Vorgestellt wird ein internationaler Bestseller aus der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu dem der Autor in der Einleitung schreibt:
Bei einem Märchen wie diesem †“ es spielt in der Zukunft, zu unbestimmter Zeit †“ scheint es überflüssig, meinen Gestalten jede Beziehung zu lebenden Personen abzusprechen. Trotzdem möchte ich feststellen, dass keine ihr wirkliches Vorbild hat […].
Die ersten Sätze:
†œSehen Sie den Nigger dort? Er geht eben die Straße entlang.† Dr. Hasselbacher stand in der Wunder-Bar. Er fügte hinzu: †œEr erinnert mich an Sie, Mr. Wormold.† Es war bezeichnend für Dr. Hasselbacher, dass er nach fünfzehn Jahren Freundschaft noch immer die Anrede †˜Mister†™ gebrauchte. Freundschaft ging langsam vonstatten, mit der Unbeirrbarkeit einer sorgfältigen Diagnose. Auf dem Totenbett, wenn Dr. Hasselbacher kam, um seinen erlahmenden Puls zu fühlen, würde Wormold vielleicht Jim werden.
Und noch eine Kost- und Leseprobe:
Eine nackte Birne, die schon viel zu viele Tage und viel zu viele Nächte gebrannt hatte, erhellte den Korridor. Abfallkübel verstellten ihn fast zur Gänze, und ein Neger kehrte mit einem Besen Baumwollabfälle zusammen. Sie waren voll Schmutz: Puder, Lippenstift und zweideutige Dinge. Es roch nach Birnenschnaps. Vielleicht hatte er sich umsonst geängstigt, vielleicht gab es niemanden namens Teresa, doch er wünschte, er hätte keine so volkstümliche Heilige gewählt. Er stieß eine Türe auf, und was er sah, war ein mittelalterliches Inferno †“ Rauch und nackte Weiber.
Graham Greenes Romane wurden wegen ihrer explosiven Mischung aus Abenteuer, Kriminalistik, Erotik und Religiosität zeit seines Lebens heftig diskutiert. Für die einen war er sexbesessen, für die anderen katholisch, die einen sahen seine Werke als Unterhaltungsliteratur, andererseits wurde er lange als Kandidat für den Nobelpreis gehandelt.
Dass der weitgereiste Spion Greene mehr erlebt hat als jeder andere Schriftsteller des 20. Jahrhunderts gilt hingegen als unbestritten. Vielleicht ist nun, 100 Jahre nach seiner Geburt, die rechte Zeit, den Schriftsteller und Menschen Greene sowie sein reiches Werk neu zu entdecken.
Graham Greene wurde am 2. Oktober 1904 in Berkhampstead, Hertfordshire, geboren. Sein Großonkel war der Autor der ‚Schatzinsel‘, Robert Louis Stevenson. Da Greene der Sohn des örtlichen Schuldirektors war, behandelten seine Mitschüler ihn als Außenseiter. Er entwickelte einen Hang zum Einzelgängertum, gegen den auch seine beiden Brüder nichts tun konnten. Nach Beendigung der Schule ging Greene nach Oxford und studierte am Balliol College Neuere Geschichte. Seine erste Anstellung war ein Redakteursposten bei der Times in London, danach fand er eine Stelle als Filmkritiker beim Spectator. Die großen Reisen, die er unternahm †“ u.a. nach Westafrika und Asien †“ wurden auch zum Fundus für seine schriftstellerische Tätigkeit. Ein entscheidender Schritt war 1934 sein Übertritt zum Katholizismus. Sein erster Roman, ‚The Man Within‘ (1929, dt. ‚Zwiespalt der Seele‘), beschreibt bereits den Konflikt zwischen Gut und Böse, der im Zentrum von Graham Greenes Werk steht. Man findet ihn in den Kriminalgeschichten wie in den psychologisch ausgerichteten Romanen. Als 1940 ‚The Power and the Glory‘ (dt. ‚Die Kraft und die Herrlichkeit‘) erschien, erhielt Greene dafür den Hawthorne-Preis. Viele halten es für sein vielleicht bestes Werk. Zweimal leitete er Verlage, Mitte der vierziger Jahre Eyre & Spottiswoode und Anfang der sechziger Jahre Bodley Head. Am 3. April 1991 starb Graham Greene in Genf. Er zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern des 20. Jahrhunderts.
Kurzbeschreibung zu Unser Mann in Havanna
Mr. James Wormold, ein harmloser, biederer, englischer Kaufmann in mittleren Jahren, der in Kuba – kurz vor der Machtergreifung Castros – eine Staubsauger-Vertretung leitet, wird vom britischen Geheimdienst angeworben, das „karibische Agentennetz“ aufzubauen. Er läßt sich darauf ein, unter anderem, um den extravaganten Lebensstil seiner Tochter Seraphina, genannt Milly, zu finanzieren. Weil er jedoch keine Ahnung hat, wie ein Spionagering funktioniert und keine verwertbaren Informationen besitzt, erfindet er diese, schickt fingierte Berichte nach London: Über die Zuckerindustrie, über Unruhen in der Marine, gepfefferte Details aus dem Privatleben hoher Regierungsbeamter. Unverschämt und fröhlich zugleich kassiert er so viele Spesen wie nur möglich, auch jene von erfundenen Agenten. Sein Meisterstück jedoch ist eine Planskizze militärischer Anlagen im Dschungel, die nichts anderes darstellt als einen enorm vergrößerten Staubsauger.
Als seine phantastischen Erfindungen schließlich aufgedeckt werden, gerät unglücklicherweise Mr. Wormolds Phantasiewelt sehr bald mit der Wirklichkeit in Konflikt. Um einer internationalen Blamage zu entgehen, stellt der britische Geheimdienst ihn letztlich zur Fortbildung seiner Mitglieder ein.
Don Farrago am 06. Januar, 2008