstehen wollte, warf sich Bowen plötzlich auf sie. „Hey, hiergeblieben! Hier kommst du nicht mehr raus!“, sagte er und bedeckte ihre Schulter mit Küssen.
Ihr Magen gab ein lautes knurrendes Geräusch von sich. „Können wir dann vielleicht eine Pizza bestellen? Ich komme um vor Hunger. Ich habe ja schließlich kein Blut zu trinken bekommen.“ „Ich habe auch Hunger. Blut trinken wir nur zum Genuss und wegen der aphrodisierenden Wirkung. Es ist aber nicht lebensnotwendig, wir müssen auch normale Nahrung zu uns nehmen. Okay, ich habe eine Idee. Pizza steht nämlich nicht auf der Roomservice Karte, dazu müssen wir dann aber doch das Bett verlassen.“ Die Beiden standen auf. Doc schlüpfte in ein kurzes hellblaues Strandkleid und zog ihre heißgeliebten Bikerstiefel an. Bowen stieg in eine locker sitzende Jeans, zog ein verwaschenes Stones-T-Shirt über den Kopf und glitt mit den Füßen in ein paar ziemlich mitgenommen wirkende Chucks. Bei dem Anblick musste Doc grinsen, er sah so gar nicht wie der furchteinflößende Krieger aus, der er in der Nacht bei ihrem Einsatz gewesen war. Er gefiel ihr immer besser, wenn das überhaupt noch möglich war.
Bowen öffnete die Türe, legte ihr den Arm um die Schultern und führte sie den Korridor entlang. „Wohin gehen wir denn?“ Doc war immer gern über alles im Bilde und Bowen machte sich einen Spaß daraus sie an der Nase herumzuführen. „Warts ab Jane, du wirst es schon sehen. Es hat auf jeden Fall was mit Pizza zu tun.“ Er lotste sie immer tiefer ins Schiffsinnere. „Die Restaurants sind doch oben. Hm…“, grübelte sie laut, aber er lächelte nur. Als sie ein weiteres mal rechts abbogen waren, blieben sie vor einer Doppelschwingtüre mit zwei kreisförmigen Fenstern stehen. Daneben hing ein Schildchen mit der Aufschrift „Kombüse†œ. Er hielt ihr die eine Hälfte der Tür auf. „Bitteschön, treten Sie ein, und genießen sie ihren privaten Kochkurs mit Smutje McRieve.“ Kochkurs? Ohje, hoffentlich erwartete er nicht zu viel von ihr. Beim Brauen geheimnisvoller Tränke war sie unschlagbar, aber in der Küche war Doc eher eine Handgranate. Sie trat ein und war erstaunt wie riesig der Raum war. Eine Wand war mit Edelstahlanrichten gesäumt, in der Mitte befand sich eine gigantische Herdinsel, die bestimmt über 12 Kochstellen verfügte. An der gegenüberliegenden Wand standen mehrere Öfen und Kühlschränke. Zwei Türen im hinteren Bereich der Küche führten vermutlich zu Lagerräumen. „Wieso ist hier denn keiner?“ „Das hier ist nur eine der beiden Küchen an Bord, momentan sind ja nicht allzu viele Personen hier. Diese wird nur zum Lagern benutzt, oder wenn wir mal ein großes Fest schmeißen. Wir sind hier ungestört und können tun und lassen was wir wollen, und da meine schöne „Erdbeere†œ Lust auf Pizza hat, soll sie auch eine bekommen. So, dann wollen wir mal.“ Zielstrebig ging Bowen in einen der Lagerräume und kam kurz darauf mit Mehl, und einigen anderen Lebensmitteln bepackt, zurück.
Er zog pfeifend eine große Schüssel unter der Arbeitsfläche hervor, schüttete alles für den Teig hinein und fing an zu kneten. Doc beäugte das alles kritisch und stellte fest, dass sie ihn so ziemlich bei allem was er tat aufregend fand. „Dann komm mal her, ist ja deine Kochstunde.“

