Literaturnobelpreis für NgŠ©gÄ© wa Thiong†™o?

In zwei Tagen, am 07.10.2010 um 12 Uhr mittags, wird die Nobel-Stiftung den Literaturnobelpreis 2010 an „denjenigen vergeben, der in der Literatur das Herausragendste in idealistischer Richtung produziert hat†.

Beim US-amerikanischen Online-Wettbüro Ladbrokes.com wird momentan der kenianische Schriftsteller und Kulturwissenschaftler NgŠ©gÄ© wa Thiong†™o als Anwärter für den diesjährigen Literaturnobelpreis auf dem ersten Platz mit einer Quote von 3 zu 1 gehandelt.

Schon in den vergangenen Jahren schoss jeweils wenige Tage vor der Verkündung die Quote für den tatsächlichen Preisträger ganz nach oben. Sowohl Jean-Marie Gustave Le Clézio (2008) als auch Herta Müller (2009) wurden zwei Tage zuvor aus dem Mittelfeld an die Spitze katapultiert. Man vermutete, dass es eine undichte Stelle gab, was Ladbrokes dazu bewog, den Schalter schon 24 Stunden vorher zu schließen.

Von den ewigen Favoriten Amos Oz, Haruki Murakami und Philip Roth ist derzeit nur noch Haruki Murakami unter den ersten drei vertreten. Dafür rangiert Cormac McCarthy neu auf Platz 2. Richtig spannend würde es wohl, wenn Thomas Pynchon, der ebenfalls seit Jahren als Anwärter gehandelt wird, den Literaturpreis bekäme – aber verdient haben ihn sicherlich alle auf der Liste.

Also, wer noch etwas Geld übrig hat… 🙂

Ngugi wa Thiong’o 3/1
Cormac McCarthy 6/1
Haruki Murakami 7/1
Tomas Transtromer 9/1
Adonis 11/1
Gerald Murnane 11/1
Ko Un 12/1
Les Murray 15/1
Adam Zagajewski 16/1
Alice Munro 16/1
Thomas Pynchon 20/1
Joyce Carol Oates 18/1
Philip Roth 20/1
Claudio Magris 22/1
E.L Doctorow 22/1
Nestor Amarilla 25/1
Assia Djebar 25/1
Amos Oz 25/1
Mario Vargas Llosa 25/1
Antonio Tabucchi 30/1
Gitta Sereny 30/1
A.S. Byatt 33/1
Don DeLillo 33/1
Maya Angelou 33/1
Carlos Fuentes 33/1
Michel Tournier 35/1
Vaclav Havel 35/1
Yves Bonnefoy 40/1
Arnošt Lustig 40/1
Javier Marias 40/1
Ulrich Holbein 40/1
Margaret Atwood 45/1
Milan Kundera 45/1
Peter Handke 45/1
Cees Nooteboom 45/1
Ernesto Cardinal 45/1
Juan Marse 45/1
Bei Dao 45/1
Shlomo Kalo 45/1
Chinua Achebe 45/1
Anne Carson 50/1
A.B. Yehoshua 50/1
David Malouf 50/1
Antonio Lobo Antunes 55/1
Eeva Kilpi 55/1
William Trevor 55/1
Umberto Eco 55/1
Elias Khoury 55/1
Ian McEwan 55/1
Luis Goytisolo 66/1
Patrick Modiano 66/1
Bella Akhmadulina 66/1
Ismail Kadare 66/1
Jonathan Littell 66/1
Michael Ondaatje 66/1
Salman Rushdie 66/1
Eduardo Galeano 66/1
Per Petterson 75/1
Paul Auster 75/1
Jon Fosse 75/1
Harry Mulisch 75/1
Atiq Rahimi 75/1
Mahasweta Devi 100/1
Julian Barnes 100/1
F. Sionil Jose 100/1
Marge Piercy 100/1
Mary Gordon 100/1
John Banville 125/1
Kjell Askildsen 125/1
Peter Carey 125/1
William H. Gass 125/1
Vassilis Aleksaskis 125/1
Yevgeny Yevtushenko 150/1
Bob Dylan 150/1

