Der schönste erste Satz von Harold Robbins

Harold RobbinsSolange ich zurückdenken konnte, hatte ich im Waisenhaus gelebt.

Die Wilden von Harold Robbins

Harold Robbins, geboren am 21. Mai 1916 in New York, gestorben am 14. Oktober 1997 in Palm Springs, Kalifornien, war ein US-amerikanischer Schriftsteller.

Der Sohn russischer und polnischer Einwanderer wurde als Harold Rubin geboren. Nach Abschluss der High School arbeitete Robbins in zahlreichen Jobs, um schließlich in Hollywood zu landen und erhielt Arbeit bei den Universal Studios. Die Arbeit beim Film prägte zahlreiche seiner späteren Romane. Doch zunächst veröffentlichte er 1948 seinen Erstlingsroman. Never love a stranger ist die Geschichte eines Waisenkindes, das in New York City aus dem Nichts zu einem erfolgreichen Gangster aufsteigt. Bei seinem Debüt zeigt sich bereits die kräftige Sprache Robbins, die ihn zu einem der meistverkauften Autoren spannender Unterhaltungsliteratur machen und dafür sorgen, dass seine Bücher von Hollywood verfilmt werden, jedoch von Literaturkritikern verachtet werden.

Never love a stranger ist dann auch sein erstes Buch, das von Robert Stevens 1958 verfilmt wird, mit John Drew Barrymore (Vater der Schauspielerin Drew Barrymore) in der Hauptrolle.

An der Frage, ob seine Romane (und davon hat er etliche geschrieben) zu den Werken der Weltliteratur zählen, scheiden sich allerdings die Geister. Zumindest war der Autor so populär, dass ihm sein Lebenswerk einen Stern auf dem †œWalk of Fame† in Hollywood eingetragen hat.

Sein damaliger Verleger hat diesen Roman veröffentlicht, weil †“ um es salopp mit des Autors eigenen Worten und in meiner Übersetzung zu sagen †“ †œes das erste Mal war, dass er ein Buch gelesen hatte, bei dem er auf einer Seite weinen musste und auf der folgenden Seite einen Ständer kriegte†.

Heute würde man vielleicht eher sagen: Es ist eine stimmige Mélange aus spannendem Gangsterthriller und anrührender Liebesgeschichte, gewürzt mit einer kräftigen Prise Erotik. Und es ist trotz des Ich-Erzählers keine Autobiographie, dafür war der Autor zu jener Zeit doch noch zu jung (obwohl: wenn ich an Daniel Küblkotz & Konsorten denke…). Aber er kannte sich aufgrund seiner Herkunft auf den verschlungenen Pfaden des Großstadtdschungels recht gut aus.

†œDie Wilden† ist mit Sicherheit kein sonderlich anspruchsvolles Werk, und H.R. war auch als Mensch ein schlimmer Finger, der kein Laster ausgelassen hat. Aber er hat schließlich auch noch andere Bücher geschrieben, da ist sein Roman †œDie Gnadenlosen† (†A Stone for Danny Fisher†) schon ein ganz anderes Kaliber.

Und auch die Verfilmung mit Elvis Presley ragt aus dem ansonsten seichten filmischen Schaffen des Kings heraus †“ auch wenn die Tonspur von †œMein Leben ist der Rhythmus† in der deutschen Fassung nur in Mono ist, was dem Musikgenuss ein wenig abträglich ist. Aber ich will mich nicht beklagen †“ wenn der ursprünglich für die Hauptrolle vorgesehene James Dean den Danny Fisher gespielt hätte, hätte zwar der aus physiologischen Gründen auf diesen fixierte weibliche Teil der Bevölkerung noch mehr gekreischt, uns allen wäre aber der musikalische Genuss vollständig verwehrt geblieben…

Mein Tipp: Wenn euch †œDie Gnadenlosen† oder †œDie Macher† (†Tycoon†) von 1997 (auf Deutsch 1998) mal antiquarisch über den Weg laufen, schaut einfach mal rein.

Harold Robbins verkaufte Auflagen werden weltweit übrigens auf über 750.000.000 Stück geschätzt!

