Der schönste erste Satz von Penelope Fitzgerald

Penelope FitzgeraldGanz dumm und weltfremd war Jakob Dietmahler nicht: Er sah sehr wohl, daß sie ausgerechnet am Tag der großen Wäsche im Elternhaus seines Freundes ankam.

Die blaue Blume von Penelope Fitzgerald

Penelope Fitzgerald, geboren 1916, war mehrmals für den traditionsreichen Booker Prize nominiert, der ihr 1979 verliehen wurde. 1998 erhielt sie als erste nichtamerikanische Autorin den angesehenen National Book Critics` Circle Fiction Prize. Penelope Fitzgerald starb 2000.

Sie war die Tochter von Punch Editor Edward Knox und die Nichte des Theologen und Krimischriftstellers Ronald Knox, des Kryptographen Dilly Knox und des Bibel-Gelehrten Wilfred Knox. „Als ich jung war,“ schrieb Fitzgerald später, „habe ich meinen Vater und meine drei Onkel für selbstverständlich genommen, und es ist mir nie aufgefallen, dass alle anderen nicht wie sie waren. Später habe ich festgestellt, dass dies ein Fehler war, aber ich habe es nicht ganz geschafft, mich ihnen anzupassen. Ich vermute, sie waren ungewöhnlich, aber ich denke, dass sie ein Recht dazu hatten.“
Sie studierte am Somerville College, Oxford und arbeitete für die BBC während des Zweiten Weltkrieges. 1941 heiratete sie Desmond Fitzgerald, einen irischen Soldaten. Sie hatte drei Kinder, einen Sohn und zwei Töchter. In den 1960er Jahren, unterrichtete sie an der Schauspielschule Italia Conti Academy und arbeitete in einer Buchhandlung in Southwold, Suffolk. Eine Zeit lang lebte sie auf einem Hausboot in Battersea an der Themse, das Berichten zufolge zwei Mal gesunken ist.

Sie begann ihre literarische Karriere 1975, im Alter von 58 Jahren, als sie eine Biographie über die Präraffaeliten und den englischen Künstler und Designer Edward Burne-Jones (1833-1898) schrieb. Es folgte zwei Jahre später eine Biographie über ihren Vater und ihre Onkel, The Knox Brothers.

Die blaue Blume Fitzgeralds letzter Roman „Die blaue Blume“, erschien 1995 und spielt im 18. Jahrhundert. Es ist ein Roman über den Preis dichterischer Genialität. Sie erfasst einen Ausschnitt aus dem kurzen Leben des Friedrich von Hardenberg (Novalis), die Zeit seiner Liebe zu Sophie von Kühn, seiner „blauen Blume“, die im Alter von fünfzehn Jahren an Tuberkulose starb.

Die blaue Blume ist ein erstaunliches Buch, ein Meisterwerk, so haben es zahlreiche englische Kritiker bezeichnet… Penelope Fitzgeralds vielseitigstes und anspruchsvollstes Buch. Es ist ihr größter Triumph, ein lebendiges Stück Literatur über einen Dichter.

Der schönste erste Satz von Linn Ullmann

Linn UllmannSander schweigt.

Die Lügnerin von Linn Ullmann

Linn Karin Beate Ullmann (* 9. August 1966) ist eine norwegische Schriftstellerin und Journalistin.
Linn Ullmann, Tochter von Liv Ullmann und Ingmar Bergman, die bereits 1971 und 1978 in Filmen an der Seite ihrer Mutter kleine Rollen hatte, debütierte als Schriftstellerin 1998 mit Før du sovner. Sie lebt und arbeitet in Oslo und ist dort Kulturjournalistin für die Tageszeitung Dagbladet. Ullmann ist mit dem Dichter und Bühnenautor Niels Fredrik Dahl verheiratet. Das Paar hat eine gemeinsame Tochter.