Quelle: Ladbrokes.com

Herta Müller in der LMU

Herta Müller - LMU1
Stefan Sienerth und Herta Müller - LMU, 12.11.09

Das Audimax der Münchner LMU ist seit dem 11.11.09 besetzt. Studenten protestieren gegen die „Ökonomisierung der Bildung“. Die geschichtsträchtige große Halle wird durch die vielen Transparente der Streikenden, die auf die Aktion hinweisen, ein Mal mehr zur willkommenen Bühne im Kampf um Bildung. Die Security weist den oft verdutzten (geschätzten 800 bis 1000) Besuchern der Lesung von Herta Müller den Weg zur Großen Aula in den ersten Stock der LMU. Im Foyer können die reservierten Karten abgeholt werden. Die Veranstaltung ist ausverkauft.  Viele haben sich umsonst angestellt. 2000 Karten hätten sie verkaufen können, schätzt Reinhard Wittmann vom Literaturhaus München laut einem Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 13.11.2009 (Kapitulation gegenüber vom Audimax)

Herta Müller - LMU2Die Atmosphäre in der Großen Aula ist angenehm. Vielleicht ist dies sogar ein stilvollerer Ort für die Lesung als das wesentlich größere Audimax. Aber auch hier verschwindet die sehr zierliche Herta Müller fast hinter dem Schreibtisch auf dem Podium.

Neben ihr sitzt Stefan Sienerth, Direktor des Instituts für die Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilian-Universität. Sienerth entstammt wie der Dichter Oskar Pastior der deutschen Minderheit der Siebenbürger Sachsen. Der Autor Oscar Pastior hatte einen wesentlichen Anteil an Herta Müllers Roman Atemschaukel.  Ohne ihn hätte sie dieses Buch wohl nicht geschrieben.

So geht es zum Beginn des Gesprächs zwischen Sienerth und der Literaturnobelpreisträgerin um Pastior, der 1927 in Hermannstadt (Sibiu) geboren und als 17-Jähriger, wie insgesamt etwa 175 000 Deutsche Südosteuropas, auf Befehl Stalins zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurde. Herta Müller lernte Oskar Pastior 1987 kennen, nachdem sie selbst aufgrund ihrer Verfolgung durch die  Securitate, dem rumänischen Geheimdienst, ihre Heimat im rumänischen Banat verlassen hatte.

Gemeinsam mit Pastior machte sich Herta Müller, deren Mutter ebenfalls fünf Jahre zur Zwangsarbeit deportiert war, auf Spurensuche und daran, die Erinnerungen von Pastior und die vielen Erzählungen von Deportierten aus ihrem Dorf aufzuschreiben. 2006 starb Pastior und Herta Müller brauchte über ein Jahr, bevor sie weiter an ihrem Roman arbeiten konnte. Die Geschichte von Pastior hat sie in Atemschaukel in dem Protagonisten Leopold Auberg festgehalten: Ich muss dem Hunger heute noch zeigen, dass ich ihm entkommen bin. Ich esse buchstäblich das Leben selbst, seit ich nicht mehr hungern muss. Ich bin eingesperrt in den Geschmack des Essens, wenn ich esse. Ich esse seit meiner Heimkehr aus dem Lager, seit sechzig Jahren, gegen das Verhungern.

Mit erstaunlich kräftiger, dunkler Stimme und einem harten Akzent liest Herta Müller fast 40 Minuten lang 3 Kapitel aus der Atemschaukel.
Die Kapitel „Zement“, „Taschentuch und Mäuse“ und „Vom Hungerengel“ hat sie für ihre Lesung ausgewählt. Sie liest ohne Betonung in kühler Sprechweise und vielleicht liegt es daran, dass so poetische Sätze wie: „Manchmal kriegen die Dinge eine Zartheit, eine monströse, die man von ihnen nicht erwartet“, so manchen Zuhörer schaudern lassen.

Herta Müller - LMU3
Reinhard Wittmann und Herta Müller

Im Anschluss an die Lesung signiert Herta Müller und zwar nach einem zuvor verkündeten strengen Reglement von Herrn Sienerth: Keine Widmung, kein Datum, nur ein Buch pro Person, keine Fotos, keine Eintrittskarten zum Signieren und „bitte alle schön brav anstehen“, erklärt Sienerth augenzwinkernd. Die Erschöpfung ist der Autorin anzumerken: Nach einer Stunde wird aus der Signatur Herta Müller ein H. Müller. Sie schüttelt ihre Hände aus und verlangt nach einer Zigarette.

Große Aula der Ludwig-Maximilian-Universität, München
Große Aula der Ludwig-Maximilian-Universität, München

Endlich ist das Ende der langen Schlage erreicht und die Große Aula der LMU leert sich. Hunderte Male hat Herta Müller ihren Namen geschrieben. Aber der Lesemarathon wird für sie weiter gehen. Viele Städte stehen noch auf dem Programm ihrer Lesereise. Am 10. Dezember wird sie nach Stockholm fahren, um dort ihren Nobelpreis in Empfang nehmen zu können.