Don Farrago am 26. November, 2007

Ein Zeitalter in einem Satz – von Leo Tolstoi aus Zwei Husaren

Leo TolstoiUm das Jahr 1800, in jenen Zeiten, als es noch keine Eisenbahnen gab, keine Chausseen, keine Gasbeleuchtung, keine Stearinkerzen, keine niedrigen Sofas mit Sprungfedern, keine unlackierten Möbel, keine blasierten Jünglinge mit Monokel, keine freidenkerischen weiblichen Philosophen, keine holden Kameliendamen, an denen unsere Zeit so reich ist – in jenen naiven Zeiten, als man im Reisewagen oder in einer Kutsche von Moskau nach Petersburg reiste und eine Unmasse häuslicher Küchenerzeugnisse mitnahm, volle acht Tage auf weichen, staubigen oder morastigen Landstraßen unterwegs war und auf Koteletts Posharski, waldaische Glöckchen und Kringel schwor, da an langen Herbstabenden die Talglichter herunterbrannten und Familienkreise von zwanzig, dreißig Menschen beleuchteten, als bei Bällen Wachs- und Walratkerzen auf die Armleuchter gesteckt wurden, als man die Möbel symmetrisch aufstellte, als unsere Väter noch jung waren, nicht allein durch das Fehlen von Runzeln und grauen Haaren, und sich um der Frauen Willen schossen und diensteifrig vom anderen Zimmerende herbeistürzten, um zufällig oder nicht zufällig fallengelassene Taschentücher aufzuheben, als unsere Mütter kurze Taillen und gewaltige Ärmel trugen und Familienangelegenheiten durch das Ziehen von Loszettelchen entschieden, als die verführerischen Kameliendamen sich vor dem Tageslicht versteckten – in den naiven Zeiten der Freimaurerlogen, der Martinisten, des Tugendbundes, in den Zeiten von Männern wie Miloradowitsch, Dawydow, Puschkin – fand in der Gouvernementsstadt K. nach Beendigung der Adelswahlen eine Versammlung von Gutsbesitzern statt.
(Erster Satz aus Leo N. Tolstoj, Zwei Husaren)

Der schönste erste Satz von Hans Christian Andersen

Hans Christian AndersenHört her! nun fangen wir an.

Die Schneekönigin von Hans Christian Andersen

Hans Christian Andersen, geboren am 2. April 1805 in Odense auf der dänischen Insel Fünen, gestorben am 4. August 1875 in Kopenhagen, ist der wohl berühmteste Dichter und Schriftsteller Dänemarks.

Nach dem Tod seines Vaters ging er mit 14 Jahren nach Kopenhagen und bemühte sich, dort als Schauspieler zum Theater zu kommen. Nachdem ihm das jedoch nicht gelang, versuchte er sich ebenso vergeblich als Sänger, verfasste aber auch schon erste kleine Gedichte. Schließlich nahm ihn Konferenzrat Jonas Collin, der damalige Direktor des Königlichen Theater Kopenhagen (Kongelige Teater), in seine Obhut und in sein Haus auf. Dort fühlte er sich besonders zu dem Sohn seiner Gasteltern, Edvard Collin, hingezogen, den diese Zuneigung jedoch eher befremdete und der diese nicht erwiderte. Die jüngste Tochter Louise Collin wurde ihm eine schwesterliche Freundin, der er sehr zugeneigt war. Beide erlebten sich als Seelenverwandte. Von der Theaterdirektion unterstützt und durch König Friedrich VI. gefördert, konnte er von 1822 bis 1826 bei Rektor Meissling eine Lateinschule in der kleinen Provinzstadt Slagelse, von 1826 bis 1828 eine weitere Lateinschule in Helsingør und anschließend die Universität Kopenhagen besuchen. Am Ende seiner Schulzeit schrieb er das Gedicht „Das sterbende Kind†œ. Dieses wurde als kleines Meisterwerk anerkannt, in dem der Autor die Welt aus den Augen eines kleinen Kindes betrachtete, was insgesamt für sein Schaffen kennzeichnend wurde. Das Gedicht ist danach in vielen Ländern veröffentlicht worden.

Andersen war einmal in seinem Leben einer Frau in tiefer Liebe zugetan. Es war Riborg Voigt, die Schwester des Studienfreundes Christian Voigt, durch den er sie kennen lernte. Er hatte sich sogleich unsterblich in sie verliebt, doch war sie schon einem anderen Manne versprochen. Ihren Abschiedsbrief trug er zeitlebens in einem Ledersäckchen auf dem Herzen und es wurde bei seinem Tode auch gefunden. Andersen hatte diese tragische Liebesgeschichte in seinem Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ verarbeitet.

Nachdem Riborg geheiratet hatte, unternahm Andersen mehrere Reisen nach Deutschland, England, Italien, Spanien und in die Türkei. Unter dem Einfluss der italienischen Landschaft entstanden dann die ersten Texte, die sehr an die Kleine Meerjungfrau erinnern. Die Beschreibung der Welt in dem gleichnamigen Märchen zeigt die italienischen Einflüsse deutlich.