Der schönste erste Satz von Djuna Barnes

Djuna BarnesTrotz wohlbegründeter Zweifel, ob es ratsam sei, jene Rasse zu erhalten, die Gottes Einverständnis und der Menschen Mißbilligung erfährt, gebar im Frühjahr 1880 im Alter von fünfundvierzig Jahren Hedwig Volkbein, eine Wienerin von großer Kraft und soldatischer Schönheit – hingestreckt unter Pfosten eines Himmelbettes von üppig theatralischem Karmin, hinter Behängen auf denen Habsburgs gegabelte Schwingen prangten, unter Federdecken, deren Atlashülle in reichem indes erblindetem Goldfaden das Volkbeinsche Wappen schmückte -, ihr einziges Kind: einen Sohn; sieben Tage nach der vom Arzt vorausgesagten Stunde.

Nachtgewächs von Djuna Barnes

Djuna Barnes (* 12. Juni 1892 in Cornwall on Hudson; †  18. Juni 1982 in New York City) war eine US-amerikanische Schriftstellerin und wird zu den wichtigsten Autorinnen der literarischen Moderne gezählt.

Barnes Kindheit war geprägt durch das Leben auf einer Farm einer ländlichen Gegend im Staat New York und den später in ihren literarischen Werken verarbeiteten sexuellen Missbrauch durch ihren Vater und ihre Großmutter. Beide waren extreme Freidenker, die auch einen Schulbesuch für das Kind ablehnten. Sie wurde von ihrem Vater unterrichtet. Auch die Großmutter war eine zwiespältige Figur für sie: trotz des als traumatisch empfunden Missbrauchs war sie von ihrer starken Persönlichkeit fasziniert und sah sie in bestimmten Aspekten als Vorbild.

19jährig zog sie in die Bronx, um zu malen, arbeitete jedoch nebenher als freie Journalistin. Ab 1912 veröffentlichte sie regelmäßig in New Yorker Tageszeitungen. Bald zog sie in das Künstlerviertel Greenwich Village, wo sie den Theaterkritiker Courtenay Lemon kennenlernte, mit dem sie eine nur drei Jahre dauernde Ehe einging. In dieser Zeit veröffentlichte sie ihren ersten Gedichtband und einige Theaterstücke, in denen sie auch selbst spielte.

1919 zog sie nach Paris und fand dort bald Eingang in den intellektuell-lesbischen Kreis um Natalie Barney. Von 1923 an lebte sie mit Thelma Wood zusammen, hatte jedoch neben dieser Beziehung weitere Liebesaffären mit Männern und Frauen. Die Tatsache, dass auch Wood konstant Affären hatte, verletzte sie jedoch sehr und führte zu Alkoholmissbrauch. 1928 erschien ihr Roman Ryder und der Ladies Almanack, in dem sie sich über Barney und deren Freundinnen lustig macht. Nach der Trennung von Wood 1931 lebte Barnes bei Peggy Guggenheim und arbeitete an ihrem wichtigsten Roman Nightwood.

Von 1940 an lebte sie erneut im Greenwich Village in New York und schrieb wie besessen, veröffentlichte jedoch kaum noch etwas. Nur die Sozialhilfe und Zuwendungen der Sammlerin und Mäzenin Peggy Guggenheim hielten sie über Wasser. Sie hatte wenige Sozialkontakte und lebte allein.

Mamalinde, am 02. November 2007

Der schönste erste Satz von Dorothy L. Sayers

Dorothy L. SayersSehr geehrter Sir Gilbert, ich danke für Ihren Brief gestrigen Datums und beeile mich, Ihnen die erbetene Zusammenstellung aller Dokumente zu übersenden.

Die Akte Harrison von Dorothy L. Sayers

†œDie Akte Harrison† (The documents in the case, erschienen 1930) von Dorothy L. Sayers ist sicherlich nicht ihr bekanntester Krimi, aber ich finde ihn von der Konstruktion her sehr gelungen.

Sayers war die Tochter eines anglikanischen Pfarrers und sehr religiös. Sie war außerdem auch eine der ersten Frauen, die ein Examen in Oxford ablegten, und sehr bildungseitel. Das merkt man der Mehrzahl ihrer zum Teil sehr geistreichen Kriminalromane an. Die Pointe von †œDie Akte Harrison† besteht darin, dass die Überführung des Täters im Zuge eines naturwissenschaftlich geführten Gottesbeweises
(jeder Theologe und alle anderen Leute, die was davon verstehen, wird einem sagen, dass es keinen Gottesbeweis gibt, aber egal)
geschieht, mit dem gleichzeitig dann wieder die Verurteilung des Täters in Gottes Namen gerechtfertigt wird.