Quellen: Süddeutsche Zeitung, Wikipedia Fotos: Lesekreis

Herta Müller auf Lesereise

Herta Müller, die am 08.10.2009 mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnete Autorin, geht auf Lesereise.

Vom 13.10.2009 bis zum 09.02.2010 wird sie, vorausgesetzt die Termine ändern sich aufgrund der Preisverleihung am 10.12.09 in Stockholm nicht, die Städte Essen, Freiburg, Hamburg, Berlin (4 Termine), Köln, Wien (2 Termine), München, Frankfurt, Tübingen, Esslingen, Paderborn, Halle, Linz, Graz, Salzburg, Göttingen, Osnabrück und Bielefeld besuchen und ihren neuen Roman Atemschaukel vorstellen.

AtemschaukelKurzbeschreibung
Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. „Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.“ So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.

Lesung | 13.10.2009 | 20.00 Uhr
Ort: Grillo-Theater, Theaterplatz 11
Veranstalter: proust. Wörter. Töne., Am Handelshof 1, 45127 Essen
Nachtrag vom 14.10.: Die Lesung in Essen fällt aus, weil Frau Müller leicht erkrankt ist.

Lesung | 20.10.2009 | 20.00 Uhr
Ort: Weingut Andreas Dilger, Urachstraße 3
Veranstalter: Buchhandlung Schwarz, Günterstalstraße 40, 79100 Freiburg

Lesung | 27.10.2009 | 20.00 Uhr
Veranstalter: Literaturhaus Hamburg e. V., Schwanenwik 38, 22087 Hamburg

Lesung | 29.10.2009
Veranstalter: Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße, Berlin

Lesung | 03.11.2009 | 20.00 Uhr
Veranstalter: Literaturhaus Köln e. V., Schönhauser Straße 8, 50968 Köln

Lesung | 08.11.2009 | 20.00 Uhr
Ort: Theater Odeon, Taborstraße 10, 1020 Wien
Veranstalter: Alte Schmiede Wien – Literatur im Herbst: Dilemma 89, Schönlaterngasse 9, 1010 Wien

Lesung | 11.11.2009
Studio lcb
Veranstalter: Literarisches Colloquium Berlin e. V. – Studio lcb, Am Sandwerder 5, 14109 Berlin

Lesung | 12.11.2009
Veranstalter: Literaturhaus München / Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas e. V., Salvatorplatz 1, 80333 München
Nachtrag vom 14.10.09: Die Lesung findet in der LMU statt.

Lesung | 17.11.2009
Veranstalter: Literaturforum im Brecht Haus, Chausseestrasse 125, 10115 Berlin

Lesung | 19.11.2009
Veranstalter: Literaturhaus Frankfurt e. V., Schöne Aussicht 2, 60311 Frankfurt

Lesung | 23.11.2009 | 20.00 Uhr
Ort: Museum, Wilhelmstraße 3, 72074 Tübingen
Veranstalter: Osiandersche Buchhandlung GmbH, Wilhelmstraße 12, 72074 Tübingen

Lesung | 24.11.2009 | 20.00 Uhr
Ort: Kutschersaal , Webergasse 4-6
Veranstalter: Stadtbücherei Esslingen, Heugasse 9, 73728 Esslingen

Lesung | 30.11.2009 | 16.15 Uhr
Ort: Universität Paderborn / Campus / Hörsaal G, Warburger Str. 100
Veranstalter: Universität Paderborn, Paderborn

Lesung | 04.12.2009
Ort: Literaturhaus Berlin
Veranstalter: Literaturtage / Zentrum für Literatur und Kulturforschung Berlin, Berlin

Lesung | 13.12.2009
Ort: Moritzbastei, Leipzig
Veranstalter: Mitteldeutscher Rundfunk HF- MDR Figaro-Lese-Café, Gerberstraße 2, 06108 Halle

Lesung | 11.01.2010
Veranstalter: Literarisches Quartier Kunstverein Wien Alte Schmiede, Schönlaterngasse 9, 1010 Wien

Lesung | 12.01.2010
Veranstalter: Oberösterreichisches Literaturhaus im Stifterhaus, Adalbert-Stifter-Platz 1, 4020 Linz

Lesung | 13.01.2010
Veranstalter: Literaturhaus Graz, Elisabethstr. 30, 8010 Graz

Lesung | 14.01.2010
Veranstalter: Literaturhaus Salzburg, Strubergasse 23, 5020 Salzburg

Lesung | 21.01.2010
Veranstalter: Literarisches Zentrum Göttingen e.V., Düstere Straße 20, 37073 Göttingen

Lesung | 08.02.2010
Veranstalter: Buchhandlung zur Heide OHG, Osterberger Reihe 2-8, 49074 Osnabrück