Auf seinen insgesamt 30 großen Reisen kam er 32 Mal nach Dresden und 15 Mal nach Maxen bei Dresden, wo er seine Freunde, die Mäzenen Friederike und Friedrich Anton Serre besuchte. Dort schrieb er auch: „Des Herzens Sonnenschein in Sachsen, er strahlt am schönsten doch in Maxen“.
Später lernte er noch weitere Frauen kennen, die ihm alle schwesterliche Freundinnen waren: Henriette Wulff, Tochter des Kommandeurs und Gönners P.F. Wulff, ferner Sophie Ørsted, Tochter des Entdeckers des Elektromagnetismus Hans Christian Oersted, und Jenny Lind, auch schwedische Nachtigall genannt, die er sehr verehrte. Sein Leben lang blieb er aber unverheiratet, ohne eine wie auch immer geartete längere, tiefere, persönliche oder gar sexuelle Verbindung. Mit Edvard Collin verband ihn jedoch auch nach dessen Heirat im gegenseitigen Einvernehmen eine Freundschaft auf Distanz. In der Wissenschaft wird kontrovers diskutiert, ob Andersen homosexuell gewesen sei. Diese Diskussion begann 1901 mit dem Artikel „Hans Christian Andersen: Beweis seiner Homosexualität“ von Carl Albert Hansen Fahlberg (unter dem Pseudonym Albert Hansenin) in Magnus Hirschfelds „Jahrbuch für sexuelle Zwischenstufen“.

Nach seinem 70. Geburtstag, als Künstler international anerkannt und verehrt, vom dänischen König mit dem höchsten Orden ausgezeichnet, verstarb er am 4. August 1875 in Kopenhagen und wurde dort auf dem Assistens Friedhof beigesetzt.

Die SchneeköniginAndersen schrieb mehr als 160 Märchen in acht Bänden. Dabei bearbeitete er Volksmärchen, bis sie seinem literarischen Ansprüchen genügten und von Kindern verstanden werden konnten.
Die Schneekönigin ist eines seiner längsten und ausgefeiltesten, aber auch kompliziertesten und vielschichtigsten Märchen. Es handelt von einem kleinen Mädchen, das seinen von der Schneekönigin entführten Spielgefährten sucht. Wie viele andere Märchen Andersens thematisiert auch dieses das kleine Glück der einfachen, guten Leute und ist humorvoll und ironisch. Die Suche des Mädchens spielt sich in traumartigen Szenerien ab.

Anjelka, am 25. November 2007

Der schönste erste Satz von Leo Tolstoi

Es war in einem Winter in den siebziger Jahren, einen Tag nach St. Nikolaus.

Herr und KnechtHerr und Knecht von Leo Tolstoi

Wir alle haben Schwächen und wir alle haben auch unsere Masken, hinter denen wir unser wahres Ich zu verbergen suchen, wenn es die Situation verlangt. Die Art dieser Schwächen und Masken hängt auch mit unserer Biographie zusammen: Wer sind wir? Wie ist unser sozialer Status, unser Umfeld? Was tun wir? Wer sind und was tun unsere Vertrauten, Freunde und Bekannten? Wie und wann können wir unsere Schwächen und Masken aber überwinden und ablegen, wenn sie uns unser ganzes Leben begleitet und wenn sie so eng mit unserer Biographie verknüpft sind? Die Antwort: Wenn wir in höchster Not sind, wenn wir wissen, das unser Leben sehr bald enden wird und wenn wir aus diesem Grund über uns und unser bisheriges Schaffen nachdenken.

Und genau einer solchen Extremsituation setzt Lew Nikolajewitsch (1828-1910) – kurz: Leo Tolstoi – in seiner Erzählung „Herr und Knecht“ den Kaufmann Wassilij Andrejitsch Brechunow geraten. Brechunow lebt für seine Geschäfte, denkt pausenlos darüber nach, wie er sein Vermögen vermehren kann und nutzt seine Machtposition gegenüber Bediensteten, Kunden und Geschäftspartnern scham- und skrupellos aus. Dabei glaubt er aber selbst immer noch, er wäre gerecht und würde seine Mitmenschen fair behandeln. Sein armer Knecht Nikita sieht das natürlich ganz anders. So wundert es auch niemanden, dass Brechunow den Schlitten anspannen lässt, um Nachts einen Wald zu kaufen, obwohl es stark schneit und die Temperaturen weit unter Null liegen. Geschäft ist schließlich Geschäft. Und die einmalige Möglichkeit, diesen Wald für ein Schnäppchen zu erwerben, kann Brechunow sich nicht entgehen lassen. Es kommt wie es kommen muss: Die Markierungen am Wegesrand sind eingeschneit und sehr bald haben sich Brechunow und Nikita verfahren, wissen nicht mehr wo sie sind. Und das bei eisigen Temperaturen, die diese Geschäftsreise bald zu einer Fahrt auf Leben und Tod werden lassen…