Der Mord, um den es in diesem Buch geht, wird mit Muscarin, dem Gift des Fliegenpilzes, an einem leidenschaftlichen Pilzsammler ausgeführt. Der Täter, Liebhaber der Gattin des Opfers, beschafft sich dafür künstlich hergestelltes Muscarin aus einem Labor und gibt es in eine Fleischbrühe, die das Opfer zur Zubereitung seiner Pilzmahlzeit verwendet. Deshalb wird der Mord zunächst für einen Unfall gehalten, zumal der Täter sich ein Alibi beschafft hat, durch das er nachweislich zur fraglichen Zeit außerstande war, dem Opfer eventuell vergiftete Pilze unter die Mahlzeit zu mischen.

In einem Gespräch, das eine Gruppe von Naturwissenschaftlern und Theologen über die Möglichkeit eines Schöpfergottes im Rahmen eines naturwissenschaftlichen Weltbildes führen, erfährt ein Freund des Täters dann von den sogenannten Razematen: künstlich erzeugten Verbindungen, die ihrem molekularen Aufbau nach auch in der Natur vorkommen, dort aber eine andere, asymmetrische kristalline Struktur bilden, wodurch sie optisch aktiv sind (kann man in einem sogenannten Polariskop testen, was dann im Buch auch geschieht).

Rechtsdrehende Verbindungen werden also nur auf irgendwie †œlebendige† Weise erzeugt, und aus dieser Tatsache schließen die maßgeblichen Wissenschaftler bei Sayers, daß im Übergang von anorganischer zu organischer Materie eine ordnende Intelligenz (= Schöpfergott) erkennbar wird. Man kann also zumindest im Rahmen des Buches bzw. im Rahmen des Sayers†™schen Weltbildes von einem naturwissenschaftlichen Gottesbeweis sprechen, auch wenn der keineswegs Anspruch auf Allgemeinverbindlichkeit erheben kann.

Jedenfalls führt dieses Gespräch über die Existenzmöglichkeit Gottes im Rahmen eines modernen naturwissenschaftlichen Weltbildes dann auch zur direkten Überführung des Täters, weil anhand der Giftspuren nachgewiesen werden kann, daß der Tote ermordet worden sein muß, da ein natürlicher Pilz kein Razemat produziert hätte.

Die †œentsprechende Strafe† für Mord war in Großbritannien bis 1964 die Todesstrafe durch Erhängen.

Anjelka am 01. November 2007

Der schönste erste Satz von Timothy J. Knab

Krieg der Hexen Eine Frau mit einem roten Plastik-Regenumhang suchte sich einen Weg durch die schlammigen Rinnsale und Pfützen auf dem zerfurchten Pfad zu Don Inocentes Haus.

Krieg der Hexen von Timothy J. Knab

Mit dem „Krieg der Hexen“ bzw. „Der Weg der Curanderos“ (=Titel der Erstausgabe) schreibt Timothy Knab über die Geisterwelt der mexikanischen Curanderos. Knab ist Anthropologe und verbrachte viele Jahre bei den Heilern / Sehern / Hexen / Schamanen in Mexiko, um von ihnen zu lernen und ihr Weltbild zu studieren.

Das Buch selbst beschreibt ein dunkles Kapitel der Hexenkämpfe, als die Curanderos eines Dorfes ihr Wissen und ihre Techniken eben nicht zum Heilen, sondern zum Töten eingesetzt hatten. Deutlich wird dabei, wie sehr der Glaube an andere Dimensionen und deren Gegenwart im Alltagsleben scheinbar auch heute noch in weiten Teilen Mexikos vertreten sind.

Um das Buch nicht als reine Fiktion zu verstehen, empfiehlt es sich, als Einleitung erst einmal die letzen Seiten über Timothy Knab und die Entstehungsgeschichte des Buchs zu lesen.

Für an Schamanismus interessierte Leser ist dieses Buch – trotz mancher Längen – sicher ein faszinierendes, spannendes und stellenweise ziemlich düsteres Leseerlebnis.

Don Farrago am 28. Oktober 2007