Lesung | 09.02.2010
Veranstalter: Universität Bielefeld, Bielefeld

Quellen: Hanser Verlag Foto: Wikipedia

Atemschaukel von Herta Müller

Atemschaukel von Herta Müller

Pressestimmen
„Ein überwältigender, ergreifender, demütig machender Roman, die vielleicht nachhaltigste Leseerfahrung dieses Herbstes.“ (Felicitas von Lovenberg, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.07.09)

„Ein sprachliches Kunstwerk, wie es das in diesem Herbst kaum ein zweites Mal geben dürfte. Wer es schafft, Herta Müllers bestürzenden, bedrückenden und – wegen seiner sprachlichen Kraft – beglückenden Roman zu Ende zu lesen, wird dieses Buch nie wieder vergessen.“ (Focus, Hajo Steinert, 10.08.09)

AtemschaukelKurzbeschreibung
Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. „Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.“ So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.

Über die Autorin
Herta Müller, 1953 geboren im deutschsprachigen Nitzkydorf/Rumänien, studierte 1973 – 1976 deutsche und rumänische Philologie in Temeswar. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik. Sie wurde entlassen, weil sie sich weigerte für den rumänischen Geheimdienst Securitate zu arbeiten. Ihr erstes Buch „Niederungen“ lag danach vier Jahre beim Verlag und wurde 1982 nur zensiert veröffentlicht. 1984 erschien es in der Originalfassung in Deutschland. Herta Müller konnte danach in Rumänien nicht mehr veröffentlichen und war immer wieder Verhören, Hausdurchsuchungen und Bedrohungen durch die Securitate ausgesetzt. 1987 Übersiedlung nach Deutschland. 1989 – 2001 Gastprofessuren an Universitäten in England, Amerika, Schweiz und Deutschland. Seit 1995 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt. Herta Müller wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. So erhielt sie 2006 den Würth-Preis für Europäische Literatur für ihr literarisches Gesamtwerk sowie den Walther-Hasenclever-Werkpreis. Herta Müller lebt in Berlin. 2009 erhielt die Autorin die Ehrengabe der Heine-Gesellschaft, am 08.10.2009 wurde sie mit Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

Am 15.10. steht Herta Müllers Atemschaukel zum kostenlosen Download für 24 Stunden auf libreka! bereit.

Quelle Foto: Lesekreis

Literaturnobelpreis 2009: Herta Müller überglücklich!

Der Literaturnobelpreis wird jährlich seit 1901 von der Schwedischen Akademie an „denjenigen verliehen, der in der Literatur das Herausragendste in idealistischer Richtung geschaffen hat“.

Seit der ersten Verleihung im Jahr 1901 an den französischen Lyriker und Philosophen Sully Prudhomme wurde der Nobelpreis für Literatur bisher 106 Personen zuerkannt, zwölf davon waren Frauen: Die erste war 1909 Selma Lagerlöf, es folgten 1926 Grazia Deledda, 1928 Sigrid Undset, 1938 Pearl S. Buck, 1945 Gabriela Mistral, 1966 Nelly Sachs, 1991 Nadine Gordimer, 1993 Toni Morrison, 1996 WisŠ‚awa Szymborska, 2004 Elfriede Jelinek, 2007 Doris Lessing und seit heute, Donnerstag, den 08. Oktober 2009, die deutsche Schriftstellerin Herta Müller.

Herzlichen Glückwunsch!

Die Jury der Schwedischen Akademie begründete ihre Auswahl unter anderem mit der Reinheit der Dichtung, die Müllers Werken innewohne. Müller zeichne „mittels der Verdichtung der Poesie und der Sachlichkeit der Prosa Landschaften der Heimatlosigkeit“.

„Als ich ihre Bücher gelesen habe, hat mich das innerlich erschüttert“, sagte der Chef der Nobelpreis-Akademie, Peter Englund. Müller schreibe „völlig ehrlich, mit einer unglaublichen Intensität. Sie schreibt auch als jemand aus einer Minderheit, völlig ohne Rücksicht auf sich selbst“. Müller habe „wirklich eine Geschichte zu erzählen.“ Auf den Anruf aus Stockholm habe sie „überglücklich“ reagiert, sagte Englund.

Herta Müller wurde am 17. August 1953 in Nitzkydorf, Rumänien als Banater Schwäbin, einem Teil der deutschen Minderheit in Rumänien, geboren. Ihr Großvater war ein wohlhabender Bauer und Kaufmann. Er wurde unter dem kommunistischen Regime enteignet. Ihre Mutter war zu jahrelanger Zwangsarbeit in die UdSSR deportiert worden. Ihr Vater, ein ehemaliger Soldat der Waffen-SS, verdiente seinen Lebensunterhalt als Lkw-Fahrer.