Die Situation in Tolstois gerade einmal 71 Seiten umfassenden Erzählung ist denkbar einfach und trotzdem bis ins kleinste Detail durchdacht und sehr gut ausgearbeitet: Mit dem geldgierigen und skrupellosen Geschäftsmann Brechunow und dem stillen, folgsamen Knecht Nikita können die Hauptpersonen kaum unterschiedlicher sein. Weitere Personen gibt es kaum und wenn, tauchen sie lediglich am Rande auf. Die Tatsache der begrenzten Anzahl von Figuren (in Romanen von Dostojewski beispielsweise tauchen bekanntlich so viele Charaktere auf, dass man sie sehr bald kaum noch auseinander halten kann) sowie Tolstois leicht verständliche Sprache, ermöglichen auch ein flüssiges und entspanntes lesen.Der Fokus bei „Herr und Knecht“ liegt ganz klar auf Brechunow und Nikita und gezeigt werden soll Brechunows Wandlung vom skrupellosen, scheinbar allmächtigen Geschäftsmann zu einem fürsorglichen, ängstlichen Menschen, der in größter Not erkennt, wie weit er sich von der Welt entfernt hat. Und nicht zu vergessen: Es geht auch um Nächstenliebe – ein Motiv, das in Tolstois Spätwerk, wozu „Herr und Knecht“ (erschienen: 1895) zählt, immer wichtiger wurde.

Beschreibungen des Herr-Knecht-Verhältnisses sind allerdings nichts Neues und tauchen nicht nur bei Hegel und Marx auf. Tolstoi beschränkt sich in seiner Erzählung zwar stark auf den Aspekt der Nächstenliebe, den Brechunow erst kennen lernen muss, trotzdem wird auch deutlich, dass der Knecht irgendwann von seinem Herrn, der bisher immer die Macht hatte, eben diese übernimmt und selbst zum Denker und Lenker wird, während der Herr sich ganz auf seinen Knecht verlässt. Deutlich wird das vor allem, als Brechunow Nikita – durchaus symbolisch – die Zügel für das Pferd gibt und seinen Knecht schalten und walten lässt.

Don Farrago am 25. November, 2007 00:50

Der schönste erste Satz von Janina David

Ein Stück HimmelDer Geruch von reifenden Äpfeln und Birnen erfüllt den kleinen Raum.

Ein Stück Himmel von Janina David

Janina David (eigentlich Janina Dawidowicz), geboren am 19. März 1930 in Warschau, ist eine polnisch-britische Schriftstellerin und Übersetzerin.

†œEin Stück Himmel† ist literarisch sicherlich nicht besonders bemerkenswert. Was mich daran aber beeindruckt hat, ist das nahe Beieinander von Albtraum und Normalität aus der Sicht eines Kindes. Statt von †œNormalität† sollte man vielleicht besser noch von der Kraft des Mädchens Janina sprechen, sich im Albtraum Inseln von †œnormaler Kindheit† zu schaffen oder sie da, wo sie sie fand, Kraft daraus zu ziehen.

†œEin Stück Himmel† ist der erste Teil einer dreiteiligen Autobiographie, die mit den Bänden †œEin Stück Erde† und †œEin Stück Fremde† fortgesetzt wurde. Im ersten Band ist die Kindheit im Ghetto bis zur Flucht von dort geschildert, im zweiten die Zeit des Versteckens im Kloster mit falscher Identität und im dritten Band die Jugend nach dem Krieg, als Janina feststellen muß, daß ihre Eltern umgekommen sind. Sie ging dann zunächst zu Angehörigen nach Paris, von dort nach Australien, dann wieder nach Paris und schließlich nach London, wo sie seit 1958 lebt.
Seit 1978 arbeitet sie hauptberuflich als Autorin und Übersetzerin von Kinder- und Jugendbüchern und von Hörspielen u.a. für die BBC.

Anjelka, am 23. November 2007