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Doc schritt langsam zu ihm hin. „Keine Angst, der Teig beisst nicht“, sagte er mit einen leichten Grinsen und legte den Teigklumpen auf die Arbeitsfläche. Als er Docs Zögern bemerkte, nahm er ihre Hände. Er stellte sich hinter sie und legte seine Hände auf ihre.
Zusammen begannen sie den Teig zu kneten. In Doc begann es zu kribbeln, er hatte wunderschöne Hände, und sie musste daran denken, wie sie sich auf ihrem Körper angefühlt hatten. „Ich wusste gar nicht, dass Kochen so leicht ist“, sagte sie und versuchte Bowen zu küssen. Er erwiderte ihren sehr intensiven Kuss, sie drehte sich zu ihm um und verspürte ein großes Verlangen, sie bemerkte, dass es im genauso ging. Wilde Fantasien blitzten durch ihren Kopf, aber das laute Knurren ihres Magens verdarb dann doch den Spaß und erinnerte sie an ihr eigentliches Vorhaben. „Du kleiner Nimmersatt“, neckte er und drückte ihr ein Nudelholz in die Hand. „Soll ich damit auf den Kopf oder die Knie zielen?“, fragte sie ihn und schwang das Nudelholz in der Luft herum. Gemeinsam rollten sie den Teig aus. Ruckzuck waren beide Pizzen fertig, und Bowen schob sie in den heißen Ofen. Als er sie ansah musste er lachen.
„Hey, was ist denn so komisch?“ „So komplett eingemehlt, siehst du zum Anbeißen aus.“ Doc schnaubte, sammelte etwas Mehl mit ihrer Hand auf und bewarf Bowen damit. „Na warte!“ Er wollte sie packen, aber sie duckte sich und flitzte einmal um die Kochinsel herum, er lief ihr nach, und lachend ließ sie sich einfangen. Nach einem Kuss schmiegte Doc sich an ihn, sah dann zu ihm auf,und ihr Gesicht nahm ernstere Züge an. „Bowen, sag mal, wie alt bist du eigentlich und woher kommst du? Nicht, dass es wichtig wäre, aber mich würde es schon interessieren.“ „Ich bin 34, oder findest du, ich sehe jünger aus?“ „Nein im Ernst, also sag schon.“ „Na gut, okay, ähm, ich bin 406 Jahre alt.“ Ihre Kinnlade klappte herunter. Das erklärte natürlich seine Erfahrung in so einigen Bereichen. „Ich wurde 1604 in Schottland geboren. Meine Eltern waren Kaufleute dort und sie sind bei einem Anschlag ums Leben gekommen als ich 25 war. In den vergangen Jahrzehnten haben wir, also die Bruderschaft, immer wieder in anderen Ländern gelebt. Seit ca. 3 Jahren wohnen ein paar von uns dauerhaft hier auf dem Schiff, das ist praktisch und mir persönlich gefällt es auch. So hat man eine Menge Abwechslung. Und wie steht es mit dir?“
Doc räusperte sich und senkte die Stimme ein wenig: „Ich wurde 1775 in Avalon geboren und wuchs auch dort auf. Mein Vater ist keltischer Abstammung und Merlin, also einer der höchsten Druiden gewesen. Von meiner Mutter weiß ich nur, dass sie eine Walküre gewesen war. Ich habe sie nie kennengelernt, denn sie starb bei meiner Geburt. Mein Dad hat das nie verwunden, er sprach niemals von ihr. Avalon liegt zwischen England und Irland, aber nur Druiden und andere magische Wesen haben Zugang dorthin, deshalb ist seine Existenz sehr umstritten. Vor 100 Jahren wurde der Zugang dorthin aber gänzlich zerstört, Avalon trieb immer mehr in die Nebel ab und ist nicht mehr zu finden, auch nicht magisch. Diejenigen die noch dort leben, unter anderem mein Vater, können nicht mehr von dort weg und auch keinen Kontakt in die andere Welt aufnehmen.“ Bowen sah an Docs Augen, dass es sie schmerzte, nicht mehr in ihre Heimat zurück zu können, und dass sie ihren Vater, den Merlin Gandalf, nie mehr wiedersehen würde. Sein Herz krampfte sich zusammen, er wollte nicht, dass es irgendetwas in ihrem Leben gab, das sie bedrückte. Er würde für sie durchs Feuer gehen. Er drückte sie fest an sich. „Hey, ich möchte, dass du weißt, dass ich nicht vorhabe dich wieder zu verlassen und du mir alles anvertrauen kannst.“ Doc schniefte an seiner Brust. So verletzlich zeigte sie sich eigentlich nie, aber sie wusste, dass Bowen jemand Besonderes war. Sie hatte das Bedürfnis alles mit ihm zu teilen, auch die Dinge, über die sie nicht gern sprach.
„Ich glaube, die 15 Minuten sind rum. Wo essen wir denn? Hier?“ Bowen merkte, dass sie einen Themenwechsel beabsichtigte und ging darauf ein. „Also, nachdem ich dir heute vorwiegend meine guten Seiten präsentiert habe, wäre es an der Zeit dir ein weiteres Geheimnis anzuvertrauen.“ Er grinste schelmisch und holte die herrlich duftenden Pizzen aus dem Ofen.

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Er schnitt sie so schnell, dass das menschliche Auge es kaum hätte nachverfolgen können. Er nahm die zwei Teller und verließ damit die Küche. Doc folgte ihm, und gemeinsam fuhren sie mit dem Aufzug zwei Decks nach oben. Als die Tür des Lifts sich öffnete, sah sie schon ein großes Schild auf dem das Wort „Kino†œ prangte. „Oh, wow, ein Kino! Mensch, hier kann man es ja wirklich aushalten.“ Sie öffnete für Bowen die Tür und trat nach ihm, in den nur von Wandstrahlern schummrig beleuchteten Raum, ein. Das Kino war wunderschön. Es war nicht wie üblich mit diesen Klappsitzen bestückt, sondern dort standen sicherlich zwanzig bequem anmutende Sessel. Ein paar vereinzelte Sofas aus rhage-rotem Samt befanden sich ebenfalls in dem Raum. Der Boden war mit schwarzem Teppich ausgelegt. Sie ging zu einem Sofa in der Mitte und setze sich. Bowen stellte das Essen auf einem kleinen Beistelltisch ab, ging in die hintere Ecke zu einer kleinen Theke und zapfte dort zwei Cokes. Dann fuhrwerkte er noch etwas an der Technik herum und kam mit den Getränken und einer Fernbedienung zurück. Er ließ sich neben Doc aufs Sofa fallen, seufzte und blickte sie dann strahlend an. „So, Jane, ich hoffe, du bist erfreut darüber, mit mir an einer Godzilla-Kinonacht teilzunehmen. Ich liebe diese Filme einfach.“ Ohje, dachte Doc, man muss ja nicht in allem denselben Geschmack haben. Glücklich nahm sie ein Stück Pizza und kuschelte sich an Bowen. „Na dann mal los, ich kann´s kaum erwarten.“

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Fortsetzung: Black Dagger Ladies Online †“ Ein neuer Passagier [Kapitel 7]