Nach dem Abitur studierte sie an der Universität des Westens TimiŠŸoara Germanistik und rumänische Literatur. Ab 1976 arbeitete sie als Übersetzerin in einer Maschinenfabrik, wurde allerdings 1979 nach ihrer Weigerung, mit der rumänischen Securitate zusammenzuarbeiten, entlassen. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit zeitweiliger Lehrtätigkeit in Schulen und Kindergärten sowie mit privatem Deutschunterricht.

Ihr erstes Buch Niederungen konnte 1982 in Rumänien, wie alle Publikationen, nur in zensierter Fassung erscheinen. 1987 reiste Herta Müller mit ihrem damaligen Ehemann, dem Schriftsteller Richard Wagner, in die Bundesrepublik Deutschland aus. In den folgenden Jahren erhielt sie eine Reihe von Lehraufträgen als „Writer in residence“ an Universitäten im In- und Ausland. 2005 war sie „Heiner-Müller-Gastprofessorin“ an der Freien Universität in Berlin, wo sie heute lebt.

Herta Müller gehörte bis zu ihrem Austritt 1997 dem P.E.N.-Zentrum Deutschland an; seit 1995 ist sie Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.

2008 entbrannte eine innenpolitische Diskussion um die Teilnahme des Historikers Sorin Antohi und des Germanisten Andrei Corbea-HoiŠŸie an einer Tagung des „Berliner Rumänischen Kulturinstituts“ am 25. Juli 2008, weil beide Informanten der Securitate im kommunistischen Rumänien waren. Herta Müller kritisierte deren Einladung in einem offenen Brief. Im Rahmen dieser Auseinandersetzung griff der aus dem Banat stammende Historiker, Philosoph und Literat Carl Gibson Herta Müller an und warf ihr in seinem Buch Symphonie der Freiheit Systemloyalität unter dem CeauŠŸescu-Regime vor.

In einem Artikel in der Wochenzeitung Die Zeit vom 23. Juli 2009 mit dem Titel „Die Securitate ist noch im Dienst“ beschreibt Herta Müller allerdings, welchen Machenschaften des rumänischen Geheimdienstes sie ausgesetzt war und noch heute ist. Die Akten der Securitate offenbaren, dass sie und damit ihre unermüdliche Kritik an der Diktatur CeauÈ™escu durch Diskreditierungsmaßnahmen unglaubwürdig gemacht werden sollte. So wurden etwa von der Securitate entworfene Briefe an deutsche Rundfunkanstalten geschickt, in denen sie als Agentin beschuldigt wurde. Weiterhin beschuldigten sie führende Personen der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die informelle Mitarbeiter der Securitate waren, im Auftrag der Kommunistischen Partei Rumäniens zu schreiben.

Atemschaukel2009 wurde ihr Roman Atemschaukel, der durch ein Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung ermöglicht wurde, für den Deutschen Buchpreis 2009 nominiert und gelangte auf die Shortlist. In diesem Buch zeichnet die Autorin den Weg eines jungen Mannes in ein Deportationslager nach Russland nach, das exemplarisch für das Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen nach dem Zweiten Weltkrieg steht. Als Modell diente ihr dabei das Erleben des 2006 verstorbenen Lyrikers und Georg-Büchner-Preisträgers Oskar Pastior, dessen mündliche Erinnerungen Herta Müller in mehreren Heften notiert hat.

Kurzbeschreibung Atemschaukel
Rumänien 1945: Der Zweite Weltkrieg ist zu Ende. Die deutsche Bevölkerung lebt in Angst. „Es war 3 Uhr in der Nacht zum 15. Januar 1945, als die Patrouille mich holte. Die Kälte zog an, es waren -15° C.“ So beginnt ein junger Mann den Bericht über seine Deportation in ein Lager nach Russland. Anhand seines Lebens erzählt Herta Müller von dem Schicksal der deutschen Bevölkerung in Siebenbürgen. In Gesprächen mit dem Lyriker Oskar Pastior und anderen Überlebenden hat sie den Stoff gesammelt, den sie nun zu einem großen neuen Roman geformt hat. Ihr gelingt es, die Verfolgung Rumäniendeutscher unter Stalin in einer zutiefst individuellen Geschichte sichtbar zu machen.

Am 09.10.2009 ist Herta Müller zu Gast bei Literatur im Foyer mit Thea Dorn im SWR.

Quelle: Wikipedia