Am 17.09. startet die Literaturverfilmung von „Schande“ (orig. Disgrace) von dem vielfach ausgezeichneten südafrikanischen Schriftsteller J.M. Coetzee in den deutschen Kinos. Coetzee, geboren 1940 in Kapstadt, erhielt zwei Mal den Booker Prize (u.a. 1999 für Schande) und 2003 den Literaturnobelpreis.
1974 veröffentlichte Cotzee seine erste Erzählung unter dem Titel Dusklands. In ihr wurden Parallelen zwischen Amerikanern in Vietnam und der niederländischen Besiedlung Südafrikas gezogen. Seine Werke nehmen immer sehr deutlich Bezug auf die sozialen und politischen Missstände und Probleme seines Landes und stellen die Menschlichkeit auf hohem ästhetischen Niveau in den Mittelpunkt. Einzelschicksale werden allegorisch für alle Menschen dargestellt.
In Schande setzt sich der Autor, neben den Konflikten zwischen Schwarzen und Weißen sowie zwischen Männern und Frauen, auch mit dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier auseinander.
In den Hauptrollen agieren John Malkovich als David Lurie und Fiona Press als Lucy. Weiterhin sind Scott Cooper, Eriq Ebouaney, Jessica Haines in dem Film zu sehen. J.M. Coetzee arbeitete an dem Drehbuch mit.
Zum Inhalt
David Lurie ist schon in seinem eigenen Leben kein Held, geschweige im dem von jemand anderem. Mit 52 Jahren ist der Protagonist von Schande am Ende seines beruflichen wie auch seines Liebeslebens angelangt und scheint geradezu absichtlich mit dem Unglück zu flirten. Seit langem Professor für Neuere Philologien am Cape Town University College in Kapstadt, wurde er kürzlich zum Assistenzprofessor für Kommunikation derselben Einrichtung degradiert, die mittlerweile ostentativ in Cape Technical University umbenannt wurde.
Obwohl er seiner neuen Disziplin täglich viele Stunden widmet, findet er deren erste Prämisse, wie sie im „Communications 101“-Handbuch formuliert ist, geradezu absurd: „Die menschliche Gesellschaft hat die Sprache erfunden, damit wir unsere Gedanken, unsere Gefühle und unsere Absichten einander mitteilen können.“ Seiner Ansicht nach — die er für sich behält — liegen die Ursprünge der Sprache im Gesang, die Ursprünge des Gesangs wiederum in der Notwendigkeit, die übergroße und ziemlich leere menschliche Seele mit Klang zu erfüllen.
David, der bereits zweimal geschieden ist und dessen äußerliche Anziehungskraft nachläßt, verführt auf ziemlich unbarmherzige Weise eine seiner Studentinnen; sein unschickliches Verhalten wird bald aufgedeckt. In seinem achten Roman wäre J.M. Coetzee vielleicht damit zufrieden gewesen, eine tiefgründige akademische Satire zu schreiben. Aber in Schande hat er sich weitaus mehr vorgenommen, und seine Kunst ist so kompromißlos wie seine Hauptfigur — allerdings auch unendlich komplexer. Nicht bereit, das Spiel der öffentliche Reue mitzumachen, läßt sich David schließlich feuern — eine letzte Geste der Verachtung. Nun, denkt er, kann er sich hinsetzen und etwas über Byrons letzte Lebensjahre schreiben — keine leere, ungelesene Kritik, „Prosa als Meterware“ sozusagen, sondern ein Libretto. Zu diesem Zweck reist er in die Ost-Kap-Provinz zur Farm seiner Tochter. Lucy, die Mitte Zwanzig ist, kehrte dem Schick der Stadt den Rücken und lebt nun auf fünf Hektar Land vom Blumen- und Gemüseanbau und einem Hundeasyl. „Nichts könnte einfacher sein“, denkt David. In Wirklichkeit könnte nichts schwieriger sein — oder, jetzt im neuen Südafrika, gefährlicher. Weit davon entfernt, die Zuflucht zu sein, die er gesucht hat, ist in Salem kaum etwas sicher. Gerade als sich David in seine vorübergehende Rolle als Landarbeiter und wenig begeisterter Freiwilliger im Tierheim eingelebt hat, werden er und Lucy von drei schwarzen Männern überfallen. Unfähig, seine Tochter zu beschützen, ist Davids Schande nun komplett. Ihre ist allerdings weitaus größer.
Es gibt in Coetzees schmerzlichem Roman viel mehr zu erkunden, und wenig davon ist tröstlich. Es wäre zu einfach, seinen Titel aufzugreifen und Schande als eine komplizierte Aufarbeitung persönlicher und politischer Schande und Verantwortung zu betrachten. Aber das Anliegen des Autors ist die Geschichte seines Landes, die Brutalitäten und der Verrat. Coetzee setzt sich auch mit der Frage auseinander, wieviel Seele und wieviele Rechte wir Tieren zugestehen. Nach dem Überfall nimmt David seine Rolle im Hundeasyl viel ernster und findet schließlich eine Art Zuhause und ein gewisses Maß an Liebe. In Coetzees The Lives of Animals, vor kurzem in der Schriftenreihe der Princeton University erschienen, erzählt eine alternde Romanschriftstellerin ihren Zuhörern, daß die Frage, die alle Labor- und Zootiere beschäftigt, lautet: „Wo ist mein Zuhause, und wie komme ich dorthin?“ Obwohl er im Vergleich zu den ungewollten Tieren, die in seiner Obhut sind, geradezu allmächtig ist, ist David letztendlich genauso gefangen und genauso verloren wie sie.
Schande ist geradezu gewollt einfach. Und doch besitzt es seine ganz eigene magere, herzzerreißende Lyrik, vor allem in den Beschreibungen der ungewollten Tiere. Am Anfang der Geschichte erklärt David seiner Studentin, daß Lyrik den Leser entweder sofort anspricht — „eine plötzliche Offenbarung und eine plötzliche Reaktion“ — oder überhaupt nicht. Coetzees Buch spricht da anders; seine Schichten und Traurigkeiten wickeln sich endlos ab. —Kerry Fried, Amazon Redaktion